Peter Helmes
Die Ukraine hatte vor Weihnachten konkrete Vorschläge für einen Friedensgipfel im Februar ´23 unter Einbeziehung der UNO gemacht. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Heusgen, begrüßte dies. Im Deutschlandfunk sagte er, es sei gut, alles zu versuchen.
Nach Einschätzung des CDU-Außenpolitikers Röttgen kann es für Russlands Staatschef Putin jedoch keinen Weg zurück in die Staatengemeinschaft geben. Das gelte auch für den Fall, daß er den Krieg in der Ukraine jetzt überraschend beenden würde, sagte er im Deutschlandfunk. Den Zeitpunkt dafür habe Putin in der Vergangenheit verpaßt. Er könne nicht mehr sagen, es tue ihm leid, seine Politik sei ein Fehler gewesen.
Nie mehr Gas aus Russland
Der Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft, Bardt, fügte hinzu, selbst wenn ein Wunder geschähe und der Krieg von heute auf morgen beendet würde, wäre es ebenso wenig denkbar, daß Deutschland zu den alten Strukturen der Energielieferungen aus Russland zurückkehren könne. Mit Kriegsbeginn am 24. Februar sei eine Schwelle überschritten worden, hinter die es kein Zurück mehr gebe. Das bedeute auch, daß die Gaspreise nicht mehr auf das alte Niveau sänken, führte der Wirtschaftswissenschaftler aus.
Der russische Präsident bekräftigte erneut seine Bereitschaft, über ein Ende des Krieges zu verhandeln. Aber nicht mit Kiew, sondern „mit allen an diesem Prozeß Beteiligten“. In inzwischen traditioneller Weise für sich selbst und alle seine Mitarbeiter im Kreml spricht er nach wie vor der Ukraine die staatliche Souveränität ab.
Lawrow: Was wir erobert haben, geben wir nicht mehr her!
Putins Außenminister Sergej Lawrow formulierte es noch deutlicher: „Der Ball liegt auf der Seite Kiews und Washingtons, das hinter Kiew steht. Sie können diesen sinnlosen Widerstand jederzeit stoppen.“ Kein Vertreter der russischen Führung verliert auch nur ein Wort darüber, daß Russland der Aggressor war und daß der Westen Kiew nur zur Hilfe kam. Und vor allem: daß die Ukraine ein eigenständiges und unabhängiges Land ist.
Außenminister Sergiei Lawrow stellte die Bedingung, daß die von Moskau annektierten sogenannten „neuen Gebiete“ in der Ukraine weiterhin zu Russland gehören. Wörtlich teilte Lawrow mit:
Unsere Vorschläge zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der vom Regime kontrollierten Gebiete, zur Beseitigung der von dort ausgehenden Bedrohungen für die Sicherheit Russlands, einschließlich unserer neuen Gebiete, sind dem Feind wohl bekannt.
Und er drohte: „Die Sache ist einfach: Erfüllen Sie die Bedingungen. Andernfalls wird die Frage von der russischen Armee entschieden werden.”
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte seinen Truppen gerade weitere – nahezu unbegrenzte Mittel – versprochen. Also macht Russland die Abtretung seiner annektierten Gebiete durch die Ukraine zur Voraussetzung für Friedensverhandlungen. Kiew müsse „die Realitäten berücksichtigen, die sich vor Ort entwickelt haben“ (Kreml-Sprecher Dmitri Peskow).
Ende September hatte Moskau nach Scheinreferenden die Annexion der vier ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson erklärt, nachdem es 2014 bereits die Halbinsel Krim annektiert hatte. Russland hat jedoch keine vollständige militärische Kontrolle über diese Gebiete. Weite Teile der internationalen Gemeinschaft erkennen die Annexionen nicht an.
Gegensätzlicher können Verhandlungsbedingungen kaum sein
Kreml-Sprecher Peskow erklärte nun, die von ihm angesprochenen „Realitäten” seien, daß „die Russische Föderation aufgrund von Referenden, die in diesen Gebieten stattgefunden haben, neue Gebiete hat“. Er halte einen diplomatischen Fortschritt für „unmöglich“, solange Kiew „diese Realitäten nicht berücksichtigt“.
Die Ukraine fordert ihrerseits den vollständigen Abzug der russischen Armee und die Rückgabe sämtlicher von Moskau besetzten Gebiete.
