- Herdenbetrieb kann tödlich sein, wie die Lemminge zeigen
- Beitritte wären aber eine Chance, die Türkei loszuwerden
Von Albrecht Künstle
Die US-Strategie, die Ukraine als 31. NATO-Mitglied gegen Russland in Stellung zu bringen, dürfte sich so schnell nicht erfüllen. Dafür fallen den Militärstrategen der NATO nun zwei andere Länder fast in den Schoß – Finnland und Schweden. Beide Völker lebten mit ihrer Neutralität zwischen Europas Blöcken recht gut, bekamen aber durch den Angriff russischer Streitkräfte auf die Ukraine kalte Füße. Oder war er vielleicht der willkommene Auslöser zur länger erwogenen letzten Nordosterweiterung der NATO? Die Ostfront zu Russland erhöht sich dadurch um die Hälfte der bisherigen Länge und bindet so die Streitkräfte Russlands entsprechend. Das schon jetzt kaum in der Lage ist, seinen verwerflichen Angriff auf die Ukraine erfolgreich zu führen.
Bei den Finnen mag der Beitritt nachvollziehbar sein, da sie eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland haben. Diese bot im Spannungsfeld mit Russland und auch Deutschland eine recht wechselvolle Geschichte. Von 1941 bis 1944 beteiligte sich Finnland an der Seite Hitler-Deutschlands am Krieg gegen die Sowjetunion, der den Russen immer noch in den Knochen steckt. Doch der Separatfrieden mit Russland vom 19.11.1944 nützte Finnland Jahrzehnte, das erst mit dem Zerfall der Sowjetunion in eine schwere Wirtschaftskrise stürzte.
Finnland ist ein „gefundenes Fressen“ für die übermächtige USA. Im Kriegsfall können bis zu 520 000 Mann in kurzer Zeit unter Waffen gestellt werden. Es ist ein Musterknabe der USA, ein neuer Frontstaat im Kampf gegen Russland. Was aber wichtig für Deutschland ist und nicht übersehen werden sollte: Die Pipelines über Land befinden sich in Selenskyjs Hand. Und Nordstream 1 verläuft nur wenige Kilometer vor der Südküste durch den Finnischen Meerbusen in durchschnittlich nur 38 Meter Tiefe! Und wie vorteilhaft wäre es für die USA, wenn diese Lebensader für uns Deutsche „bei einem Schiffsunfall zerstört“ würde, um uns endgültig von russischem Gas abzukoppeln und um noch mehr US-eigenes Gas verkaufen zu können.
Warum sich aber Schwedens Mächtige von den USA kaufen lassen ist ein Rätsel. Es gibt keine gemeinsame Grenze mit Russland, dazwischen liegen mehr als 250 Kilometer Finnland. Die schwedische Armee kann mit keinen 15 000 Mann aufwarten und ist keine Bereicherung für die NATO. Schweden hat zwar viele Feinde – im Innern (Islamisten, Banden) – aber keinen einzigen jenseits der Grenze. 1981 strandete zwar ein russisches U-Boot vor der schwedischen Küste – die Navigationssysteme seien ausgefallen. Und im Zweiten Weltkrieg war Schweden zwar neutral, aber pflegte Beziehungen mit dem Dritten Reich und ließ es zu, dass mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten durch Schweden an die Kriegsfronten in Finnland und Norwegen transportiert wurden.
Das macht aber die heutigen Schweden nicht zu einem bedrohten Volk. Wenn die Russen uns Deutschen verziehen haben und uns wiedervereinigen ließen, werden sie heute wohl kaum die Schweden für die zwiespältige Rolle vor 80 Jahren bestrafen wollen. Jedenfalls würde der NATO-Beitritt diesem Land mehr schaden, weil seine Soldaten dann nicht mehr unter Blauhelmen geschützt in der Welt unterwegs wären, sondern unter Helmen die keinen UN-Schutz mehr bieten.
