Juliana Bauer
Vorwort der CONSERVO-Redaktion: Pfingsten ist doch vorbei! Warum dann jetzt noch ein Artikel zum Heiligen Geist? Wollt Ihr vielleicht eine Lücke füllen, weil Euch die Themen ausgehen? – Nein, weit gefehlt: Heute ist Pfingstmittwoch. Das Pfingstfest hat – wie alle großen Feste in der römisch-katholischen Kirche – eine Oktav; eine achttägige Nachfeier, in der das Motiv (der zentrale Festgedanke) vertieft wird und weiterklingt.
Die hier vorliegende Übersetzung der Auszüge* aus der Festpredigt des emeritierte Erzbischofs von Paris, Michel Aupetit, die wir in zwei Teilen bringen möchten, ist besonders gut geeignet, die Beschäftigung mit den zahlreichen Aspekten des Pfingstwunders fortzusetzen. Die Auszüge sind eingebettet in Erläuterungen unserer Gastautorin Juliana Bauer**, die nun das Wort hat:
Das Feuer als herausragende Eigenschaft des Hl. Geistes
Zu den schönsten Predigten des emeritierten Erzbischofs von Paris, Michel Aupetit, zählt die Pfingstpredigt aus dem Jahr 2020. Eine wortgewaltige, von Leben und Freude sprühende Predigt über den HEILIGEN GEIST – M. Aupetit hielt sie in völlig freier Ansprache. Er gliederte seine Homilie in zwei Teile.
In Teil 1 rückte er das Element FEUER als strahlende, als brillierende Eigenschaft des Gottesgeistes in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Dabei setzte er dessen lebenserhaltendes und ebenso lebenssprühendes Feuer dem zerstörerischen Feuer entgegen, dem die Kathedrale NOTRE DAME und, gerade in den vergangenen Jahren, schon viele andere Kirchen zum Opfer fielen.
Der ersten Lesung des Pfingsttages galten daher seine ersten Gedanken. Der Text aus der Apostelgeschichte (2,1-11) habe ihn etwas verwirrt, meinte Michel Aupetit schmunzelnd, denn „während wir um den Hl. Geist bitten: Komm in unser Herz und sende uns aus den Höhen des Himmels deinen Lichtstrahl, kommt er…“
Der Hl. Geist kommt jetzt und er kommt in Feuerzungen!
Mit dem Wörtchen „jetzt“ holte Aupetit das Kommen des Hl. Geistes aus der Geschichte heraus und setzte dieses in die Gegenwart. In unsere Gegenwart. „Mein Gott! Was geschieht uns?“ fragte er dann, mit einer Begeisterung, die wieder alle anzustecken vermochte. „Und ich höre von Feuer…, wieder von Feuer, von welchem Feuer?“ Er wiederholte das Wort einige Male, so, als wolle er das Feuer beschwören. „Wir hören … von Feuerzungen, die sich teilen und sich auf jedem in gleicher Weise niederlassen. Es ist eine Analogie … die wir hören, weil wir unfähig sind, den Hl. Geist zu beschreiben, den Geist Gottes, da müssen wir zu Analogien greifen.“ Michel Aupetit verglich die Bildsprache des Apostelberichts mit der von Jesus, der ebenso vom Reich Gottes in Bildern sprach.
Das ungebändigte Feuer – ein zerstörerisches Element
Dann unternahm der Erzbischof einen Streifzug durch die Geschichte des Elements Feuer. Zunächst galten seine Gedanken dessen zerstörerischen Eigenschaften. Er „sah“ das Feuer gleich den Feuerzungen über den Köpfen der Gläubigen – und das, wo er doch wisse, dass das Feuer zerstören könne „wir wissen, dass die erste Erfahrung des Menschen mit dem Feuer Zerstörung war.“ Er ging auf das Brennen der Wälder ein, auf das Brennen von Gebäuden, von Bauwerken. Er erinnerte an dieser Stelle an Notre Dame und daran, dass auch sie vom Feuer zu einem Großteil zerstört wurde … „Ja, das Feuer zerstört, wenn es nicht gezähmt, nicht gebändigt wird. Doch das Feuer, das zerstört, kommt nicht von Gott. Das Feuer, das von Gott kommt, vernichtet nicht. Denkt an den Berg Sinai, wo Moses Gott begegnet. Was sah er? Einen Busch, der brannte, der aber nicht zerstört wurde.“ Das vernichtende Feuer erklärte der Erzbischof auch in der Zurückweisung des Menschen von Gott, erklärte er in Verbindung mit den dämonischen, den satanischen Mächten, im Bild der Hölle, dem ewigen Feuer. Und in den zerstörerischen Mächten, von denen Menschen immer wieder beherrscht würden.
