Michael van Laack
Gestern Abend schrieb ich auf Twitter und Facebook: “Das waren noch Zeiten. 46.000 Facebook-Likes für einen Papstartikel. Heute treten gefühlt jeden Tag so viele Leute aus der Kirche aus.” Nun sind seit meinem Artikel zur am 3. Oktober 2020 veröffentlichten Ezyklika “Fratelli tutti” bereits etwas mehr als zwanzig in vielerlei Hinsicht ereignisreiche Monate ins Land gezogen. Auch haben wir zu anderen Fragestellungen (z. B. dem deutschen “Synodalen Weg”) vom Heiligen Vater kritische und objektiv die Lehre der Kirche verteidigende Worte lesen und hören können.
Und: Papst Franziskus scheint zu fühlen, dass seine Lebensuhr auf dieser Welt langsam abläuft, obwohl natürlich niemand weder Zeit noch Stunde kennt. Bei vielen Päpsten haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass sie im letzten Drittel oder Viertel ihres Pontifikats den Willen zu beinahe revolutionär anmutenden Reformen verloren, teilweise gar konservativ bis traditionalistisch Anmutendes verlauten ließen.
Deshalb habe ich auch bei der unveränderten Neuauflage dieses Artikels die Überschrift geändert und die Aussage in eine Frage umgewandelt. Dennoch lohnt es sich aus meiner Sicht, das Thema nicht aus den Augen zu verlieren. Wie oben schon angedeutet: In manchen Passagen ist der Artikel schneller gealtert, als man erwarten durfte, doch bleiben die Kernproblematiken NWO und das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Islam brandaktuell.
Deshalb hier noch einmal mein Text vom 4. Oktober 2020, verfasst einen Tag nach der Enzyklika, deren Text die Grundlage meiner Überlegungen bildete:
Als traditionelle Sozial-Enzyklika über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft wurde „Fratelli tutti“ angekündigt. Herausgekommen ist eine lange Sozialutopie im marxistischen Gewand, die zahlreiche Themen anreißt, oft im Ungefähren bleibt und doch in vielen Kapiteln Sätze beinhaltet, die jedem Marxisten das Herz höher schlagen lassen dürften.
„Marxismus ist Christentum ohne den Glauben an Gott.“ Dieser irritierende Satz fiel 1985 in einem Gespräch, dass ich in Juiz de Fora bei Sao Paolo in Brasilien mit einem Mitbruder meines Großonkels führte, der seinerzeit dort dem Priesterseminar der Steyler Missionare als Regens vorstand. Dieser Pater wollte mir den Ansatz der Befreiungstheologe näher bringen.
Heute haben wir einen argentinischen Papst, der sich zwar hin und wieder leutselig – ja gar orthodox und dogmatisch – gibt, im Kern aber der marxistischen Befreiungstheologie anhängt. Deshalb hatte er in seiner Zeit als Bischof Hausverbot in mehreren Häusern des Jesuiten-Ordens, dem er bis zur Wahl auf den Stuhl Petri angehörte.
Migration: Jeder hat das Recht, zu leben wo er will!
„Jedes Land ist auch ein Land des Ausländers“, erklärt der nur noch dem Namen nach Heilige Vater. Jeder Mensch habe das Recht „einen Ort zu finden, an dem er nicht nur seinen Grundbedürfnissen und denen seiner Familie nachkommen, sondern sich auch als Person voll verwirklichen kann“.
Die neue Weltordnung, die dem Bischof von Rom vorschwebt, nennt er eine „geschwisterliche Welt“, in der unterschiedlicher Glaube nicht zähle. Überhaupt ist das ganze Dokument durchzogen von religiösem Indifferentismus und linksgrünversifften Visionen von einer besseren Welt, einer großen Gemeinschaft aller Geschwister.
