Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)
Putin gehört vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Ermittlungen gegen ihn und hohe Militärs haben bereits begonnen. Sie werden viel Zeit kosten. Andere Kriegsverbrecher anderer Staaten sind wegen ihrer Verantwortung für gezielte, massenhafte Kriegsverbrechen nach gründlicher Untersuchung bereits in Den Haag und anderen nationalen Gerichten verurteilt worden.
Der russsische Präsident könnte – wie auch ranghohe Militärs – allerdings wohl erst nach langen Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen nach Den Haag überwiesen werden Zudem dürfte es im Falle einer Niederlage der russischen Führung und der verantwortlichen Militärs schwer werden, Ermittlungen einzuleiten und Verurteilungen juristisch abgesichert zu erreichen.
Urteile können allerdings auch in Abwesenheit der Angeklagten oder post mortem [Anm. d. Conservo-Redaktion: was bestenfalls noch für die Geschichtsbücher Sinn macht] verhängt werden. Die Justiz sollte sich auf beweisbare Untaten konzentrieren. Untaten von Putin und hohen Militärs sollten zügig ermittelt und bestraft werden.
Internationale Ächtung von Putin
Da die Ermittlungen und Gerichtsentscheidungen Jahre dauern werden und Putin sich bislang gegen Verhandlungen mit dem Ziel eines Waffenstillstandes geweigert hat, sollte man den Hauptbeschuldigten Putin zügig nach Den Haag bringen. Das wird dauern. Deswegen plädiere ich für eine gemeinsame Ächtung Putins durch die Staaten, die freiwillig eine Ächtung mittragen. Diese Ächtung sollte alle Kontakte „einfrieren“ – kulturelle, wirtschaftliche und industrie-spezifische Verbrechen an der Menschheit, z.B. die Verschleppung ukrainischer Kinder und Frauen, die in den ehemals russisch besetzten Gebieten massenhaft vergewaltigt worden waren.
Putin lässt die Energieinfrastruktur und Wohnhäuser in der Ukraine nahezu täglich bombardieren – ohne Rücksicht auf die Bewohner. Sollten ukrainische Politiker und Militärs mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert werden, müsste die Justiz selbstverständlich auch solchen Vorwürfen nachgehen.
Unbedingt muss allerdings vermieden werden, dass Putin und hohe Militärs in Russland als Helden oder Märtyrer gefeiert werden. Sie haben es nicht verdient. In diesem Zusammenhang ist allerdings positiv hervorzuheben, dass die Kritik gegen ihn und hohe Militärs trotz der russischen Propaganda deutlich zunimmt. Um diesen Effekt zu verstärken, wäre es wichtig, die von superreichen Oligarchen gesperrten europäischen Konten und Besitztümer zum Wiederaufbau der Ukraine zügig zu verwenden [und darüber die Öffentlichkeit ausführlich zu informieren] – allerdings eng überwacht von nationalen Behörden.
Was bringt die Zukunft?
- „General Winter“ bestimmt mehr und mehr das Kriegsgeschehen. Kleinere militärische Operationen werden wiederholt von beiden Seiten unternommen werden. Sie werden die „große Lage“ nicht wesentlich verändern.
- Es ist wichtig, dass in „Geberländern“ die ideelle und materielle Hilfsbereitschaft für die Ukraine nicht nachlässt. Der Wiederaufbau der stark zerstörten Ukraine wird teuer und lange Zeit in Anspruch nehmen.
Ich habe als Junge die schwierigen Nachkriegsjahre in Deutschland in einer stark zerstörten westdeutschen Großstadt miterlebt und nie vergessen. Auch deshalb hoffe ich, dass die tapfere Ukraine einen ähnlichen Wandel erleben kann, wie wir ihn in Deutschland erlebt haben.
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*) Brig. General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen und anschließend Berufssoldat. Einen Höhepunkt seiner Karriere bildete die Tätigkeit im Planungsstab von Bundesverteidigungsminister Dr. Manfred Wörner, wo er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig war. In den 90er Jahren fand er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte Verwendung und war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt. Schon während seiner Dienstzeit verfasste Farwick mehrere Bücher und andere Publikationen zu Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte. Im „Ruhestand“ engagierte er sich viele Jahre als Chefredakteur eines Newsservice für sicherheitsrelevante Themen und organisiert heute noch Tagungen zu diesem Thema an renommierten Instituten.
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