Die Deutschen und ihre Streitkräfte – eine Hommage an unsere Bundeswehr

Unser Bild vom deutschen Soldaten: Mörder, Brunnenbauer, Beschützer

Peter Helmes

Egal ob in Afghanistan oder bei Katastrophen wie zuletzt im Ahrtal, seit Jahren leisten unsere Soldaten einen wertvollen Beitrag für Deutschland. Und kein Zweifel, die Bundeswehr muß ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sein – ebenso alle Sicherheitskräfte wie Polizei, Grenzschutz, Verfassungsschutz etc. Sie müssen von der Gesellschaft ohne Vorbehalt anerkannt werden. Auch deshalb war die zentrale Feier so wichtig.

Bei aller Kritik sollte jedoch ein Grundkonsens herrschen: Eine symbolische Würdigung eines solchen Einsatzes muß sein, egal, wie man ihn politisch bewertet. Und was nicht unterbewertet werden darf: In Afghanistan waren es militärische Mittel, die dafür gesorgt haben, daß zwanzig Jahre lang keine Menschen an Kräne gehängt wurden und Frauen studieren konnten.

Eine aufrechte Würdigung des Engagements und eine kritische Auseinandersetzung mit der Mission sind zwei Seiten derselben Medaille. Daß der mißlungene Einsatz in Afghanistan jetzt wie ein Menetekel für den aktuellen Einsatz in Mali wirkt, sollte unsere politische Klasse zu größter Wachsamkeit veranlassen.

Die Bundeswehr gehört in die Mitte der Gesellschaft

Die Bundeswehr und die Sicherheitskräfte unseres Landes erledigen ihre schwierigen Aufgaben zuverlässig. Sie verdienen Respekt und Wertschätzung. Wer sie nicht achtet, unterminiert zentrale Institutionen des deutschen Staates.

Die Deutschen schauen jedoch meist kritisch auf ihre Bundeswehr – auch wenn sich das Ansehen der Soldaten gebessert hat, nicht zuletzt seit Russlands Krieg gegen die Ukraine. Wir haben offensichtlich ein gespaltenes Verhältnis zur Bundeswehr. Nach der NS-Diktatur sahen viele eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik kritisch. Debatten um die Akzeptanz und Ausrichtung der Bundeswehr begleiten ihre Geschichte von Anfang an.

Derzeit wäre laut einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gut jeder zehnte Deutsche bereit, im Angriffsfall zur Waffe zu greifen. Nur gut ein Drittel hat ein großes oder sehr großes Vertrauen in die Bundeswehr, so der aktuelle ARD-Deutschland-Trend.

Was ist das für ein Bild, das sich die Deutschen von der Bundeswehr machen? Und wie hat es sich im Laufe der Jahrzehnte verändert?

Lange her, aber nicht vorbei: Jede Woche stellen wir Fragen der Gegenwart und suchen Antworten in der Geschichte. Dabei lernen wir Menschen kennen, deren Leben so heldenhaft, verwerflich oder traurig war, daß wir sie nicht vergessen dürfen.

Die Deutschen haben ein ambivalentes Verhältnis zum Militär. Nach dem Zivilisationsbruch der NS-Zeit wollte man lieber Entwicklungshelfer in Uniform. Doch der russische Angriff auf die Ukraine hat vieles verändert – auch unser Bild vom Soldaten.

Die Strategie des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer war jedoch eine andere. „Er hat den Amerikanern eine Mohrrübe vorgehalten, indem er zugesagt hat, eine Bundeswehr aufzubauen und dafür die Souveränität zu bekommen. Und in diese Mohrrübe haben die Amerikaner reingebissen“, sagt Sönke Neitzel, Historiker mit Schwerpunkt Militärgeschichte an der Universität Potsdam.

Mit dem Ende des Besatzungsstatuts war der Weg für eine Mitgliedschaft in der NATO frei. 1955 trat die Bundesrepublik Deutschland dem Bündnis bei – und durfte auch eigene Streitkräfte aufstellen.

Die Bundeswehr in der NATO – mißachtet vom Staat

Die NATO – einst war sie das westliche Bündnis gegen die Aggressionen der UdSSR. Die Militärblöcke standen sich in Deutschland bis zur Atombewaffnung gegenüber. Das nach dem Krieg entwaffnete Deutschland-West wurde in die Verteidigungsplanung mit einbezogen.

Es wurde die Bundeswehr aufgebaut, die ihre Aufgabe innerhalb des westlichen Verteidigungsbündnisses zu erfüllen hatte. Es waren die besten Offiziere der ehemaligen Wehrmacht, die damals die Organisation und Ausbildungspläne ausarbeiteten. Ihre Vergangenheit im 3. Reich spielte dabei keine Rolle, im Gegenteil, ihre Erfahrungen insbesondere mit den militärischen Aktionen gegen die Rote Armee waren den amerikanischen Regisseuren gerade recht.