Corona – Signal des Aufbruchs in eine neue Zeit
Die Pandemie habe gezeigt: Keiner könne sich allein retten. Alle müssten mit allen zusammenwirken, um diese Geißel der Menschheit zu besiegen. Dies habe nun auch auf allen anderen Feldern zu gelten. Eine Weltgemeinschaft mit einer einheitlichen Klima- und Wirtschaftspolitik sei zu entwickeln. Grenzen müssten bedeutungslos werden, religiöse Unterschiede seien irrelevant.
„Die Stunde der Wahrheit“ wäre jetzt gekommen, in der sich alle „EINER GLOBALEN ETHIK der Solidarität und Zusammenarbeit“ unterzuordnen hätten. Vorzugsweise solle die UNO diese neue Ethik ausarbeiten und dann z.B. in Zusammenarbeit mit der EU und der Vereinigung afrikanischer Länder, anderer Kontinentalverbände und Vertretern diverser Religionen zur Allgemeingültigkeit verhelfen.
Allah hat den Papst besonders inspiriert
Die Inspiration zu dieser Enzyklika hätten dem Pontifex hauptsächlich Nicht-Katholiken geliefert, lässt er die Gläubigen freudig wissen. Zahlreiche Gedanken von Martin Luther King, Desmond Tutu, Mahatma Ghandi, die die katholische Kirche für die „Hure Babylons“ halten, seien in die Enzyklika eingeflossen.
Besonderen Dank aber stattete Franziskus dem ägyptischen Großimam Ahmad Al-Tayyeb ab, dessen tiefe Gedanken einen großen Einfluss auf die Ideen des nach Häresie riechenden Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche hinsichtlich der neuen Weltordnung gehabt hätten.
Kurz: Ein synkretistischer Welteinheitsplan, der sich verlogen in die Tradition Leos XIII. und seiner großen Sozial-Enzykliken stellt und es am Ende sogar wagt, Bezug auf den hl. Franziskus von Assisi zu nehmen. Dieser herausragende Heilige der katholischen Kirche, dessen Gedächtnis die Kirche heute begeht, wäre lieber gestorben, als dass er die Lehren und Gebote seines Gottes einer globalen Ethik untergeordnet hätte.
Recht auf Arbeit als Pflicht – Rüstungsgeld an die Armen
Franziskus nennt es zwar anders, aber meint genau das. Jeder hane ein Recht auf Arbeit, für jeden müsse also ein Platz geschaffen werden, an dem er Geld verdienen könne. Weil nur die Berufstätigkeit Würde verleihe. Absurd! Ob dieses Geld dem Arbeitenden dann auch wirklich gehört, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt, denn Recht auf Eigentum habe niemand.
Atomwaffen gehörten abgeschafft. Am besten sollten damit die Europäer und Amerikaner anfangen. Das hier und bei dem Ankauf von Militärflugzeugen, Flugzeugträgern und Panzern ersparte Geld sollten zunächst einmal die Armen in Afrika bekommen, meint der Papst. – Gute Idee Heiliger Vater, dann haben sie wenigstens schon mal ein Startkapital, wenn sie sich anschließend Deutschland als ihr neues Siedlungsgebiet aussuchen, worauf sie (siehe oben) nach Ihrer Ansicht ein (Natur?)-Recht hätten.
Kein Recht auf Privateigentum
„Das Recht auf Privateigentum kann NUR als ein sekundäres Naturrecht betrachtet werden.“ Dieser Satz steht auf den ersten Blick in der Tradition kirchlicher Lehre und der diese begründenden Philosophie.
Im Text der Enzyklika wird jedoch klar, dass der Argentinier hier ganz anderes im Blick hat. Alles gehört der Weltgemeinschaft (nicht Gott) und daher haben auch die Weltgemeinschaft oder kleinere Einheiten in ihr jederzeit das Recht, per Beschluss und nach Gusto Eigentum dem einen zu entziehen und dem anderen zu überlassen. Oder es aufzulösen und mit dem Erlös „Gutes“ im Sinne des Mehrheitsbeschlusses der jeweiligen Gemeinschaft zu tun. Das ist Sozialismus pur.