Jedoch böte deren Beitritt eine große Chance: Den Rausschmiss der Türkei aus der NATO! Dazu zitiere ich den Athener Auslandskorrespondenten Gerd Höhler vom 16. Mai, auch wenn er die türkische Mitgliedschaft vorsichtiger thematisiert (so etwas ist nicht ungefährlich):
„… Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan will sich seine Zustimmung (zum Beitritt) teuer abkaufen lassen. Die Türkei spricht von beiden Ländern als ‚Gästehäuser für Terrororganisationen‘. Damit meint Erdogan nicht nur die kurdische PKK. Ihn stört auch, dass in Skandinavien regierungskritische türkische Exil-Journalisten leben. Ihnen möchte er einen Maulkorb verpassen. Dass die Regierungen in Helsinki und Stockholm darauf eingehen, ist nicht zu erwarten.
Ein weiterer Adressat der Veto-Drohung sind die USA, mit denen Erdogan über die Lieferung von Kampfflugzeugen verhandelt. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Erdogan in der Nato querlegt. Mit der Beschaffung russischer Raketen, Militäroffensiven in Nordsyrien und einem aggressiven Auftreten gegenüber Griechenland strapaziert er seit Jahren die Geduld seiner Bündnispartner. Bevor er jetzt anderen Ländern Steine in den Weg legt, sollte er sich fragen, ob sein Land noch die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllt. In der Präambel des Nato-Vertrages steht etwas von Achtung der Demokratie, Freiheit der Person und Rechtsstaatlichkeit.“ (Zitat Ende)
Die NATO sollte Erdogan aber nicht erziehen wollen, sondern seine Türkei aus dem Bündnis entlassen wegen des permanenten Verstoßes gegen den NATO-Vertrag. Diese Türkei liegt auch nicht im Entferntesten am Nordatlantik. Sie wurde nur von den USA in die NATO geholt, als es noch keine Langstreckenraketen gab und die Thor- und Jupiter-Atomraketen gegen die Sowjetunion in der Türkei stationiert wurden – dem „unsinkbaren Raketenträger“. Was Russland veranlasste, seine Raketen den USA mit ihrer Stationierung auf Kuba vor die Nase zu setzen. Wir schrammten damals knapp am dritten Weltkrieg vorbei, weil beide Seiten ihre Raketen wieder aus der Türkei und Kuba abzogen. Gefahr vorbei?
Der heutige Herdentrieb, dass eigentlich undenkbare Länder in die NATO wollen, dürfte nicht weniger gefährlich sein als die Situation vor 60 Jahren war. Das Phänomen des Herdentriebs gibt es anscheinend nicht nur in der Tierwelt. Und ein solcher Trieb kann tödlich enden, wie man von den Lemmingen weiß. Auch in der menschlichen „Tierwelt“ gibt es Leithammel, denen man nicht blindlings folgen sollte. Das gilt nicht nur für die Führung der USA, in Ansätzen auch für die Ukraine und Deutschland.
In Kiew gibt Iryna Wereschtschuk den Ton an, die „Ministerin für Wiedereingliederungen“ abtrünniger Volksrepubliken und jetzt die rechte Hand Selenskyjs (oder umgekehrt?). Sie tut alles was Putin zur Weißglut treibt – was man aber auch in Deutschland gut beherrscht. So wurde dieser Dame in Frankfurt der „Friedenspreis für Starke Frauen” verliehen. Bemerkenswert auch, dass die Führer der zwei weiteren Beitrittsländern ebenfalls (sozialdemokratische) Frauen sind.
Solche „Leithammelinnen“ zeichnen sich auch in Deutschland ab: Wir werden den Beitritt dieser Länder als Erste ratifizieren, sagte Baerbock. Verteidigungsministerin Lambrecht mausert sich zur Kriegsministerin, und die Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschuss, zu einer Möchtegern-Generalin. Vielleicht bemerkten das die Wähler in NRW und straften die FDP wegen ihr ab? Wenn ja, wäre es eine Frage der Zeit, wann auch die GRÜNEN endlich ihr fragwürdiges Prädikat als Öko-/Friedenspartei und ihre Anhängerschaft verlieren.
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