Das Feuer – lebenssprühendes Element des Gottesgeistes
Bei diesen Gedanken verharrte Michel Aupetit jedoch nicht, sondern schwenkte zu den positiven Eigenschaften um, welche der Mensch nach der Zähmung des gewaltigen Elements erkannte. Er ging nun der Ur-Erkenntnis des Menschen nach, der nach der Bändigung des Feuers die Erfahrung machte, dass es die Dunkelheit, dass es die Nacht erhellt. Dass es uns alle Dinge, die sich um uns herum befinden, wahrnehmen lasse, dass es unser Umfeld erleuchte.
Über den physischen Bereich hinaus erschloss Erzbischof Aupetit die geistige und die göttliche Dimension des Feuers. Er fragte nach unserer geistigen Dunkelheit, unserer Unfähigkeit, Gott und die von ihm erschaffenen Dinge zu erkennen. Und beantwortete die Frage mit Gottes Geist, der uns die Intelligenz schenke, die Schöpfung und alle Dinge Gottes zu erkennen, mit Gottes Geist, der unsere Intelligenz erleuchte. Der uns auch erkennen lasse, was Jesus sagte ‚… der Hl. Geist lässt euch alles verstehen (wird euch alles lehren), … was ich euch gesagt habe‘ (Joh. 14,26). Denn ohne den Hl. Geist würden wir nicht ein Wort von Jesu Botschaft verstehen, so Aupetit, würden wir sie nur nach menschlichem Maß und nur mit dem Verstand begreifen, mit dem wir jedoch an unsere Grenzen stoßen…
„Aber da, da ist die wunderbare Gnade: der HEILIGE GEIST ist ein Feuer, das uns erleuchtet.“
„Das ist aber nicht alles“. Der Erzbischof zählte eine weitere Eigenschaft des Ur-Elements auf. „Das ist nicht alles! Der Mensch zähmte das Feuer auch deshalb, weil er entdeckte, dass es wärmt … Im Winter merkt ihr es, wenn ihr Wärme braucht. In jedem Haus gibt es daher einen Kamin … das Feuer wärmt …
Und ein Feuer, das wärmt, das ist der Heilige Geist. Er erwärmt uns und macht unsere Herzen weit. Damit wir fähig sind, zu lieben, wie Gott liebt, wie Christus liebt.
Zu lieben nach Jesu großem Gebot, das er uns gab: ‚Liebet einander, wie ich euch geliebt habe‘ (Joh. 15,12). Das ist der Hl. Geist, der uns gegeben wurde, der jedem Apostel gegeben wurde und allen, die um die Jungfrau Maria versammelt waren. Gottes Geist, der uns erleuchtet und erwärmt, ist jedem bestimmt.“
In diesem Zusammenhang erzählte Michel Aupetit die Geschichte von Cornelius, dem Heiden, und seiner Familie, von denen in der Apostelgeschichte berichtet wird. Er erzählte davon, dass auf jeden von ihnen der Hl. Geist herabkam (Apg 10). An Cornelius‘ Beispiel zeigte der Bischof seinen Gläubigen noch einmal auf, dass der Hl. Geist jedem Menschen geschenkt sei und er unsere Herzen öffne für die Liebe Gottes.
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*Die Auszüge stammen aus der gesprochenen Predigt vom Pfingstsonntag 2020 (von der keine Schriftfassung vorliegt). Quelle: Homélie de Mgr Michel Aupetit, Diocèse Paris. KTOTV (Télévision Catholique), Messe du 31 mai 2020, à Saint-Germain l’Auxerrois.
** Dr. Juliana Bauer verfaßt ihre zeitkritischen und auch prosaischen Beiträge in Deutsch, Französisch sowie Italienisch und schreibt seit geraumer Zeit für conservo. Sie studierte in Freiburg/Br. und in Rom. Ihre Doktorarbeit schrieb sie in München über ein kunsthistorisch-bayerisches Thema, das auch die Darstellung bayerischer Volkstraditionen mit einschloss: “Über die Nymphenburger Porzellankunst um 1850.”
Über sich selbst sagt die Autorin: „Ich bin keine Theologin, sondern Kunst- und Kulturhistorikerin, aber eine, die mit der Bibel von Kindheit an vertraut ist und den Worten eines meiner Lehrer, eines ehemaligen Ordinarius des kunsthistorischen Instituts der Universität Freiburg/Br., Rechnung trägt: Ein Kunsthistoriker des Abendlandes muss bibelfest sein. Auch bin ich, in einem ökumenischen Haus aufgewachsen, mit der katholischen wie der evangelischen Kirche gleichermaßen vertraut.“
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