Eine Friedenslösung scheint schwierig; denn Russland und der Westen bezichtigen sich gegenseitig, nicht wirklich dialogbereit zu sein. Kiew hat einen Friedensgipfel unter der Ägide der UNO vorgeschlagen, jedoch auch ein Kriegsverbrechertribunal als Bedingung für Friedensverhandlungen genannt. Der Kreml wiederum will die von ihm besetzten Gebiete partout nicht aufgeben.
Russland: Truppenabzug keine Option
Ein erster Schritt in Richtung Frieden wäre die Einigung auf einen Fahrplan für einen Waffenstillstand. Aber dabei sollten beide Seiten keine Vorbedingungen stellen, die für den Gegner inakzeptabel sind. Darüber hinaus müßten einige wichtige Länder in die Friedensgespräche eingebunden werden, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben sollen.
Peskow sagte in seiner Unterrichtung indes, es komme „nicht in Frage“, daß Russland seine Truppen – gedacht war an „vor Weihnachten“ – aus der Ukraine abziehe. Dies hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Rede vor den Mitgliedsstaaten der G7 gefordert.
Selenskyj hatte zudem seinen Mitte November vorgestellten Friedensplan mit zehn Punkten wiederholt, in dem es um die Wiederherstellung der territorialen Integrität seines Landes, das Schicksal von Gefangenen und die Ernährungssicherheit geht.
Die ukrainische Armee drängt die russischen Truppen seit mehreren Monaten zurück. Als Reaktion darauf mobilisierte Moskau 300.000 Reservisten, um seine Frontlinien zu festigen, und griff die Energieinfrastruktur der Ukraine an (afp/thp).
Die Ukraine braucht Militärhilfe über die Kriegszeit hinaus
Kiew muß nicht nur für die Dauer der aktuellen Feindseligkeiten gut gerüstet sein, sondern auch nach der Aushandlung eines Waffenstillstands mit Moskau. Schlagkräftige Waffen, gut funktionierende Sicherheitsbehörden und internationale Garantien sind notwendig, um nicht nur den aktuellen Krieg zu beenden, sondern auch den nächsten zu verhindern.
Auch wenn die Ukraine eines Tages der EU und NATO beitreten sollte, wird sie dennoch ein Frontstaat bleiben, während Russland weiterhin revanchistische Ambitionen hegen könnte. Europa braucht eine gut bewaffnete, international integrierte und sozial und wirtschaftlich tragfähige Ukraine, um die Sicherheit der europäischen Ostgrenze für viele Jahre oder sogar Jahrzehnte zu gewährleisten.
Offensichtlich will die Ukraine mit diesem Vorstoß den internationalen diplomatischen Druck auf Moskau erhöhen und möglicherweise auch Drittstaaten animieren, Gespräche mit Moskau aufzunehmen. So verständlich der Wunsch der Ukraine nach einer Bestrafung der brutalen russischen Aggression ist, so klar ist auch, daß es derzeit keine Friedenslösung ohne Moskau geben wird.
Klar ist: Nach einem Friedensschluß werden viele Kriegsverbrecher ungestraft bleiben
Der ukrainische Außenminister Kuleba hat Friedensverhandlungen unter der Vermittlung der UNO im neuen Jahr vorgeschlagen. Offensichtlich will die Ukraine mit diesem Vorstoß den internationalen diplomatischen Druck auf Moskau erhöhen und möglicherweise auch Drittstaaten animieren, Gespräche mit Moskau aufzunehmen. Daß Verhandlungen mit Russland generell möglich sind, zeigen das Getreideabkommen und der Austausch von Gefangenen.
So verständlich der Wunsch der Ukraine nach einer Bestrafung der brutalen russischen Aggression ist, so klar ist auch, daß es derzeit keine Friedenslösung ohne Moskau geben wird. Der Westen sollte Kulebas Vorschlag aufgreifen und nichts unversucht lassen, um Verhandlungen anzuschieben Dabei sollte Deutschland innerhalb Europas eine führende Rolle spielen.
Diese Konferenz könnte somit der erste Schritt zu Friedensverhandlungen mit Russland werden. Daß Kuleba den Kriegsgegner Russland zu dieser Ukraine-Friedenskonferenz nicht einladen will, erscheint auf den ersten Blick widersinnig – ein solcher Schritt wäre momentan aber noch verfrüht; denn damit wäre aus Sicht der Ukraine eine rote Linie überschritten worden.