Was würde Karl Lauterbachs Rücktritt an dem ändern, was war und kommen wird?

Michael van Laack

Um den ersten Teil der Überschriftsfrage direkt zu beantworten: Nichts! Der Einfluss, den er bereits vor seiner offiziellen Ernennung zum Bundesgesundheitsminister als Schattenmann auf die Corona-Politik genommen hat, ist nicht revidierbar. “Was jetzt ist, wird nie mehr ungeschehen.” sang “Wolfsheim” bereits 2003 in “Kein Zurück!”.

Dennoch versprechen sich offensichtlich viele Bundesbürger einiges von Lauterbachs Rücktritt, sonst würde nicht – wie auch heute wieder geschehen – immer mal wieder das Hashtag #LauterbachRuecktrittSofort auf Twitter trenden.

Eine Serie von Fehlern wird Lauterbach zugerechnet

Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte der Pandemie (also die gefühlt letzten 20 Jahre, die real bisher gerade mal 27 Monate umfassen), sehen wir massives Versagen: Bei der Beschaffung der Masken und später des Impfstoffs, bei der Organisation der Impfzentren und -termine, bei der Kommunikation in der Frage der Zulassung diverser Wirkstoffe für verschiedene Altersgruppen, bei der Vergabe von Beschaffungsaufträgen, bei den oft nicht plausiblen Entscheidungen und vor allem der mangelnden Kommunikation in der Fragen von Lockdown und Schulschließungen, bei der schleppenden Zahlung von Nothilfen, in der Frage der Umgehung des Bundestags und der zum Letztentscheider aufgewerteten in der Verfassung nicht vorgesehenen Institution “Ministerpräsidentenkonferenz”… und, und, und……

All das aber ist Lauterbach nicht zuzurechnen. Nichts davon hat er beschlossen, nichts falsch entschieden, nichts umgesetzt. Er hat “beraten”. Oder richtiger: Manch einer hat sich von ihm beraten lassen und dann auf dieser Basis seine Entscheidungen getroffen. manch einer hat ihn in Talkshows eingeladen und viel TV-Zuschauer waren davon überzeugt, dass er den Durchblick hat. Aber darf man Lauterbach dafür verantwortlich machen, das Dritte auf ihn gehört und seine Ratschläge umgesetzt haben?

Nein, das haben die Entscheider ganz allein zu verantworten. Doch die stehen nicht mehr im Fokus des Interesses jener, die sich nicht impfen lassen wollen oder die Impfung gar für äußerst gefährlich halten. Spahn nicht, Merkel nicht, Altmaier nicht und interessanterweise auch Scholz nicht. Schon gar nicht die Grünen und die FDP, die – bevor sie in Regierungsverantwortung kamen – keineswegs durchgängig auf der Seite jener standen, die Aufhebung der Restriktionen und Freiwilligkeit bei der Impfung forderten.

Das ewige Feindbild

Vielleicht singt der ein oder andere dieser Entscheider – um noch einmal “Wolfsheim” zu zitieren – immer mal wieder im stillen Kämmerlein: “Ach und könnte ich doch, nur ein einziges Mal, die Uhren rückwärts drehen!” Wir wissen es nicht. Doch was geschehen ist, ist geschehen und hatte bis zur Ernennung von Karl Lauterbach zum Bundesgesundheitsminister nur indirekt mit ihm zu tun. Als Feindbild ist Lauterbach allerdings schon mindestens seit 18 Monaten etabliert. Auch ich habe auf „Philosophia Perennis“ nicht nur nettes über ihn und die Coronapolitik der Bundesregierung geschrieben, wovon ich allerdings auch nichts zurückzunehmen gedenke, weil es stets auf nachvollziehbaren Sachverhalten und Tatsachen beruhte.

Dieses immer ausgeprägtere Feindbild dürfte auch der Grund sein, warum in regelmäßigen Abständen sein Rücktritt gefordert wird. Alles, was so viele Bürger an Negativem während der Pandemie erfahren haben und auch jetzt noch als schweres Bündel auf dem Rücken tragen, laden sie ihm auf oder vor ihm ab. Den er ist der einzige Sündenbock, den es noch zu greifen lohnt aufgrund seiner immer wieder recht eigenwilligen Kommunikation.

Welche Vorteile brächte Lauterbachs Rücktritt den Bürgern?

Doch tun wir einfach mal so, morgen würde er beim Bundeskanzler den Rücktritt einreichen oder (was ich noch für viel unwahrscheinlicher halte, weil Scholz kein Interesse an einer Kabinettumbildung hat) der Kanzler beim Bundespräsidenten um Lauterbachs Entlassung ersuchen würde. Welche positiven Effekte hätte sein Rücktritt? Müssten sich jene, die es aktuell tun, keine Sorgen mehr machen, dass es zu einem Sommerlockdown kommt oder im Herbst die Maßnahmen verschärft werden? Würde Lauterbach – dann wieder auf den Status eines “Experten” degradiert – seine Panik-Tweets einstellen? Nein, denn das Grundproblem der Bundes- und Landespolitik im Umgang mit Corona blieb bestehen: Die Übervorsichtigkeit, die deutsche Angst. Die gleiche Furcht, die uns aktuell eher nur zögerlich das Energieembargo gegen Russland umsetzen lässt: die Furcht vor dem Kontrollverlust, dem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft.

Lasst uns Deutschland überdachen!

Es müsste nur jemand mit Expertise (oder von dem Politik zumindest glaubt, sie sei bei ihr/ihm vorhanden) rufen: “Achtung, der Himmel könnte uns mit einer ,0,0000002 % Wahrscheinlichkeit auf den Kopf fallen!“ Und schon würde das Bundesbauministerium beauftragt, Deutschland überdachen zu lassen.

Ja, es mag sein, dass Lauterbach auf seinem Posten überfordert ist oder komplett falsch. Aber das ist auch bei Frau Lambrecht so, bei Frau Faeser, bei unserer neuen Familienministerin und (wenn wir uns ehrlich machen) sogar beim Bundeskanzler. Lauterbach auszuwechseln würde möglicherweise das Ego des ein oder anderen befriedigen, der aktuell seinen Rücktritt fordert, aber an der Corona-Politik dieser Bundesregierung würde das nichts ändern. der SPD steht dieses Ministerium zu und alle anderen infrage kommenden Persönlichkeiten der Partei beurteilen die Coronalage kein bisschen anders als Lauterbach. Sie machen nur nicht so viel Lärm darum.

Ob Lauterbach zurücktritt oder in China ein Sack Reis umfällt…

Was mich betrifft, so sind mir lärmende Minister grundsätzlich lieber als solche, die schweigsam “Grausamkeiten” beschließen. Denn bei Ersteren weiß man wenigstens, woran man ist, und kann seinen Frust an ihrem Profil abbauen. Aber ich würde niemals Lauterbachs Rücktritt fordern, weil ich weiß: Das wäre fruchtlos! Zudem haben die Bürger sich auch redlich solche Gestalten und Parteien verdient, denn sie haben sie gewählt.

Dass die Minderheit, die solche Politiker und Parteien nicht wollte, nun darunter zu leiden hat, ist nicht schön, aber Lebenswirklichkeit! Kommt endlich mal darauf klar, ihr #LauterbachRuecktrittSofort-Tweeter. Es führt kein Weg zurück! Wir können nur noch zu verhindern suchen, dass jene Wege, die in Planung sind, in die falsche Richtung führen.

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