Michael van Laack
Unter konservativen Katholiken (vor allem den sogenannten Traditionalisten) gilt der Benediktiner Pius Parsch (1884-1954) als umstrittene Persönlichkeit, weil er durch seine publizistische Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur volksliturgischen Bewegung leistete.
Die liturgische Bewegung, die ab dem frühen 20. Jahrhundert öffentlich präsenter wurde, ihren ersten Höhepunkt Ende der 20er bis Anfang der 40er sah und viele liturgische Bücher (z. B. das Brevier) ins Deutsche übersetzte, um den “einfachen” Gläubigen das Mitbeten des Pflichtgebets des Klerus und der Ordensleute zu erleichtern, gilt in konservativen Kreisen deshalb als verpönt, weil einige ihrer Vertreter (zumeist in Ordensgemeinschaften wie den Benediktinern) bereits weit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) Heilige Messen in der Volkssprache feierten und so als Wegbereiter der in der Tat unseligen Liturgiereform 1969 betrachtet werden.
Zumeist zu Unrecht, denn dem überwiegenden Teil der Protagonisten der Bewegung schwebte keine vollkommen neue Luturgie vor. Aber das soll hier Thema sein, zumal mir Dritte berufener erscheinen, dazu etwas zu sagen.
Das Hauptwerk von Pius Parsch OSB ist der Dreibänder “Das Jahr des Heiles – Klosterneuburger Liturgiekalender”, in dem sich Betrachtungen zu allen Sonntagen, geprägten Zeiten und Heiligenfesten des Kirchenjahres finden. Es erschien in mehreren Auflagen auch über seinen Tod im Jahr 1954 hinaus.
Nachfolgend möchte ich den Lesern seine kurzen Erklärungen und Gedanken zum Fest des Hl. Bischofs Nikolaus in der Ausgabe letzter Hand (14. Auflage – I. Band: Weihnachtsteil – Klosterneuburg b. Wien – 1952) bieten, in deren Schlussteil Parsch einen Vorschlag unterbreitet, der leider in den kommenden Jahrzehnten keinen Anklang gefunden hat: Süßigkeiten, die für Kinder wie Sakramentalien wirken.
Freudiges Geben
Der Festtag des hl. Nikolaus ist im Bewusstsein des deutschen Volkes ein Freudentag unserer Kinder; die Äpfel, Nüsse und Lebkuchen sind schon eine Vorfreude des Weihnachtsfestes. Solche Familienfeste gehören auch zur Liturgie; wir wollen sie pflegen, aber auch religiös deuten und auswerten.
1. Todestag: Nach dem Martyrologium Romanum 6. Dezember um 350. Grabeskirche: Zuerst in Myra, seit 1087zu Bari in Apulien (Benediktinerkirche). Sein Fest wurde erst im 11. Jahrhundert in den römischen Kalender aufgenommen.
Leben: Über sein Leben ist außer seiner Existenz nichts geschichtlich Beglaubigtes bekannt. Die Legende erzählt: Nikolaus ist geboren in Patara in Lykien. Seine Eltern waren lange kinderlos und hatten ihn von Gott durch lange Gebete erfleht. Als Jüngling verlor er seine Eltern. Gern half er Unglücklichen und Bedrängten aller Art:
Mitgift für drei heiratsfähige Mädels und ein besänftiger Sturm
In seiner Vaterstadt lebte ein armer Edelmann, der drei heiratsfähige Töchter hatte; er konnte sie nicht verehelichen, da er keine Mitgift für sie hatte. Da kam er auf den verwerflichen Gedanken, die Unschuld seiner Töchter für Geld preiszugeben. Als Nikolaus dies erfuhr, warf er eines Nachts durchs Fenster einen Säckel mit so viel Gold, als für die Aussteuer einer Jungfrau nötig war. Dasselbe tat er in der zweiten und dritten Nacht.
Auf einer Meerfahrt stillte er durch sein Gebet den Sturm; deshalb gilt er als Patron der Schiffer. Er musste auch für den Glauben Kerkerhaft erdulden. Später wurde er auf wunderbare Weise Bischof von Myra; er nahm am Konzil von Nizäa teil und starb später in seiner Bischofstadt eines ruhigen Todes mit den Worten: „In deine Hände empfehle ich meinen Geist.” Im Orient wird Nikolaus überaus verehrt: als großer Wundertäter, als „Verkündiger des Wortes Gottes, Sprecher des Vaters”. Seine Verehrung reicht an die der Gottesmutter heran. In den Häusern hängen Marien- und Nikolausbilder nebeneinander.
Süßigkeiten, die wie Sakramentalien wirken
Anwendung: Dem volkstümlichen Nikolausfest könnten wir wieder mehr liturgischen Gehalt geben. Auf die erfreuenden Gaben dieses Tages wollen wir liturgische Segnung herabflehen, dass sie wie Sakramentalien für die Kinderwelt wirken. Auch liegt in dem freudigen Geben ein Stück echten Christentums.
2. Messfeier (Statuit): Wir sehen im Priester unseren ehrwürdigen Bischof zum Altare treten; Nikolaus wiederum ist das Abbild des göttlichen Hohenpriesters, der jetzt in der Messe mit uns vor das Tor von Jerusalem zieht, um das Erlösungsopfer darzubringen; und wir – Nikolaus geht voraus – tragen ihm das Kreuz des Lebens nach (Introitus).
Wir wollen aber auch mit Nikolaus der „getreue Knecht“ sein, der die Talente des Glaubens, der Gnade. gut verwaltet und verdoppelt hat; jetzt im hl. Opfer ,,kommt der Herr, um Rechenschaft zu fordern.” Jede Messe ist zugleich ein Gericht: „Die Hungrigen sättigt er mit Gütern, die Reichen lässt er leer ausgehen.“ Im Opfermahl lässt er uns teilnehmen an der Freude, die Nikolaus bereits im Schauen besitzt, wir erst im Glauben. Mögen wir „durch die Verdienste und Bitten des hl. Nikolaus vor dem Feuer der Hölle bewahrt werden” (Oration).