Gedenken an das zehnte und elfte Opfer von Hanau
Von Mihail Borisov
Am Abend des 19. Februar 2020 kamen in Hanau elf Personen gewaltsam ums Leben. Unter dem Motto #saytheirnames hängen in einigen deutschen Städten schon seit Mitte Januar (also über einen Monat vor dem Jahrestag) Bilder der Getöteten mit Namen.
Geht es beim „Gedenken an Hanau“ wirklich um das Gedenken der Opfer? Warum werden auf den Plakate nur neun der elf Opfer abgebildet und benannt? Was ist mit den beiden anderen Opfern? Sind sie des Gedenkens nicht wert? Wer sind diese beiden Opfer? Tobias R. tötete nicht nur Besucher einer Shisha-Bar und eines angrenzenden Lokals – vorwiegend Türken – sondern anschließend auch seine pflegebedürftige Mutter und schließlich sich selbst.
Ein psychiatrisches Gutachten für die Bundesanwaltschaft kam zunächst zum Schluss: Der Mörder sei psychisch krank gewesen, fühlte sich von Geheimdiensten und “der mächtigsten Organisation der Welt” verfolgt. Daraufhin erhob sich ein Proteststurm, und das BKA besserte nach: Der Mörder habe aus vorwiegend rassistischen Motive gehandelt. Seitdem firmiert die Tat unter „Der Anschlag von Hanau“, und wird von der linken Szene für den „Kampf gegen Rassismus“ stark herausgestellt.
Die Tat eignet sich gerade darum zur Instrumentalisierung, weil der tote Täter uns zum Motiv nichts mehr sagen kann. Da Tobias R. eindeutig als Täter ermittelt wurde, wird die Tat nicht juristisch aufgearbeitet. Gegen Tote erhebt die Staatsanwaltschaft nämlich keine Anklage, und es wird auch nicht weiter ermittelt, ob es ein Amoklauf, eine Tat im Wahn, oder ein Anschlag war. Die sonst bei Tötungsdelikten übliche Aufklärung mit Zeugenbefragungen unterbleibt, es findet kein öffentlicher Prozess statt. Die Motive werden nicht weiter ermittelt.
Der Mord an der eigenen Mutter ist besonders tragisch, ebenso der Selbstmord – beides geschah sicher nicht aus Rassismus. Bei den neun Ausländern mag dies der Fall sein sein, vielleicht waren die Tatorte – eine Shisha-Bar und angrenzendes „Café“ – Zufall, vielleicht waren sie auch Teil des Verfolgungswahns. Vielleicht war das Motiv Rassismus, vielleicht gab es auch andere Gründe – die Sachlage bleibt unklar. Die Wahrheit ist: Wir kennen das Motiv nicht.
Geht es bei der Plakat-Aktion wirklich darum, der Opfer zu gedenken? Nein: Denn es wird nicht aller Toten des Anschlags gedacht. Die Plakate unterschlagen die beiden Toten, die nicht in das Schema „Rassismus“ passen. Die Plakataktion an sich ist dadurch selbst pikanterweise rassistisch. Opfer des Gedenkens, die den Machern der Aktion nicht zweckdienlich sind, sind anscheindend nichts wert – ihre Namen werden nicht genannt. Die halbe Wahrheit ist jedoch auch immer eine ganze Lüge.
Die Fotos des zehnten Opfers findet man im Internet nicht, das Foto des elften Opfers eher selten. Nennen wir daher hier wenigstens ihre Namen „#saytheirnames“: Gabriele Rathjen und Tobias Rathjen.