Die Vorfastenzeit: Ein frühes Opfer der Flammenzungen des Zeitgeistes!

Michael van Laack

Heute begehen wir den Sonntag Septuagesima. Jedenfalls dort, wo die Kirche sich nicht vom Sozialismus und Modernismus hat infizieren lassen. Ab dem ersten Adventssonntag 1969 fiel auch die Liturgie der römisch-katholischen Kirche dem „Neuen Pfingsten“ und den Flammenzungen des Zeitgeists zum Opfer, dass die links“liberale“ Theologschaft im Nachgang des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965) als bedeutendstes kirchengeschichtliches Ereignis aller bereits vergangenen und noch kommenden Zeiten ausgerufen hatte.

In unseren Tagen fahren wir in Deutschland und vielen Ländern des Westens die Ernte ein: Leere Kirchen; immer weniger Taufen, Erstkommunionen, Firmungen und Hochzeiten, die Beichte ist in vielen Gemeinden fast nicht mehr bekannt. Lediglich bei den Beerdigungen bleiben die Zahlen vergangener Jahrzehnte noch relativ stabil. In Predigten wird immer seltener das Evangelium verkündet, sondern die Lebenswirklichkeit der heutigen Menschen in epischer Breite positiv beschrieben und politische Statements zum Gegenstand der Schriftauslegung.

Die Begriffe “Evangelisierung” oder gar “Mission” gelten vielen tatsächlichen oder angeblichen Führern unserer Kirche als Unworte, der Religionsunterricht reduziert sich zunehmend auf Bibelkritik. Kurzum: Die Flammenzungen des “Neuen Pfingsten” verbrennen die Kirche per à peu zu Asche. – Und das ist auch gut so, sagt der “Synodale Weg” in Deutschland, denn diese Asche soll den Boden fruchtbar machen, auf dem unsere neue und erstmals wirklich katholische Kirche wachsen, gedeihen und süßeste Früchte herborbringen wird… Und täglich grüßt das Murmeltier!

Von Reform zu Reform verschlechterte sich die Lage

Die Liturgie wurde von den Füssen auf den Kopf gestellt, die einheitliche Liturgiesprache der angeblich erst ab diesem Zeitpunkt einen Kirche in der einen Welt wurde zerstört. Nicht mehr Gott sollte es sein, den die Gemeinde mit ihrem Vorsteher anbetete, sondern sich selbst und die eigenen Bedürfnisse. Das bringt schon die geänderte Gebetsrichtung des Priesters zum Ausdruck und die mangelnde Ehrfurcht vor dem Leib Christi, der durch die Handkommunion zum Bestandteil einer gewöhnlichen Mahlfeier herabgewürdigt wurde. Die nachkonziliare Epoche brach über die Kirche wie ein Tornado herein. Schon früh erntete sie die ersten „süßen Früchte“. Tausende verließen die Klöster und das Priesteramt, die Seminare leerten sich in den frühen 70ern rasant.

Mit jedem Jahr nach 1969 degenerierte die Liturgie mehr und mehr. Je größer die Beteiligung der Laien und ihr Einfluss, umso dramatischer wurde es. Das alles aber trieb den Episkopat, die Priester und Laientheologen nur dazu an, noch radikaler zu reformieren. Denn für sie war und ist immer noch klar: Die Kirche zerfällt nicht wegen der Reformen, sondern nur, weil die Reformen nicht radikal genug sind und schnell genug kommen.

Der Tridentinische Ritus ist nicht vorkonziliar

Und nun möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf einen Irrtum hinzuweisen, der fast Allgemeingut geworden ist: es heißt, der aktuell so genannte „außerordentliche Usus im Römischen Ritus“ sei die „vorkonzilare“ Messe, während der aktuelle „ordentlicher Usus“ genannte Novus Ordo die „nachkonziliare“ Messe darstelle. Richtig ist: Die Tridentinische Messe ist der Ritus DES II. Vatikanischen Konzils. Vorkonziliar nannten und nennen diesen “Usus” vor allem jene Theologen, die kirchen- und liturgiegeschichtlich „hell-dunkel“-Assoziationen etablieren wollen. Vor dem Konzil war alles dunkel, mit dem Konzil wurde alles hell. Die dunkle Messe muss deshalb also unbedingt VOR dem Konzil verortet werden.

