BRICS – Für Investoren interessant, für die EU eine “Gefahr”!

Conservo-Redaktion

(Dieter Farwick, BrigGen. a.D.*) Die Vereinigung der BRICS-Staaten war keine Erfindung von Politikern oder Militärs dieser Staaten, sondern von dem Banker O`Neill, dem Chefvolkswirt der Großbank Goldman Sachs, der Investoren im Jahre 2001 auf die aufstrebenden Staaten Brasilien, Russland, Indien und China – später noch Südafrika – und auf deren Aufstiegspotential aufmerksam machen wollte. Sie wiesen Zuwachsraten von 5-10 % auf, was Investoren einen Zugewinn brachte.

Diese lockere Vereinigung hatte einen ordentlichen Start. Ihr ging es um Direktinvestitionen in ihren Ländern, die deren Fortschritt verbessern sollten, was auch geschah. Die BRICS-Staaten werden autoritär geführt – einige bereits über einen langen Zeitraum. Autoritär geführte Staaten haben mittlerweile die „westlichen Demokratien“ mit deutlicher Mehrheit überflügelt.

Auch bei BRICS sehen wir ungleiche Partner

Die Staaten sind sehr ungleiche Partner. China und Indien sind die Mächtigsten mit ihrer Bevölkerung von über einer Milliarde Menschen, während das kleine Südafrika das Schlusslicht bildet – auch in wirtschaftlicher, finanzieller und militärischer Stärke. Geographisch sind sie weit über den Globus verteilt. Nur Indien und China sowie China und Russland sind unmittelbare Nachbarn. Die einzelnen Religionen spielen eine große Rolle. Das gilt insbesondere für das hinduistische Indien unter dem strengen Hindu Modi.

Die fünf Partner rutschten in den letzten Jahren in die beginnende weltweite Finanzkrise. Es war Indien, das die Vereinigung wieder in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit rief. Zur Finanzkrise kamen bald die Corona-Pandemie sowie der Krieg zwischen Russland und Ukraine. China entschloss sich für eine rigide Abschottungspolitik „Zero Covid 19“ – schon bei dem Ausbruch einer geringen Zahl von Infektionen gab es Ausgangssperren großen Ausmaßes; allein im Raum Shanghai gab es deutlich über 20 Milliarden Menschen in „Hausarrest“ oder Quarantäne. Reisen in benachbarte Teile Chinas und ins ferne Ausland waren verboten. Der Welthandel kam zum Erliegen.

Gebeutelt von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie

Für ein exportorientiertes Land wie China ist ein solcher Einbruch dramatisch. Vor dem Hafen von Shanghai bildete sich ein kilometerlanger Stau von Frachtschiffen, die ihre Fracht wochenlang nicht entladen konnten. Unternehmen mussten schließen und ihre Arbeiter entlassen, die die Zeit nutzten, ihre Familien auf dem Lande aufzusuchen. Lieferketten wurden unterbrochen, was der Bevölkerung und auch der Wirtschaft schadete. Die Auswirkungen dieser Misere machten sich bis Lateinamerika und nach Europa bemerkbar. Die gesamte Weltwirtschaft litt unter dem globalen Chaos.

Die Unternehmen in China mussten auf die Rückkehr ihrer Mitarbeiter warten, um die Arbeit wieder aufzunehmen. Auf Knopfdruck war und ist das nicht möglich. Für das Einhalten der rigiden Abschottungspolitik wurde der „Kaiser von China“, Xi Jinping, vorsichtig in China und im Ausland kritisiert. Er hat den Kurs nicht geändert. Nachwirkungen werden die gesamte Welt noch lange belasten.

Nachwirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft

In einigen Regierungen sind unterschiedlich gravierende sog. „Übersterblichkeiten“ zu verzeichnen. Verluste und krankheitsbedingte Ausfälle behindern den „Restart“ eines „normalen Alltags.“ Die meisten Menschen in den hauptsächlich betroffenen Staaten haben einen großen Teil ihres Vertrauens in Staaten verloren, die nach fehlenden Vorsorgemaßnahmen besonders stark getroffen waren.

