Michael van Laack
Verständlich ist der Zorn einiger Teile der Bevölkerung auf die Coronapolitik der letzten Jahre. Schlechte Kommunikation, unnötige Lockdowns, widersprüchliche Maskenpflicht-Regelungen, Beschimpfung von Ungeimpften, Bereicherung einiger Politiker.
All das gilt es möglichst zeitnah aufzuarbeiten. Der Wille dazu dürfte bei den meisten Parteien (wie immer, wenn Regierende versagt haben), Behörden und Unternehmen nicht sonderlich groß sein. Dies spüren viele Bürger, was sie zusätzlich erzürnt. Dennoch rechtfertig all das nicht, was wir in den letzten Wochen verstärkt sehen: Eine Hexenjagd auf manche, die während der Hochzeit des 2020 ins Leben gerufenen Corona-Zeitalters oft einsame und kaum nachvollziehbare Entscheidungen getroffen haben.
Mein ist die Rache, spricht der Freiheitskämpfer!
“Wir zahlen Euch bald tausendfach zurück, was ihr uns angetan habt!” hörte ich neulich auf einer kleinen Demo einen Sprecher ins Megafon brüllen. Das hatte schon was von Hilflosigkeit, denn der “kleine Mann” hat in der Geschichte den Mächtigen noch nie etwas zurückgezahlt. Bei allen Revolutionen waren es die später die Macht ergreifenden Akteure, die Rechnungen in Blut begleichen ließen, um gleich danach selbst mit Blut zu regieren.
So weit, so gut (oder schlecht). Was mich irritiert in diesen Monaten ist, dass jene, die lautstark für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen, wenn es um Corona geht, immer mehr in die Bereitschaft verfallen, anderen (ihren erklärten Feinden) möglichst jegliche Freiheit zu nehmen und ihre ganz persönliche Vorstellung von Gerechtigkeit im Kleinen wie im Großen umzusetzen.
So berichtet in diesen Tagen mancher “Freiheitsverteidiger” mit mehr als nur ein wenig Schadenfreude, der Professor, Lehrstuhlinhaber und Institutsdirektor an der Charité in Berlin – Christian Drosten – habe (was nicht den Tatsachen entspricht) seinen Urlaub abbrechen müssen, da ihn einige Bürger beschimpft, beleidigt und bedroht hätten. Wobei die strafrechtlichen Implikationen in allen Quellen nicht weiter kommentiert wurden, denn ein Freiheitsgutmensch sagt ja immer nur die Wahrheit. Drosten wurde als “Massenmörder” und “Transhumanist” bezeichnet und erstattete Anzeige, später reiste er wie geplant mit seiner Familie ab.
Vermutlich nicht justiziabel, aber entlarvend!
Einige Reaktionen auf die teils hämische Berichterstattung, die mehr sagen, als die wenigen Worte, die von den Autoren im wahrsten Sinne des Wortes “verloren” wurden:
“Corona-Diktatur” – Ein Popanz!
An sich nur eine Randnotiz wert, aber vom Querdenker-Milieu als Zeichen des Widerstands gegen das “Corona-Regime” hochgejazzt. Ziel ist es, anhand solcher Beispiele ein Bild von der Gesellschaft zu zeichnen, das nicht der Realität entspricht. Es sind immer nur ein paar Hansel, manchmal ein paarhundert oder gar -tausend Demonstranten, die den Untergang der Freiheit regelrecht herbeizusehnen scheinen. Ja, es gibt sehr viele Missstände in diesem “besten Deutschland aller Zeiten”. Auch wir machen immer wieder darauf aufmerksam.
Doch leben und lebten wir in den vergangenen Jahren nie in einer Corona-Diktatur, sondern mit einer Regierung, die sich der Irrationalität ihres Handelns ab einem kaum zeitlich eingrenzbaren Punkt nicht mehr bewusst war. Eine bestimmte Szene bläst dennoch diesen (Diktatur) und andere Popanze ständig neu auf, weil sie daraus ihre einzige Existenzberechtigung ableiten können. “Widerstand” ist ihr Lebenselixier und wird so zum Selbstzweck. Und so tingeln sie real oder virtuell von und mit einem Thema zum nächsten, denn gegen irgendetwas ist immer Widerstand geboten.
Bestes Beispiel der letzten Wochen: Der “Ukraine-Krieg”, die Waffenlieferungen und die Sanktionren. Kaum war klar, welche Haltung Bundesregierung und EU einnehmen würden, ging es sofort los. Einmal mehr sei unsere Freiheit bedroht. Aber nicht durch Wladimir Putin, sondern durch die Regierungen des Westens und speziell die Bundesregierung. Sie seien die Kriegstreiber, sie wollten ihr Volk verarmen, sie hätten Fehler auf Fehler gehäuft. Putin mache Russland reich. Scholz Deutschland arm usw. usf.
Querdenker: Keine Patrioten, sondern Jakobiner!
So kam es, dass die Phrasen, mit denen man sich gegen die Corona-Politik der Bundesregierung richtete, nun fast exakt wiederholt wurden und werden. Empathie haben diese Leute nie! Ncächstenliebe, Mitleid, Hilfsbereitschft? Nicht mit den zigtausenden, die qualvoll auf den Intensivstationen erstickten und nicht mit den Menschen die in diesen Wochen durch Putins Terror sterben. Mitleid haben sie immer nur mit sich selbst. Ich – Ich – Ich! Meine Freiheit, mein Wohlstand, mein Wille.
Um es für jeden unmissverständlich zu sagen: Mit keinem von denen ließe sich ein Krieg gewinnen, wie es geflügelt heißt! Und erst recht keine freiheitliche und gerechte Gesellschaft aufbauen. Denn wie einstmals die Jakobiner der Französischen Revolution, so würden auch diese Leute ausschließlich ihre Definition von Freiheit, Einheit und Gleichheit durchsetzen und jedem Widerstand den Kopf abschlagen. Das unterscheidet sie von den politisch schwarzen, grünen und roten Semi-Jakobinern, die uns seit Jahren regieren, aber ihre politische Religion definitiv nicht in einer ausreichenden Zahl von Bürgerköpfen verankert bekommen, weshalb ich diese – trotz all der Kritik, die auch ich immer wieder übe – diesen „Freiheitsverteidigern“ deutlichst vorziehe.
Lächle und sein froh, denn es könnte schlimmer kommen. Und ich lächelte und war froh und es kam schlimmer. Denn das Zeithalter der Herrschaft der Freiheits-Jakobiner begann. Das möchte ich niemals erleben.
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