Am 8. Mai endete ein schrecklicher Krieg

Käthe Kollwitz (1867–1945): „Frau mit totem Kind“, 1903, Strichätzung, Kaltnadel, Schmirgel und Vernis mou mit Durchdruck von Büttenpapier und Ziegler’schem Umdruckpapier, mit goldfarbenem, gespritztem Tonstein. Das dargestellte Kind ist der jüngste Sohn Peter Kollwitz (1896–1914) im Alter von 7 Jahren. Käthe Kollwitz , Public domain, via Wikimedia Commons
  • Vor 77 Jahren war dies der Zweite Weltkrieg
  • Jetzt könnte und müsste es der Ukrainekrieg sein!
  • Wenn sich Waffen gegen einstige Besitzer richten…

Von Albrecht Künstle

Käthe Kollwitz (1867–1945): „Frau mit totem Kind“, 1903, Strichätzung, Kaltnadel, Schmirgel und Vernis mou mit Durchdruck von Büttenpapier und Ziegler’schem Umdruckpapier, mit goldfarbenem, gespritztem Tonstein. Das dargestellte Kind ist der jüngste Sohn Peter Kollwitz (1896–1914) im Alter von 7 Jahren.
Käthe Kollwitz , Public domain, via Wikimedia Commons
 

So könnte der Ukrainekrieges beendet sein: In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai erklärt Putin die Kapitulation und stellt den Raketenbeschuss ein. Auch ordnet er den sofortigen Abzug seiner Truppenteile aus allen Gebieten der Ukraine westlich des Dnjepr an. Ebenso östlich dieses wichtigsten Wasserwegs – bis auf die selbsterklärten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Auf diese beiden Volksrepubliken verzichtet die Ukraine, um die riesigen Kosten des Wiederaufbaus der von ihr mitzerstörten Städte nicht tragen zu müssen. Den Waffenstillstand ermöglichen hochrangige Ex-Diplomaten und Generäle der alten Schule. Die jungen Polit-Akteurinnen und Akteure scheitern damit, weil sie nicht wissen, wie ein „moderner“ Krieg enden könnte.

Diese Vorstellung vom Ende des Ukraine-Krieges beschreibe ich in Anlehnung an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945. Frieden ist möglich, zeigt uns das Geschehen vor 77 Jahren. Es war ein einseitiger Friede über deutsche Köpfe hinweg, denn Hitler, Goebbels und die vielen „Adölfchen“ predigten den Krieg bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Atemzug. Heute herrscht bei uns die Vorstellung, den russischen Feind auf dem Schlachtfeld schlagen zu können. Die Gegebenheiten damals und heute unterscheiden sich jedoch gewaltig, im wahrsten Sinne des Wortes.

Damals hatte ein „Schlachtfeld“ die Größe der Reichweite von Haubitzen und Panzerkanonen. Allenfalls die von Bombern. Die V2 war in der Erprobung, aber noch nicht im Einsatz. Unter den Bomben gab es unzählige Blindgänger, unter den heutigen Raketen kaum noch „Nieten“. Heute verfügen die potenziellen Kriegsparteien über Interkontinental-Raketen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit. Doch selbst mit der Beschränkung auf Mittelstreckenraketen wäre das Schlachtfeld nicht mehr die Ukraine, sondern Westeuropa mit Deutschland als Zielscheibe. Die Waffenlieferungen laufen hauptsächlich über die NATO-Air-Base der USA im deutschen Ramstein – wo auch sonst? Dort sind Atomwaffen gelagert, nur 125 km Luftlinie von meinem Heimatort entfernt.

Das Kriegsende damals wurde ermöglicht, indem über die Köpfe des Hitler-Regimes hinweg Lösungen gesucht wurden. Bei den „Verhandlungen“ im Hauptquartier der alliierten Streitkräfte (SHAEF) Reims wurde am 7. Mai die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Streitkräfte vorbereitet, die Kapitulationsurkunde dem Abgesandten von Reichspräsident Dönitz, Generaloberst Jodl, vorgelegt und von diesem unterzeichnet. Basta.

Als Zeitpunkt für die Einstellung der Kampfhandlungen wurde der 8. Mai, 23:01 Uhr festgelegt. Doch deutsche Streitkräfte setzten ihre Kampfhandlungen gegen die Rote Armee fort. So siegestrunken wie Selenskyjs Soldaten inzwischen sind, würden diese wohl ebenfalls weiterkämpfen, Waffenstillstand hin, Friedensschluss her. Auch die letzten sieben Jahre scherten sie sich nicht um das Minsker Abkommen – was auch für russische Separatisten galt.

