Von Dr. Juliana Bauer Am Valentinstag 2022
Überwältigend sind die Kommentare der Gläubigen auf das Video, das der katholische Fernsehsender aus Paris, KTO, am 10. Februar ausstrahlte.
Ein Video mit dem emeritierten Erzbischof Michel Aupetit – von zahlreichen Katholiken lange ersehnt.
Zwei Monate nach seiner Entlassung und wenige Tage nach seinem Empfang bei Papst Franziskus drehte KTO ein Kurzvideo mit ihm. Es war das erste Wiedersehen mit ihm seit jenem dramatischen Tag, als er seinen Gläubigen Adieu sagte. Innerhalb dreier Tage waren die Aufrufe auf über 60.000 gestiegen, die Kommentare beliefen sich in kürzester Zeit auf mehr als 170.
Es sind Kommentare, die berühren, bewegen, faszinieren. Die einen auch sprachlos machen. Begeistert sprachlos. Nie erlebte ich dergleichen. Dass Christen in solche Freudenrufe ausbrachen, als sie ihren ehemaligen Oberhirten nach zwei Monaten „endlich“ wiedersahen und wiederhörten. „Ihren Monseigneur“, den sie „so vermissen“, der ihnen „ganz schrecklich fehlt“, dessen „Rücktritt“ „einen solchen Schmerz zurückließ“, wie „glücklich ich bin, Sie wiederzusehen“, „welch eine Freude, Sie zu hören…“ Die Freudenausbrüche verbanden sich mit der Begeisterung und der Hochachtung für seine neue Aufgabe, mit vielen Segenswünschen, die aus dem Herzen der Menschen kamen, mit Bezeugung von Zuneigung „wir lieben Sie“, „wir schicken einen zärtlichen Gruß“, „wir beten immer für Sie.“ Mitunter wechselten Schreiber auch in ein vertrauliches Du.
Schon die vielzähligen Kommentare in Radio Notre Dame zugunsten Michel Aupetits (es waren mehr als 1.000) waren überwältigend. Ich kann mich nicht erinnern, jemals solch eine Wiedersehensfreude mit einem deutschen Bischof, einem Italiener, einem Amerikaner oder auch mit anderen französischen Hirten nach einer Emeritierung oder nach längerer Abwesenheit erlebt zu haben.
Was der Trauer über den Verzicht auf den „geliebten“ und „wunderbaren Hirten“ und der immensen Wiedersehensfreude folgte, waren, wie bereits in früheren Kommentaren, die nicht enden wollenden Hinweise auf seine Predigten, welche ebenso vermisst werden, die die Gläubigen zutiefst berührten und trösteten, spirituell bereicherten und ermutigten, die Quelle von Reflexion, Freude und Glaube waren.
Bischof der Herzen
„Welch eine Freude, Sie wiederzusehen, wir lieben Sie, Monseigneur Aupetit…“
Michel Aupetit ist der BISCHOF der HERZEN! Der Hirte unzähliger Herzen. Der Hirte der Herzen so vieler Christen.
Der einfachen Menschen. Derer, die nicht zur Elite der französischen Kirche zählen. Weder zur linken, politisch agierenden 68er-Elite, noch zu der stockkonservativen traditionalistisch orientierten Bourgeoisie und Plutokratie.
Als ich diese Worte schrieb, kam mir schlagartig eines in den Sinn: jene Kräfte waren es, die m. Ü. nach Aupetits Fall als Erzbischof zu verantworten haben. Missgunst, Neid und Eifersucht auf Michel Aupetit schienen dabei eine überdimensionale Rolle bei jenen Pseudochristen zu spielen. Hinzu kamen (scheinbar) unüberwindbare Gegensätze in der Auffassung des Erzbischofs zu ethischen, humanen, religiösen Fragen und den diesbezüglichen Auffassungen der genannten Kreise.
Heuchelei? Papst Franziskus wiederholte diesen Grund für Michel Aupetits „Opferung“ in seinem Gespräch mit ihm. Die er jedoch hätte verhindern können. Und – Heuchler sind es gar zahlreiche. In Frankreichs Elite-Kirche (und vielen anderen) wie auch im Vatikan.
„Unsere Religion ist eine Religion der Freundschaft“
In meinem letzten Artikel vom 5.Februar („Verrücktsein bedeutet, seine Intelligenz in den Dienst der Liebe zu stellen. Der emeritierte Erzbischof von Paris Michel Aupetit im Dienst an den Ärmsten“) stellte ich bereits den Beginn der neuen Mission Aupetits vor. In dem Video vom 10.Februar berichtet er ausführlicher und nennt sein anstehendes konkretes Vorhaben.
Die Video-Aufnahme
KTO konzentrierte das Video auf „Drei Fragen an Mrg Aupetit.“
Das Treffen mit dem Papst interessierte hierbei zuallererst.So lautete die erste Frage denn auch: „Was halten Sie nach dem Treffen mit Papst Franziskus fest?
