Anne Spiegel – gescheitert an ideologischer Verblendung und Egomanie
Nach dem Rücktritt von Familienministerin Spiegel (am 11.4.22) hält die Debatte über die Vereinbarkeit von Politik und Familie an – eine Debatte, die mir gerade beim „Fall“ Anne Spiegel nicht angebracht zu sein scheint, da eine solche Debatte so gar nicht auf A. Spiegel zuträfe. In den meisten Kommentaren zum Rücktritt von Bundesministerin Anne Spiegel wird (gerne?) übersehen, wie diese Affäre begann. Deshalb hier eine kurze Rückblende:
Der unmittelbare Anlaß für das finale Stolpern der Grünen-Politikerin war der katastrophale Umgang mit Journalistenanfragen zu einem vierwöchigen Urlaub nach der Flutkatastrophe an der Ahr mit 134 Toten – und das Erkennen ihres wahren Charakters. Spiegel täuschte und log – und setzte mit einer völlig verkorksten Pressekonferenz noch einen drauf. Tatsächlich ist der Rücktritt Ergebnis einer längeren Entwicklung einer Politikerin, die mit ihrer Aufgabe bereits in Rheinland-Pfalz überfordert war – und dennoch immer höher hinaus wollte. Sie drehte ihr Rad „immer schneller, immer höher, immer weiter“ – bis alles aufflog.
Heucheln und Meucheln
Selbst Journalisten, die schon seit Jahrzehnten im Geschäft sind, stutzten am Sonntagabend (10.4.). Was war das denn jetzt bitteschön? Anne Spiegel trat um 21.05 Uhr, den Tränen nahe, vor die Kameras, schilderte ihr familiäres, durchaus tragisches Schicksal, entschuldigte sich und drehte sich am Ende hilfesuchend zur Seite, weil sie nach einem „krönenden“ Finale ihrer Homestory suchte, nach einem passenden „wording“ (Spiegel-Deutsch). Aber sie trat nicht zurück.
Zuvor, das hatten Medien herausgefunden, hatte sich der Grünen-Bundesvorstand mit 6:0 für ihren Rücktritt ausgesprochen. Spiegel glaubte ernsthaft, mit ihrem Fernsehauftritt die Demission noch abwenden zu können. Sie setzte sich dem Vernehmen nach gegen ihre eigenen Berater durch – und machte alles noch schlimmer. Sie stolperte schließlich über ihren Versuch, sich im Amt zu halten.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte der von der CDU einberufene Untersuchungsausschuß des Landtags in Rheinland-Pfalz. Denn durch die Nachforschungen der Opposition kam heraus, wie wenig Verantwortung Spiegel am 14. und 15. Juli übernommen hatte. Sie und ihr Mentor, der Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun, kämpften wie die Löwen, nachdem Medien diverse Chatprotokolle veröffentlich hatten. So kam heraus, daß Spiegel am Morgen nach der Katastrophe sich vor allem um ihr eigenes Image gekümmert hatte.
Dieser Makel blieb, auch die Vorwürfe der Untätigkeit. Als am 14. Juli an der Ahr die Menschen bereits um ihr Leben kämpften, gingen Spiegel und Braun in Mainz essen. Ein Bericht der Bild-Zeitung, Spiegel sei zehn Tage nach der Flutkatastrophe für vier Wochen in den Urlaub nach Frankreich gefahren, setzte die Ministerin am Wochenende zusätzlich unter Druck. Letztlich verstrickte sie sich in ein Netz aus Lügen und Täuschungsversuchen. Etwa was ihre angebliche Teilnahme an Kabinettssitzung aus dem Urlaub betraf. Glatt gelogen! „Ein Irrtum bei der Kalendernachschau“, sagte sie – als ob man als geistig wacher Mensch vergessen könnte, in seiner Urlaubszeit an einer Kabinettssitzung teilgenommen zu haben oder nicht.
