Klaus Hildebrandt*
Offener Brief** an den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
viele Bürger befürchten, ja haben Angst, dass es mit uns und Europa dem Ende zugeht. Krisen, wohin man schaut, und es kommen immer mehr dazu. Das ist nicht die Schuld der Bürger, sondern pures Staatsversagen. Die Europäische Union, die über viele Jahre nach der dt. Wiedervereinigung und trotz gemachter Versprechen/Zusagen zur Zurückhaltung gegenüber Russland (Ost-Erweiterung), ungeniert gemeinsame Sache mit der Nato macht und sich bisher immer selbstbewusst und durchaus erfolgreich als “Insel des Friedens” verkaufte, fährt uns seit Frau Merkels “Wir schaffen das” im Eiltempo gegen die Wand.
Ein Stellvertreterkrieg muß vermieden werden
Die Bildung ganz neuer Interessensblöcke zeichnet sich ab, allerdings handelt es sich diesmal um wesentlich komplexere Gebilde als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Das aber ist bedrohlich, denn gerade heute ist eine funktionierende multilaterale Zusammenarbeit – aller – Staaten der Erde essenziell. Zu glauben, Russland in diesem Gefüge durch Sanktionen isolieren und in die Knie zwingen zu können, ist doch Utopie. Allein die großen BRIC-Länder Russland, China, Indien und Brasilien mit ihren Milliarden Menschen, sind heute Machtzentren, die nicht nur für unsere Rohstoffversorgung wichtig sind, sondern auch für die Heilung der Umwelt, auf deren Mitwirkung wir nicht verzichten können.
Im Übrigen zeichnet sich jetzt schon ab, dass sich der Krieg um die Ukraine ohne konkrete Verhandlungen mit Putin nicht mehr stoppen lässt bzw. weiter verstetigt, und sich insofern mehr und mehr zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt. Je länger Sie sich USA und Europa nicht auf echte Verhandlungen einlassen, umso schlimmer wird es werden. Die Arroganz dieser EU und Deutschlands wird immer sichtbarer. “Wir werden siegen” ist die denkbar schlechteste wie auch gefährlichste und teuerste Option, von den vielen Kriegstoten ganz zu schweigen. In Wahrheit stärken Sie Putin, und nehmen unser Volk durch Ihre Sanktionen in Geiselhaft.
Die Spaltung Deutschlands ist kaum mehr zu heilen!
Ja, Multilateralismus ist wichtig, wenn es um Probleme geht, die kein Land für sich allein zu lösen vermag, wie z.B. den Klimawandel. Allerdings sollte man hier mit Bedacht vorgehen und sich davor hüten, die Nationalstaaten zu stark in ihren Kompetenzen zu beschneiden, denn diese werden ihre Identitäten, Gewohnheiten und Wohlstand nicht ohne Protest aufgeben. Die Folgen dieser Politik, wie wir sie aus den letzten rd. 10 Jahren der Merkel-Ära ja alle erleben, sind verheerend und spalten unser Land, Europa und sogar die ganze Welt! Alles begann so richtig mit der absurden Migrationspolitik der GroKo, die nicht nur D und die EU in ein Dilemma stürzte, sondern auch die USA mit Flüchtlingsströmen ungewohnten Ausmaßes aus Mexiko, Guatemala und weiteren zentralamerikanischen Ländern auf die Probe stellte.
Wohin das führt, das sehen wir nun nur sieben Jahre später in den Niederlanden, wo jetzt die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen wurden, Migranten zwangsweise in Privatwohnungen einzuquartieren. Niemand kann mir sagen, dass das noch etwas mit good governance, Demokratie, Recht, Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu tun hat. Hier will die niederländischen Regierung ihr Ding “auf Teufel komm raus” durchziehen, was Schule machen könnte, sicherlich auch in Deutschland. Die Folgen eines solchen Vorgehens sind kaum abzuschätzen und könnten zum offenen Aufstand der Bürger und zur Destabilisierung ganzer Regionen führen.