Bevor Michel Aupetit die Frage beantwortete, musste er noch etwas „loswerden“: seine Dankbarkeit den herzlichen Römern gegenüber, wo er mittlerweile bei vielen bekannt und, dessen bin ich mir sicher, sehr beliebt ist.
„Zunächst einmal: ich wurde sehr, sehr warmherzig in Rom empfangen. Von allen Römern. Und ganz besonders vom Taxi-Chauffeur, der mir sagte: ‚Monsignore, ich bete jeden Tag für Sie.‘
Der Papst“, ging Mgr Aupetit dann auf die Frage ein, „wiederholte seine Nähe und sein Vertrauen zu mir und sagte mir: ‚Ich bestand darauf, dass Sie Mitglied der Bischofskongregation bleiben.‘ Dann sagte er mir das, was er bereits schon einmal äußerte, nämlich, dass ich ein Opfer der Heuchelei war. Dem ich hinzufügte, dass es auch noch die drei Verhaltenseigenschaften bei der Passion unseres Herrn Jesus Christus gab: die Eifersucht, der Verrat und die Feigheit. Dann sprachen wir über viele Dinge. Lachend sagte ich ihm: ‚Sie wissen, die Kirche in Frankreich wird ein wenig von den Medien regiert.‘ (Dem ich persönlich hinzufüge, dass es in deutschen Landen kein bisschen anders läuft). Er lächelte und meinte: ‚Ah, die Presse…!‘
Anschließend sprachen wir über Dinge, über die wir komplett einig sind, so über den Platz der Frauen in der Kirche und über die Fürsorge für die Armen. Was die Frauen in der Kirche betrifft, so erzählte ich ihm, dass ich Frauen in den Rat des Priesterseminars holte. Worauf er antwortete: ‚Das ist gut, denn ich stellte fest, dass die beste Urteilsfähigkeit bei den Seminaristen von den Frauen kommt.‘ Ich berichtete ihm weiter, dass ich auch bei den Ernennungen Frauen hinzuholte sowie in den Rat der Bischöfe. Er sagte mir dann: ‚Es ist wahr, ohne Frauen kann man nicht regieren.‘
Welche Erkenntnis, erlaube ich mir, in Aupetits Interview einzuwerfen. Die Frage bleibt für viele engagierte Frauen in der Kirche, welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Aber auch für die Priester…
Die zweite Frage ging Michel Aupetit sehr persönlich an: „Was ist Ihre heutige Berufung?“
„Meine grundlegende Berufung ist wie immer schon diese: Christus nachzufolgen. Seit jeher folge ich Christus nach. Als ich Jugendkaplan war, als ich (Gemeinde-)Pfarrer oder Generalvikar war. Wichtig ist die Mission und die Ausführung. Ich wiederholte dem Papst gegenüber auch (mit Blick auf seine ureigene Situation): ‚Sie wissen, dass man nicht Eigentümer seines Auftrages ist. Wichtig ist es, Christus nachzufolgen.‘
Heute fühle ich mich zu einer anderen Aufgabe berufen. Ich erhielt den Ruf, mich der Fürsorge der Armen zu widmen. Es sind so viele Dinge, die sich heute ereignen. Man hat den Eindruck, dass es schwerwiegende Probleme in der Kirche gibt. In Wirklichkeit aber ist sie voll junger Christen, die sich herausragenden Engagements widmen. Z.B. sah ich vergangene Woche (das Projekt) Misericordia. Das sind junge Leute, die in den Innenstädten leben, um sich dort um die Menschen zu kümmern.
Dort erfuhr ich eine besondere Seite des Evangeliums (er erfuhr einen besonderen Ruf) – ich werde für einige Monate ins „Village de François“, in das „Dorf des Franziskus“ gehen, um vor Ort vom Leben Verwundete zu begleiten, die dort, im Dienst einer ganzheitlichen Ökologie, aufgenommen werden, aber auch um diese Personen (in die menschliche Gemeinschaft) zu integrieren (siehe Anm.). Seit langem schon widme ich mich behinderten Menschen, Personen in Notsituationen, Obdachlosen. Ich hatte auf sie immer schon Acht. Bereits als Arzt hatte ich die Gelegenheit, sie zu begleiten; das ist etwas, was für mich zählt.
Alle diese Initiativen scheinen mir sehr wichtig; es ist das, wozu der Herr uns ruft. Ich höre jetzt noch mehr auf das, was der Herr mir sagt. Aber wichtig ist die Frage: Ist es wirklich das, durch das wir ihm folgen? Unser Auftrag ist immer, Christus nachzufolgen. Übrigens ist das der Auftrag an alle Getauften.“
Und last not least ging es bei Frage drei um das Volk von Paris. So wollte man bei KTO wissen, welches die Botschaft des Ex-Erzbischofs an die Pariser und die Pariserinnen sei.