Und es existiert noch die Geschichte hinter der Geschichte. Als Spiegel im Mai 2016 Integrationsministerin in Rheinland-Pfalz wurde, blieb selbst im eigenen grünen Lager mancher skeptisch. Ob „die Anne“ das schaffen würde? Sie schaffte es einigermaßen. Spiegel war damals für linke Grüne durchaus einer Art Ikone. Sie setzte sich aber in die Nesseln, als sie rechtmäßige Abschiebungen verhinderte und dafür vom obersten Richter des Landes einen öffentlichen Rüffel erhielt. Sie versuchte eine Parteifreundin hausintern durchzuboxen und fiel damit auf die Nase. Ihre private Situation – der Mann hatte (vor drei Jahren!) einen Schlaganfall erlitten, was Spiegel jetzt selbst öffentlich machte – war politischen Insidern in Mainz durchaus bekannt. Daß sie nach Morddrohungen permanent zwei bis drei Personenschützer um sich herumhatte, auch.
Die Schilderungen vom Sonntagabend, die familiär schwierige Situation der Mutter von vier Kindern, machten auch viele ihrer Kritiker betroffen. Doch blieb die Frage, warum sie in dieser Situation erst Spitzenkandidatin ihrer Partei zur Landtagswahl 2020/21 wurde, dann im vergangenen Jahr noch das Umweltministerium mit übernahm (nach dem Rücktritt der Kollegin Höfken in der Beförderungsaffäre), um dann trotz der privaten Schwierigkeiten als Bundesfamilienministerin nach Berlin zu gehen. CDU-Oppositionsführer Christian Baldauf sagte dazu:
„Ich habe großes Verständnis und Mitgefühl für die familiäre Situation von Anne Spiegel. Jeder gerät in Lebenssituationen, die überfordern können. Politiker stehen jedoch in besonderer, öffentlicher Verantwortung. Wenn sie ihrem Amt aufgrund persönlicher Gründe nicht gewachsen sind, sollten sie dies erklären und rechtzeitig eine Auszeit nehmen.“
Der Fall Anne Spiegel, er bleibt tragisch wie vorsehbar, wenn man die Hintergründe kennt. Und die Grünen sollten sich mal fragen, warum sie den Zug nicht vorzeitig aufgehalten haben – auch, um ihre eigene Frontfrau zu schützen. (Quelle u.a.: Von einer, die hoch hinaus wollte – und tief stürzte — Blog der CDU Rheinland-Pfalz (cdu-rlp.de)
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Nach ihrem Rücktritt ein erneuter Schlag: Es kam ein sms-Schriftverkehr vom Beginn der Flutkatastrophe im Ahrtal zum Vorschein, der Frau Spiegels „Betroffenheit“ in einem düsteren Licht erscheinen ließ. In diesen Kurznachrichten wurde deutlich, daß es der Bundesministerin Spiegel (damals noch Landesministerin in Rheinland-Pfalz) um zwei Dinge ging:
- Ihr öffentliches Image („das Blame Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, daß wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe, was ohne unsere Präventionsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen alles noch schlimmer geworden wäre etc.“)
- Das Gendern der Ausdrücke in den Mitteilungen ihres Landesministeriums zur Katastrophe („Konnte nur kurz drauf schauen, bitte noch gendern CampingplatzbetreiberInnen, ansonsten Freigabe. Wir sollten die PM erst nach der jetzt begonnenen Debatte herausgeben. Danke.“)
Man faßt es nicht! Angesichts der entsetzlichen Flut und der vielen Menschenleben, die sie gekostet hat, galt die Hauptsorge der Ministerin ihrem (gefährdeten) Image und dem Gendern der Texte ihres Ministeriums! (Der Begriff „Campingplatzbetreiber“ sei noch zu gendern! Das war ihre größte Sorge in und nach der Flutkatastrophe!)
Das ist das Verhalten von Personen, die der Auffassung sind, sie müßten eine Ideologie durchsetzen. Anne Spiegel sah sich als Missionarin grüner Identitätspolitik. Realität und die Alltagsprobleme drangen nicht in ihre Weltanschauung ein. In den wenigen Monaten als Bundesfamilienministerin hat sich Anne Spiegel fast komplett auf Gender und Feminismus konzentriert. Medienwirksamste Maßnahme Spiegels war denn auch die Ernennung eines Queer-Beauftragten (mit generösem Budget).