Bis jetzt gab es im Ukrainekrieg keinen Sieger, aber viele Verlierer. Und mit jedem Kriegstag werden es mehr. Es gibt inzwischen Appelle von Künstlern – und Künstle – zur Beendigung des Krieges, jedenfalls zum Verzicht auf weitere Waffenlieferungen und Aufrüstung. Dem wird von Respektspersonen wie Hendryk Broder entgegengehalten, wir hätten den Ukrainern überhaupt nichts zu empfehlen, sie dürften als unabhängiges Land tun und lassen, was sie wollen. Nicht ganz falsch, aber sind wir – ebenfalls unabhängig? – nicht berechtigt zu sagen, wo unsere Grenzen sind? Dürfen wir den Ukrainern nicht sagen, sie sollen ihre Waffen selbst produzieren, anstatt zwei Drittel aller Beschäftigten Dienstleistungen erbringen zu lassen, auch für die Maidan-Geister in Kiew.

Wir Deutsche tun Vieles für alle in der Welt. Aber wir sollten uns davor hüten, alles für ein Land zu tun, das nicht der Nabel der Welt ist. Und wir nicht der Bizeps dieser Welt. Denn es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Land zum Auslöser eines Weltkrieges wurde, dessen Machthabern keine Schranken gesetzt wurden. Nicht an Selenskyjs Worten sollten wir das geschundene Land messen, sondern am Tun seines Präsidenten. Während Berlin Kohle, Öl und demnächst den Bezug auch von Gas beenden will, kassiert Kiew weiterhin Durchleitungsgebühren und bezieht anscheinend ohne Skrupel russische Energie.

Was bedeutete das Kriegsende 1945 mit dem Friedensschluss? „Seit 1985 wurde in der Bundesrepublik verstärkt darüber diskutiert, wofür der 8. Mai 1945 steht: für die totale militärische Niederlage Deutschlands oder für seine Befreiung vom Nationalsozialismus. Während in der Nachkriegszeit der Aspekt der Niederlage im Vordergrund stand, hat der Aspekt der Befreiung zunehmend an Gewicht gewonnen. Historisch haben die Alliierten allerdings nicht gegen das Deutsche Reich Krieg geführt, um es zu befreien, sondern um es militärisch zu besiegen. Befreit im Wortsinn durch alliierte Truppen wurden Hunderttausende aus politischen, rassischen, religiösen u. a. Gründen Gefangene in den Zuchthäusern, Konzentrations- und Vernichtungslagern …“ (Wikipedia)

Wir sollten uns aktuell darauf beschränken, der Ukraine (und seiner russischen Bevölkerung) den physischen Frieden zurückzubringen. Maximalziele wie die „Verteidigung der Werte der NATO-Länder“ in und durch die Ukraine sind die gleichen Phrasen wie die Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch. Nur lebenden Menschen nützen „Freiheit und Demokratie“ etwas, Tote haben nichts davon. Genauso illusorisch ist es zu glauben, im Fall eines Sieges über Russland könnten wir diesem – mit oder ohne Putin – unser multikulturelles Weltbild mit unserem Glauben an X Geschlechter und der Offenheit für alle Völker der Welt überstülpen. Oder Moskau glauben zu machen, dass nur Parlamente in der Größe des Deutschen Bundestages demokratisch seien. Und wir sollten wie im normalen Leben akzeptieren, dass wir vor einem großen Hund mehr Respekt haben sollten als vor einem kleinen Kläffer. Auch empfiehlt es sich zu bedenken, dass ein großer in die Enge getriebener Hund zur Bestie werden kann, wenn er es mit Wölfen zu tun bekommt.

Übrigens, gegen wen sich unsere Waffen richten, haben wir nicht in der Hand. In der Ukraine sind ehemalige Waffen der NVA der DDR, Teil des vor 30 Jahren zerfallenen Warschauer Pakts, im Einsatz gegen seinen größten Nachfolger, gegen Russland! Wer garantiert uns denn, dass sich an die Ukraine überlassene und angekündigten Waffen in z.B. zehn Jahren nicht gegen uns Lieferanten oder z.B. Polen richten werden? Oft kommt es anders als gedacht, lehrt uns die Geschichte zuhauf. NATO-Mitglieder entwickelten sich zum Gegenteil von Verteidigern, was man beispielsweise an der Türkei sieht. Es bedroht Griechenland und überfällt regelmäßig südliche Nachbarn, aktuell wieder im Schatten des Ukrainekrieges.

Jetzt müssen die Waffen schweigen – nicht noch mehr werden. Dann das Minsker Abkommen (II) in Erinnerung rufen, aktualisieren und umsetzen! Insbesondere durch Frankreich, Deutschland, Russland – ohne die USA! Nur so können sich die beiden heute gegnerischen Völker demokratisch entwickeln – wie wir Deutsche es nach einem noch verheerenderen Krieg getan haben. Der uns diktierte Waffenstillstand ermöglichte nach dem Krieg unseren relativen Wohlstand und eine Demokratie. Das, obwohl wir noch keinen Friedensvertrag und die Siegermächte immer noch Vetorechte haben. Der Ukraine wäre mit einem neutralen Status mehr geholfen, als ein weiterer Wolf im Rudel zu werden. Letztlich bestimmt die Leitwölfin das Schicksal des Rudels. In der NATO ist es ein großes Land mit einem betagten und bisweilen verwirrten Präsidenten, der den Ton angibt und bestimmt, welcher Gang eingelegt wird – und sei es der Untergang.

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