Abtreibung reduzierte auch den Fachkräftenachwuchs
Was sich Frau Merkel mit Unterstützung der GroKo-Parteien mit der Öffnung der Grenzen “leistete”, war nur der Anfang eines grundgesetzwidrigen Experiments, das im Nachhinein eher dem Sozialismus und Kommunismus zuordnen ist, als der Demokratie. Würden wir, ehrgeizig wie wir nun mal sind, nicht die ganze Welt mit dt. Produkten beliefern, dann bräuchten wir auch keine ausländischen “Fachkräfte”, was immer wieder als Vorwand für die skurrile Migrationsphilosophie der Bundesregierung angeführt wird.
Im Übrigen wurden in Deutschland, dem Artikel des ehemaligen CDU-Mitglieds Eugen Abler zufolge, seit 1974 rd. sieben bis acht Millionen Kinder abgetrieben. “Fachkräfte”, die uns heute fehlen, was durch eine bessere Familienpolitik leicht hätte vermieden werden können. Auch die Ernennung Frau Faesers zur Bundesinnenministerin war ein weiteres Indiz für den krankhaften Kurs dieser Bundesregierung.
Um des sozialen Friedens willen: Schließen Sie die Grenzen!
Schließen Sie die Grenzen und retten Sie, was noch zu retten ist, und backen Sie wieder kleinere Brötchen.. Schützen sie unser Land, dem Sie sich per Eidesformel zu dienen verpflichteten. Ihr Vorgehen gegenüber Russland (“wir werden siegen”) belegt, wie aggressiv und gefährlich die Außen- und Verteidigungspolitik dieser EU in Wirklichkeit ist. Wenn Herr Habeck von den Grünen nun ankündigt, die Heiz- und sonstigen Energiekosten könnten sich schon bald verdrei- oder vierfachen, dann ist das beängstigend und Grund genug, seine Strategie zu überdenken.
Hier geht es längst nicht mehr nur um Ansichten, sondern nur noch ums “Siegen” also um Kriegstreiberei. Bieten Sie Russland das offene Gespräch und eine neue Zusammenarbeit auf der Grundlage der Neutralität der Ukraine an und gewinnen so Zeit, mit Putin wieder ins Reine zu kommen. Mit der von ihm versprochenen heutigen Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 1 gäbe es doch eine gute Gelegenheit dafür. Gerade für Europa hängt viel vom Verhältnis zu Russland ab, das nun wegen der Machtinteressen von EU und USA nicht verspielt werden sollte. Schalten Sie einen Gang runter und nutzen die Zeit, die Mitgliedstaaten der EU wieder auf einen Nenner zu bringen, und das am besten ohne Zwang (s. Umgang mit Ungarn und Polen).
Wir stehen einen Schritt vor der Abschaffung unseres Vaterlandes
Herr Bundeskanzler, ich bin alt und verfolge keine eigenen Interessen. Ich denke an unsere Kinder und Kindeskinder, sowie an die Zukunft der Menschheit allgemein, wofür es lohnt, sich zu Wort zu melden. Ein Land, in dem man seine Meinung nicht mehr offen sagen kann, ohne dass man diffamiert, ausgegrenzt und möglicherweise noch bestraft wird, “schafft sich ab”, wie es ihr einstiger Parteikollege Thilo Sarrazin schon vor Jahren kommen sah. Es ist ein Merkmal Ihrer Politik, Menschen mit anderer Meinung als sie es vorgibt, abzusägen und zu entwürdigen. Das muss sich wieder ändern.
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*Klaus Hildebrandt ist engagierter Katholik und seit vielen Jahren Autor bei conservo.
**Der offene Brief in Form einer E-Mail wurde im Wortlaut übernommen. Die Grußformel am Ende des Briefes wurde aus optischen Gründen die Textdarstellung betreffend getilgt, die Zwischenüberschriften von der conservo-Redaktion eingefügt.
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