Die Grünen ernannten Anne Spiegel gerade aus diesem Grund zur Bundesfamilienministerin.
Sie wollten jemand aus dem linken Flügel haben, der für das ideologische Profil der Partei sorgt. Sie sollte in der Tat Ideologie-Ministerin sein.
Genau daran ist sie gescheitert. Niemand hat wohl gemerkt, daß für sie das schnöde Alltagsgeschäft zweitrangig, wenn nicht gar völlig unbedeutend war.
Was zählt schon das Leid der über 134 ums Leben gekommenen Flutopfer sowie der vielen Verletzten und um ihr ganzes Hab und Gut Gekommenen gegen das der Familie-gestreßten Spiegel/Grünen? Mit der Anweisung für das richtige “wording” an ihre Pressestelle hatte Frau Spiegel ja gezeigt, daß sie in der Öffentlichkeit gut dastehen will.
Und trotz aller Widrigkeiten macht sie dann kaltschnäuzig vier Wochen Urlaub. Wie abgebrüht, wie empathielos muß jemand sein, der so kalt vorgehen kann! Jedenfalls hat sie dadurch wohl alle Sympathien, jede Glaubwürdigkeit und letztlich ihren Job verloren. Ihre Krokodilstränen und ihre Show vor der Kamera habe ich ihr deshalb in keiner Minute abgekauft. Das war von A bis Z inszeniert – wie in einem billigen Rührstück. Man muß sich instinktiv fragen, was bei Frau Spiegel stärker ausgeprägt ist:
Die Sehnsucht nach einem ausgedehnten Familienurlaub, die Kaltschnäuzigkeit oder die Borniertheit dieser Frau.
Doch „unser“(?) politisches System ist gnädig: Ihr Ausscheiden aus dem Amt wird ihr erleichtert – so, als ob eine Belohnung fällig gewesen wäre: Sie geht mit 75.000 € nachhause – „nur“ 75.000 € Schmerzensgeld (äh „Übergangsbeihilfe“)! Ach Jottchen, wie hartherzig die Politik doch sein kann!
Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot
Zum Schluß dieser skandalösen und unappetitlichen Geschichte fragt man erstaunt: Hatte die Spiegel keine Berater(innen – so viel Gendern muß ja sein), keine Weggefährten, keine Freunde? Und statt einer Antwort erhält man einen tiefen Einblick in das „Innenleben“ der Politik. In der Politik gibt es viele Freunde, aber keine „echten“ – schon gar nicht die sog. „Parteifreunde“. Man kennt die Steigerungsform: Gegner – Feind – Parteifreund…
Am Schlimmsten ist die buckelnde Entourage, die sich praktisch immer im Dunstkreis eines führenden Politikers findet. Selbstredend – es sind alles „Freunde“. Sie gehen den oft schweren politischen Lebensweg mit, aber nicht aus Treue, sondern weil sie im Wartestand verharren: Entweder „der Chef“ wird was – und dann zieht man mit ihm, oder er strauchelt, dann könnte man ihn vielleicht beerben.
Schlimmer noch: Viele „Freunde“ verbergen das Messer in ihrer Brusttasche und stoßen gnadenlos zu, wenn sich der „Patron“ eine Blöße gibt. (Dieses Thema könnte ich noch viel weiter – auch aus gehabter eigener Erfahrung – ausbreiten. Ich will es aber hiermit bewendet sein lassen.)
Frau Spiegel hat – überzeugt von ihrer eigenen Bedeutung – ganz gewiß die nötige Vorsicht außer Acht gelassen und ist an sich selbst gestrauchelt. Zudem hat sie vergessen, daß diese Fallstricke gerade bei den GRÜNEN zum politischen Alltagswerkzeug gehören.
www.conservo.blog 19.04.2022