Michael van Laack
“Beihilfe zum Völkermord” lautet der Titel eines Buches von Jürgen Gottschlich, in dem er Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier beschreibt. Keinen einzigen Armenier haben deutsche Soldaten seinerzeit getötet, verschleppt oder vertrieben. Das Kaiserreich hat einfach weggeschaut und neben einem losen militärischen Bündnis auch regen wirtschaftlichen Austausch mit den Osmanen betrieben.
Im Spiegel lesen wir heute, dass Wolfgang Kubicki – der seit Jahren mal von rechts und mal von links (bei seiner eigenen Partei eher selten) Schulterklopfer bekommt – die sofortige Öffnung von Nord Stream 2 fordert, damit Deutschland seine Gasspeicher (die sich teilweise immer noch im Eigentum der Gazprom befinden) rasch bis an den Rand füllen kann. Sobald wir genug Gas hätten, meint der ehemalige Frauenversteher und Rauschmitteln nicht vollkommen abgeneigte FDP-Mann, könnten wir die Pipeline ja wieder zudrehen.
Ein Hyper-Opportunist reinsten Wassers
Zwar sei nicht ganz klar, ob Putin dieses taktische Spielchen durchschaut oder sich (trotzdem) darauf einlässt. Denn bekanntlich stinkt auch das Geld von Feindstaaten nicht! Sollte er wider Erwarten nicht liefern, obwohl er bereits mehrfach über die neue Pipeline liefern zu wollen angeregt hat, könne man ihm die Verantwortung in die Schuhe schieben. Klar, dann wäre die Bundesregierung, die selbstverständlich noch ein wenig länger im Amt bleiben möchte, entlastet.
Dass Kubicki auf den von Linken und Teilen der AfD aufs Gleis gesetzten Zug aufspringt, hat nichts damit zu tun, dass er um irgendeinen Bürger Deutschlands, der weniger als 200.000 Euro netto im Jahr verdient, besorgt wäre. Besorgt ist der Volkswirt und Rechtsanwalt ausschließlich darüber, dass die Bundesregierung am Ukrainekrieg zerbrechen könnte und all die wunderbaren liberalen Projekte von Cannabis über die freie Wahl des Geschlechts bis zur Vielehe (Verantwortungsgemeinschaft) im Mülleimer der parlamentarischen Geschichte landen könnten.
Die Wutwinter-Legende: Verhindert den Dolchstoß der Bürger ins Herz der Republik!
Er will Druck aus dem Kessel nehmen, indem er die Legende über den ansonsten bevorstehenden Wut- und Wirtschaftschaos-Winter weiterstrickt und mit ihr überdeckt, dass ein großer Teil der hohen Energiekosten – in Form anderer Belastungen und mit anderer Begründung (Klimawandel) – auch ohne diesen Krieg auf die Bürger gekommen wäre. Vielleicht vier oder sechs Monate später, aber gekommen wäre es auf jeden Fall so. Zumal auch die durch die Pandemie weltweit abgerissenen Lieferketten die Preise für zahlreiche Verbrauchsgüter weiterhin hochtreiben.
Um die Energiewende nicht zu gefährden und den Grünen nicht abzuverlangen, über ihre roten Linien hinaus Beschlüsse zu fassen, muss jetzt erst einmal Gas her. Koste es zigtausenden Menschen das Leben oder nicht.
Carte Blanche für Putin?
Putin kommt mit der Auslöschung der Ukraine nicht so schnell voran, wie er und Kubickis Parteichef Lindner noch zu Beginn des Kriegs erwartet bzw. gehofft hatten. Deshalb muss man ihm jetzt ein Geschenk machen. Zudem würde die Öffnung von Nord Stream 2 sowohl den USA als auch der Ukraine signalisieren: Wir stehen nicht uneingeschränkt an Eurer Seite! Und dem Faschisten im Kreml könnte man so auf einem kleinen Umweg die Botschaft übermitteln: Wladimir, Du hast Carte blanche! Töte wen Du willst, lösche aus was Du willst, nimm Dir jedes Land, das Du haben willst, solange Du die deutschen Grenzen nicht infrage stellst und unser ewiges Wachstum sicherst.
Tja, so sind sie halt, die alten Liberalen von heute: Skrupellos und mitleidlos… Vermutlich waren sie schon immer so und es bestand lediglich bisher keine Notwendigkeit, dass sie ihren Charakter offenbaren.