Exkurs: Naturrecht und Eigentum aus christlicher Sicht
In der Philosophie meint Naturrecht ein universell gültiges Ordnungsprinzip, das davon ausgeht: Aus der Natur des Menschen lassen sich die Normen des Zusammenlebens begründen. Es bedarf also nicht erst der Ausarbeitung von Einzelvorschriften, sondern diese ergeben sich von selbst. So ist z.B. jedem klar: Es ist ein Verbrechen und somit wider das Naturrecht, wenn man jemanden ermordet oder ohne Not verletzt.
Unter das sekundäre Naturrecht fallen folglich alle Rechte, die von einer Gemeinschaft als notwendig zum Erhalt der Ordnung erkannt werden. Es ist also kein Recht, dass aus sich heraus besteht, aus der Natur des Menschen. Thomas von Aquin, dem sich dieser Blog sehr verpflichtet fühlt, sagt im zweiten Teil des zweiten Buches seiner Summa theologica in Frage 66:
„Alles, was gegen das [primäre] Naturrecht ist, ist unerlaubt. Nach dem Naturrecht aber sind alle Dinge Gemeinbesitz; dieser Gemeinsamkeit aber widerspricht der Eigenbesitz. Also ist es dem Menschen nicht erlaubt, sich eine äußere Sache anzueignen.“
Zeit ohne Ewigkeit
Allerdings bedeutet das seiner Ansicht nach nicht, dass Eigentum als sekundäres (vom primären abgeleitetes) Naturrecht unerlaubt oder gar schädlich sei. Es sei im Gegenteil vernünftig, denn a) mit dem, was man besitzt, geht man pfleglicher um, als mit dem was anderen gehört; b) wisse dann jedermann in der Gemeinschaft, wer für die Pflege eines Objektes, Grundstückes oder was auch immer verantwortlich sei und c) „Kapital verpflichtet“. So nannte es der Aquinate unter Berufung auf Aristoteles zwar nicht, aber darauf läuft es hinaus. Denn alles gehört Gott (dem Erschaffer). Somit ist das dem Menschen längstens für die Dauer seiner Lebenszeit überlassene Eigentum immer etwas, das entweder auch anderen gute Früchte bringen oder den Nachkommen „gut gepflegt“ übergeben werden soll.
Die Unterscheidung zwischen zeitlichen und ewigen Gütern ist der päpstlichen Theologie und jener vieler seiner Mitstreiter allerdings völlig fremd. Alles wird reduziert auf das „Hier und Jetzt“. Die neue GLOBALE ETHIK hat nur noch die Zeit, aber nicht mehr die Ewigkeit im Blick. Nur Wohlstand für alle bringt Heil. Ungleichheit? In Franziskus‘ Sozial-Utopie ist diese abgeschafft. Ein sozialistisches Paradies, aus dem die Menschen mit ihrem Tod in jene Welt abberufen werden, an die sie glauben. Und für Atheisten Abmarsch in den der kurzen Wohlstandphase folgenden ewigen Zeitraum der Nichtexistenz.
Schlussbemerkung
Viele Verschwörungstheoretiker schwadronieren von bereits im Geheimen vollzogenen neuen Weltordnungen. Sie sollten ihren Blick lieber auf die Gegenwart und die Lebenswirklichkeit richten. Denn da entwickelt sich in diesen Tagen und gewiss in den nächsten Monaten und Jahren ein Szenario, dass ihre schlimmsten Befürchtungen übertreffen könnte:
Eine unter Führung gott- weil religionsloser Gestalten errichtete Weltherrschaft, die nicht mehr kennen wird, was Franziskus in dieser Enzyklika x-mal fordert: Solidarität, Barmherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe.
Ich schwanke noch: Ist dieser Papst nur naiv, wirklich töricht (dumm) oder trägt er eine ganz andere Maske als den Mund- und Nasenschutz.
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