Die Vorfasteneit

Mit dem heutigen Sonntag Septuagesima treten wir also in die Vorfastenzeit ein. Da die meisten Katholiken 54 Jahre nach deren „Abschaffung“ nicht mehr wissen dürften, was es mit dieser den Osterfestkreis einläutenden geprägten Zeit auf sich hat, möchten wir unseren Lesern heute wieder einmal einen Text aus einem nur noch antiquarisch erreichbaren Werk zur Verfügung stellen. Nachfolgender Text ist Pius Parsch „Das Jahr des Heiles“ entnommen. Es handelt sich um den II. Band der Auflage letzter Hand, erschienen in Klosterneuburg bei Wien, 1952.

Vorhalle zur Fastenzeit

Der Herr sprach zu Adam: Von dem Baum, der in der Mitte des Paradieses steht, sollst du nicht essen; sobald du davon genießest, wirst du sterben.

Der Herr sprach zu Noah: Das Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen. Mach dir eine Arche aus Zypressenholz, damit in ihr gerettet werde aller Samen.

Der Vater unseres Glaubens, der große Abraham, brachte ein Brandopfer an Stelle seines Sohnes auf dem Altare dar.

Die Kirche hat vor die Fastenzeit eine Vorhalle gebaut, um einen Übergang zu schaffen von der freudigen Weihnachtszeit zu der ernsten Quadragesima. Wir nennen diese Zeit eigentlich zu Unrecht Vorfasten, weil ja noch keine Fastenzeit ist. Es sind drei Sonntage, die den Namen tragen: Septuagesima, Sexagesima, Quinquagesima; das heißt übersetzt: der siebzigste, der sechzigste und der fünfzigste Tag vor Ostern. Freilich, genau nachgerechnet, stimmt die Zahl nicht; aber weil der erste Sonntag in der Fasten Quadragesima heißt, so nannte man die drei vorhergehenden Sonntage mit der abgerundeten Zahl. Wenn wir die Liturgie dieser drei Sonntage betrachten, so finden wir ein schön gebautes Ganzes.

Im Messbuch beweisen schon die drei großen Stationskirchen: Zum hl. Laurentius, Paulus und Petrus (in aufsteigender Linie), welche Bedeutung die Kirche diesen Sonntagen beimisst. Diese drei Sonntage bilden gleichsam ein Vorspiel zum ganzen österlichen Kreis; ein Vorspiel in doppeltem Sinne:

Adam, Noah, Moses:  Einladung, Aufgabe, Ziel

1. Vor allem führt uns die Kirche im Spiegel des Alten Bundes vor, was unser in der kommenden Zeit wartet. Drei große Patriarchen der Urzeit stehen vor uns auf: Adam, Noah, Abraham. Und da werden wir gewahr, dass sie Vorbilder der „künftigen Güter“ sind. Adam ist wohl der Urheber der Sünde, doch er bildet auch den zweiten Stammvater des Menschengeschlechtes vor, Christus. Noahs Rettung durch die Arche ist Bild der Erlösung der Menschheit in der Taufflut und in der Kirche. Abrahams Opfer lässt uns den Opfertod Jesu Christi ahnen. Weich ein herrliches Triptychon bietet uns die Kirche! Christus ist der wahre Adam, der wahre Noe, der wahre Abraham.

2. Aber auch die Evangelien dieser drei Sonntage zeigen in großer Perspektive die kommende Zeit an: Einladung – Aufgabe – Ziel. Am ersten Sonntag ergeht an uns die Einladung Gottes, einzutreten in den Weinberg des Gottesreiches. Am zweiten Sonntag sagt uns die Liturgie, was Gott tun will: Die Kirche und Seele ist ein großes Saatfeld; der göttliche Sämann will jetzt säen, um vielfältige Frucht zu ernten.

Kriegsbittsonntage

Und das Ziel dieser Arbeit? Die Erleuchtung in der Taufe, die Erleuchtung zu Ostern, die Verklärung im Himmel. So sind auch diese drei Sonntagsperikopen wie aus einem Guss. An erster Stelle sind sie freilich für die Katechumenen da, sie wollen aber auch den Gläubigen ein Programm für die kommende Zeit der Erneuerung bieten. Die Liturgie der Vorfastenzeit mit ihren edel gebauten Messtexten stammt aus der Zeit Gregors des Großen wahrscheinlich von ihm selbst. Inhaltlich sind sie ein Spiegelbild jener von Kriegen und Heimsuchungen bewegten Zeit der Völkerwanderung. Es sind Kriegsbittsonntage.

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