Energiemarkt in der EU: Verstaatlichung als ultima ratio oder beste aller Optionen?

Peter Helmes

Die Energiepreise schnellen in die Höhe, und der Krieg in der Ukraine bestärkt die Gewißheit, daß wir künftig ohne Lieferungen aus Russland auskommen müssen. Da war es geradezu unausweichlich, daß die EU-Kommission die aktuelle Struktur des Energiemarkts auf den Prüfstand stellen würde.  

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will handeln, bevor der Winter hereinbricht und die Mitgliedstaaten wieder nach dem Motto ‚Rette sich, wer kann‘ handeln. So kündigte sie Eingriffe in den Energiemarkt an, die unter anderem die Deckelung von Preisen vorsehen, ohne allerdings ins Detail zu gehen. Immerhin gab sie den Hinweis, daß der Markt künftig unter vollkommen anderen Bedingungen laufen soll.

Allerdings war bislang auch vorgesehen, bis 2050 die Emissionen auf Null zu senken. Dazu sollten fossile Energieträger schrittweise durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Bislang konnte es sich Europa leisten, daß dadurch manche Preise stiegen, aber nun stellt die Krise auch diesen grünen Traum in Frage. 

EU: Einmal mehr beinahe “Warten auf Godot”

Die EU hat bereits wertvolle Zeit verschwendet. Der von Moskau ausgelöste Energiesturm war vorhersehbar und wurde vorhergesagt. Die EU-Kommission warnte die Hauptstädte schon im Herbst 2014, dem Jahr der ersten großen Krise in der Ukraine: Die EU könne nur einige der Faktoren, von denen die Stabilität der russischen Gaslieferungen abhängt, kontrollieren, so daß es klug wäre, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen und entschlossen für die Energieversorgungssicherheit auf dem Kontinent einzutreten. Nichts geschah. So sind wir mit der schlimmsten Energiekrise seit Menschengedenken konfrontiert und wissen nicht, wie wir auf die Ängste vor dem Winter reagieren sollen. 

Letztlich hat hier der freie Markt im Bereich der Energiewirtschaft versagt. Die 27 Mitgliedsstaaten müssen sich nun endlich aufraffen und sich daran erinnern, daß der Markt und seine Anbieter/Spekulanten, die sie verschaukeln, nur dann mächtig sind, wenn die Staaten ihnen freie Hand lassen. Mit den Worten „der Markt steht im Schach“, erklärte Belgiens Energieminister Tinne Van der Straeten treffend die Situation.  

Back to the Roots: Verstaatlichung des Energiesektors nicht mehr undenkbar

„Fix it“, ist man geneigt, den europäischen Institutionen zuzurufen. Der Staat soll wieder die Kontrolle übernehmen. Das hat EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen versprochen, als sie eine Notfallmaßnahme sowie eine Strukturreform des Strommarkts für den 9. September angekündigt hat. Besser spät als nie? 

Die Bürger spüren die Teuerung in ihrem Geldbeutel, und den Unternehmen geht in der Phase der Erholung nach der Pandemie die Luft aus. Die Sorge ist groß, daß die Inflation die Menschen auf die Straße treibt. Mancherorts gibt es bereits Streiks, um die Löhne an die neue Realität anzupassen. Aber natürlich bergen auch Eingriffe in den freien Markt Risiken. Wir sollten daher genau verfolgen, welche Entscheidungen die europäischen Aktivisten treffen. Denn steigende Lebenshaltungskosten und Erzeugerpreise erlauben keinen Spielraum mehr für weiter zögerliches Handeln. 

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