Michael van Laack
Friedrich Merz ist auf dem besten Weg, sich als würdiger Nachfolger der letzten Verteidigerin der freien Welt zu etablieren. Wie Angela Merkel ist auch ihm Sozialneid fremd, denn die „Besserverdienenden“ verdienen nur deshalb besser, weil sie auch deutlich mehr leisten als jene, die weniger bis gar nichts verdienen.
Und die „Reichen“ haben ihre Millionenvermögen im zwei- oder dreistelligen Bereich selbstverständlich auch ausnahmslos hart erarbeitet. Ein Unternehmen zu leiten und die Mitarbeiter zu motivieren ist schließlich deutlich anstrengender, als acht Stunden am Hochofen zu stehen oder die Toiletten des Bundestages von den edlen Hinterlassenschaften der weisen Politiker zu befreien. 50, 60, ja sogar bis zu 250. Mal anstrengender. Dieses Weltbild ist es augenscheinlich, dass Friedrich Merz Dreiklassensystem zugrunde liegt.
Merz versteht das eigentliche Problem nicht
Was Merz hier Klassenkampftöne nennt, ist lediglich die Wahrnehmung von immer mehr Menschen (übrigens auch in jener breiten Mitte, für die mehr tun zu müssen Merz fordert), dass eine Minorität in unserer Gesellschaft vollkommen vom Leistungsprinzip entkoppelt verdient und Vermögen anhäuft. Von den Gehältern im ÖRR (nicht nur in Vorständen über Profifußballer bis zu Vorstandmitgliedern mittlerer und großer Unternehmen bzw. deren Besitzern.
Das ist kein Sozialneid, das hat nichts mit Klassenkampf zu tun. Denn die meisten Menschen erheben nicht den Anspruch, das gleiche verdienen zu wollen wie jene, deren Gehälter sie in den Blick nehmen. Sie kritisieren lediglich deren Unverhältnismäßigkeit, wie sie es z. B. auch bei den Privilegien tun, die sich aus dem Beamtenstatus ergeben. Oder bei der Zweiklassengesellschaft im Schulbetrieb, wo beamtete Lehrer und Angestellte für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden.
Er war stets bemüht…
Was Merz “Fürsorgebemühungen” nennt (ein wenig gelungenes Wording, denn eine Bemühung wird oft gleichgesetzt mit dem Nichterreichen eines Ziels), kann man in dem geflügelten Wort zusammenfassen: “Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel!”
Merz hat recht. Die Mitte der Gesellschaft trägt diese Republik, trägt den Sozialstaat und ermöglicht es den “Reichen”, ihre Vermögen zu erhöhen. Ob es die mittelständischen Zulieferer großer Konzerne sind oder der Handwerksbetrieb, die innovative IT-Firma mit fünf angestellten oder die Pächter im Lebensmitteleinzelhandel, die Gastronomie oder der Kulturbetrieb. Sie alle sind es, die Deutschland seit Jahrzehnten stabil halten, wenn es ihnen schlechter geht, gerät das Land finanziell in eine katastrophale Schieflage.
Dennoch ist es unredlich, was Merz hier macht. denn er spielt einzelne Gruppen gegeneinander aus, indem er fordert, die Probleme der Armen nicht über das Fürsorgebemühungslevel hinaus in den Blick zu nehmen und bitte nicht mehr auf das Leistungs- und Vergütungsverhältnis ab der oberen Mittelschicht aufwärts zu schauen. Indem er Probleme aus dem Fokus genommen wissen will, wird er die Klassenkampftöne nur verstärken.
Gemeinsam oder einsam?
Nur wir alle zusammen können die Krise meistern, heißt es immer wieder. Nicht nur aus der Ampel, auch aus der Union. Dann müssen auch wir alle uns stets in den Blick nehmen, aufeinander achten, füreinander sorgen und Missstände überall abstellen, wo sie klar zu Tage treten. Ob “bei denen da oben” den “Sozialschmarotzern da unten” oder der Mitte als “dem Herz der Gesellschaft“.
Weder darf der Kopf (Oberschicht) einen Schlaganfall erleiden noch die Mittelschicht einen Herzinfarkt und auch nicht die da unten an einer so heftigen Diabetes erkranken, dass ihnen die Füße amputiert werden müssen. Kopf, Herz, Füße. All das wird benötigt, um den “Volkskörper” am Leben zu erhalten bzw. an ihm teilnehmen lassen zu können.
Friedrich Merz buhlt nur um Aufmerksamkeit und zukünftige Stimmen, wenn er sich Nährvater der Mittelschicht geriert. Ihn interessiert die breite Masse nur insoweit, als dass die Oberschicht sich weiter stabilisieren kann und die Unterschicht nicht zu aufmüpfig wird. Denn für ihn ist der Mensch nicht als Mensch interessant, sondern nur insoweit, als er dazu beiträgt, dass Deutschland eine Wirtschaftsmacht bleibt oder wieder wird. je nachdem, wie man die Situation unseres Vaterlands aktuell einschätzt.