Der Sonderfall BRICS

In westlichen Ländern war die Verwunderung groß über das Verhalten Indiens. Es galt als guter Verbündeter der Vereinigten Staaten. Die USA haben Indien vor Jahren geholfen, in der labilen Nachbarschaft den Status einer Nuklearmacht zu erlangen. Man muss zu den Anfängen von BRICS zurückkehren. Nach ihrer Vereinigung war es das größte Ziel der Mitgliedstaaten, die Dominanz des amerikanischen Dollars zu brechen, was bis heute nicht gelungen ist. Im Westen wurden nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von den meisten Regierungen sofortige und unbegrenzte Hilfs- und Boykottmaßnahmen gefordert und geleistet. Es wurden Pakete mit Sanktionen gegen den Kriegsverursacher Russland geschnürt.

Viele Staaten der Welt haben diese Sanktionen mit Finanzen und Gerät geleistet – an der Spitze die Vereinigten Staaten. In Deutschland und im westlichen Ausland wurde die Zurückhaltung besonders des deutschen Bundeskanzlers mit Verwunderung verfolgt. Es wurde vieles versprochen, aber nur ein Teil wurde zeitnah geliefert. Die NATO-Mitgliedsstaaten haben die russische Außengrenze als „Rote Linie“ beachtet und beschlossen, die NATO als Bündnis nicht in den Krieg zu verwickeln. Das ist bislang gelungen.

Indien ist aus dem Blick der EU und der USA geraten

Putin hat der NATO zwei neue, starke Mitgliedstaaten „zugeführt“ – nämlich Schweden und Finnland, die die Nordflanke der NATO verstärken. Was ist mit Indien? Indien ist ein starker Staat in Asien. Indien und seine Partner haben die Sanktionen der USA und Europas nicht unterstützt. Man darf nicht vergessen und auch nicht unterschätzen, dass Indien und Russland gemeinsame BRICS-Staaten sind.

Die USA haben in Asien eine neue Eindämmungspolitik gegenüber China gestartet, um dessen Expansionsgelüste zu stoppen. China hat mit langen „Fangarmen“ der „Road and Belt-Strategie“ seinen Einfluss bis nach Europa etabliert. Duisburg in Deutschland und der Hafen von Piräus in Griechenland sind Umschlagorte, von denen chinesische Produkte in Europa weiter transportiert werden.

Die amerikanische Regierung muss durch eine kluge Politik verhindern, dass sich Indien zu sehr China nähert. Dazu gehört eine vorausschauende Politik und eine geschickte Strategie. Das war in der Vergangenheit die besondere Stärke der Vereinigten Staaten. Zum Vorteil ist für die USA und ihre Verbündeten die Tatsache, dass Indien und China nicht die „besten Freunde“ sind. Russland ist enttäuscht, dass sich China in der Unterstützung Russlands stark zurückgehalten hat. China sieht in Russland einen Juniorpartner, für den man kein besonderes Risiko eingeht.

Die Entwicklung der BRICS-Staaten sollte im Westen besser beobachtet werden, da diese Entwicklung Auswirkungen auch auf Europa hat.

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*) Brig. General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen und anschließend Berufssoldat. Einen Höhepunkt seiner Karriere bildete die Tätigkeit im Planungsstab von Bundesverteidigungsminister Dr. Manfred Wörner, wo er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig war. In den 90er Jahren fand er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte Verwendung und war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt. Schon während seiner Dienstzeit verfasste Farwick mehrere Bücher und andere Publikationen zu Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte. Im „Ruhestand“ engagierte er sich viele Jahre als Chefredakteur eines Newsservice für sicherheitsrelevante Themen und organisiert heute noch Tagungen zu diesem Thema an renommierten Instituten.

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