„Zuallererst“, meinte dieser lächelnd, „möchte ich ihnen allen danken, denn ich habe so viel Bekundung von Sympathie und Zuneigung erhalten, wahnsinnig viel. Vor drei Tagen sagte man mir bei Radio Notre Dame, dass sie mehr als 1.000 Mails erhielten. Ich erhielt ein Haufen toller Briefe. Diesem Volk Gottes, das ich liebe und das mich liebt, möchte ich danke sagen.
Ich denke, dass unsere Religion eine Religion der Freundschaft ist. Natürlich auch der Brüderlichkeit, denn wir haben denselben Vater. Aber die Brüderlichkeit von Kain und Abel und von Josephs Brüdern (Gen., Kap.37-50), ist nicht immer einfach. Die Freundschaft ist auf Christus gegründet, der zu uns sagte: ‚Ich nenne euch meine Freunde‘ (Joh.15, 14-15). Deshalb ist unsere Religion eine Religion der Freundschaft. Ich denke, dass wir versuchen müssen, das umzusetzen.
Das erlaubt uns, etwas aus dem Klerikalismus herauszukommen, der auch in Paris existiert sowie auch anderswo. Im gesamten ist es eine großartige Diözese, die tolle Mitglieder hat, wunderbare Leute. Es gibt gewisse klerikale Unbeweglichkeiten, wie der Papst sagt. Aber ich denke, dass diese Unbeweglichkeiten überwunden werden. Man muss den Leuten zugestehen, dass sie sich entwickeln und peu-à-peu den Atem des Heiligen Geistes wehen lassen. In jedem Fall habe ich viel Hoffnung für die Diözese Paris, die heute ohne Hirte ist, die aber wieder eine Dynamik finden wird, wie sie es immer hatte.“
Die Liebe der Gläubigen
Papst Franziskus hätte, unabhängig von seiner eigenen Unterstützung Michel Aupetits, das gläubige Volk fragen sollen, das einfache und sich in der Mehrheit befindende Volk der Getauften, bevor er dem angebotenen Amtsverzicht von Mgr Aupetit stattgab. Um ihn auf dem „Altar der Heuchelei“ bestimmter Elite-„Christen“ und deren Mediendiktatur „zu opfern.“ Sicherlich wäre dann alles anders ausgegangen und die Katholiken von Paris hätten ihren Hirten noch.
Dem sie ihre ganze Liebe entgegenbringen.
Eine Liebe, die alle unguten oder gar üblen Vermutungen Lügen straft. Vermutungen, von denen auch katholische Medien in deutschsprachigen Ländern nicht frei waren. Ich denke an ein Internet-Journal, deren Verantwortliche schon nach den ersten Ratsch-Gerüchten Michel Aupetit, den sie bis dahin sehr schätzten, voller Vorurteile in ach so „christlicher Manier“ gegenüberstanden und ihn fallen ließen wie einen alten schmutzigen Lappen. Heuchelei nennt das der Papst in Rom.
Aber das Volk Gottes, „das ich liebe und das mich liebt“ lässt sich nicht von den Heuchlern kirremachen – es hat längst seinen Bischof der Herzen auserkoren und hält ihm die Treue.
Link Video mit Michel Aupetit
Anm.:
Das „Village de François“ (Dorf des Franziskus) wurde nach Papst Franziskus benannt und ist von ihm, von seiner Vorstellung einer „armen Kirche“ inspiriert. Es befindet sich in der ehemaligen Zisterzienser-Abtei „Sainte-Marie du désert“ (Sankt Marien in der Wüste) in der Nähe von Toulouse. Dort werden Personen aufgenommen, die sich in einer Situation von Gebrechlichkeit befinden, d.h. Menschen, die das Leben verwundet hat. Diesen soll eine Chance gegeben oder eine humane Möglichkeit gegeben werden. Es sind Menschen, die auf der Straße leben/lebten, behinderte Menschen, Personen, die aus der Prostitution herausfinden möchten, um mit Familien eine Art brüderlicher Gemeinschaft zu leben und sich in den Dienst einer ganzheitlichen Ökologie zu stellen. Aber auch alte Menschen, die ansonsten im Seniorenheim leben müssten, werden in den Beginenhöfen aufgenommen. Weitere François-Dörfer sind geplant. Michel Aupetit ist besonders auch die Übertragung auf andere Orte von Bedeutung.
Links zu Village de François:
(auch in deutscher Übersetzung)
Link zur Frauengemeinschaft der Beginen:
Beginenkultur – Dachverband der Beginen e.V. (dachverband-der-beginen.de)
https://www.paris.catholique.fr/-homelies-5403-.html?debut5403=10#pagination5403
Folge 2
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