Es herrschte keine Gegnerschaft mehr unter der jetzt entstandenen Waffenbrüderschaft. Es waren die von den Soldaten der Wehrmacht bewiesenen soldatischen Tugenden wie Befehlsgehorsam, Treue zum Vaterland, Tapferkeit und Mut. Ihre Leistungen hatten sie in der Bewältigung der Eroberung des Kontinents von Hammerfest bis Tripolis vom Atlantik bis zur Wolga bewiesen. Es war die materielle Überlegenheit der Gegner, die die Wehrmacht letztlich bezwungen hatte. Die Kriege, in die sie geführt wurden, hatten nicht die Soldaten der Wehrmacht erklärt. Sie waren wie heute Diener der Politik.

Die deutsche Bundeswehr hatte im NATO-Bündnis einen hohen Stellenwert. Niemals wurde sie von ihren jetzigen Partnern, ihren ehemaligen Feinden, wegen der Relation zum 3. Reich angefeindet und verleumdet. Rd. 500.000 Angehörige dieser Wehr standen zur Verteidigung des sog. demokratischen Westens zur Verfügung. Sie führten mit großer Verantwortung die Aufgabe aus, den demokratischen Staat auf dem Weg in seine Zukunft zu sichern.

Das änderte sich, als die Geister der Frankfurter Schule in den 60 Jahren erschienen  und den Stab über die deutsche Vergangenheit und die Menschen, die sie erleben mußten, brachen.

In vollem Bewußtsein um die Konsequenzen für eine Nation bekämpften sie alle christlich-ethischen Grundwerte, auf denen das Deutschland des 19. Jahrhunderts Großes für sich und die Welt geleistet hatte. Sie wußten aus der Erkenntnis der eigenen Geschichte, daß Werte wie Familie und Identität mit dem eigenen Volk es über Jahrtausende bestehen ließen.

Mit den Leistungen der Deutschen für die ihnen vorgeworfenen Verbrechen entwickelten sie eine sehr erfolgreiche, wie Finkelstein es nannte, Holocaustindustrie.

Sie starteten einen psychologischen Krieg gegen das Selbstbehauptungsrecht der Deutschen und fanden in den Reihen ihrer Gegner in der politischen linken Szene Helfershelfer genug, ihre Ideen durchzusetzen. Eines ihrer Ziele war es, den Ruf der deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges zu zersetzen. Die Idee des Bürgers in Uniform war vergessen.

„Soldaten sind Mörder“ – Kein Soldat kann sich in seiner Uniform auf der Straße sehen lassen

Jedes sog. „Feierliche Gelöbnis“ wird von der Randale der linken Antifa-Truppen systematisch gestört. So werden in der alten Garnisonstadt Marburg 4000 Gefallene seines Bataillons in zwei Kriegen von der dominierenden linken Stadtadministration pauschal als Kriegsverbrecher bezeichnet. Und so steht die größte Beleidigung des Militärs weiter im politischen  Raum: Soldaten sind Mörder.

Nach dem Fall der Mauer setzte die Hetze gegen die Geschichte der Deutschen wieder ungehindert ein: Die Bundeswehr erschien in den Augen der von der ehemaligen SED zersetzten Szene als eine Institution, die möglicherweise ihrer vaterländischen Pflicht gerecht werden konnte. Sie wurde so bald wie möglich in eine bezahlte Landknechtstruppe umfunktioniert, bis auf ein Minimum personalmäßig reduziert. Die waffentechnische Ausrüstung verrottet bis zur totalen Wehrunfähigkeit.

Die Angst vor einer nationalen Armee ergriff die Verantwortlichen der Zerstörung unserer Demokratie. Eine soldatische Tradition auf Ehre, Mut und unter Einsatz des Lebens zu erfolgende Befehlstreue wurde ihnen untersagt. Die indoktrinäre Gehirnwäsche ging bis zum Verbot, die einstigen Soldatenlieder wie „Schwarzbraun ist die Haselnuß“ zu singen. Die antideutsche Perversion hatte psychopathisches Ausmaß erreicht.

Bundeswehrgegner: Appell an das Gewissen der Deutschen

Martin Niemöller, prominenter evangelischer Theologe und NS-Widerstandskämpfer, appellierte Ende der 1950er-Jahre in seiner Kasseler Rede an das Gewissen der Deutschen:

Denn sie wissen, was sie tun! Mütter und Väter sollen wissen, was sie tun, wenn sie ihren Sohn Soldat werden lassen. Sie lassen ihn zum Verbrecher ausbilden.

Klar war jedenfalls, daß die Soldaten der Bundesrepublik ganz anders sein sollten als die Soldaten der Wehrmacht unter der Nazi-Diktatur. „Da haben wir die Schlagworte von der Inneren Führung, vom Staatsbürger in Uniform“, sagt der Historiker Sönke Neitzel – sie beschreiben das Leitbild der deutschen Armee.

Nach der Gründung der Bundeswehr 1955 baute auch die DDR ihre Nationale Volksarmee (NVA) auf. „Offiziell waren alle dafür und Wehrdienstverweigerung gab es nicht“, so Neitzel. Doch viele hätten den Wehrdienst in der NVA als Gefängnis erlebt. „Bei aller Kritik, die man auch hatte gegen die NVA, war das Militär in der Gesellschaft aber selbstverständlicher.“

Friedensproteste in den 1970er- und 80er-Jahren

In den 1970er- und 80er-Jahren regte sich in der Bundesrepublik größerer Widerstand. Weite Teile der Gesellschaft wünschten sich Abrüstung, und so protestierten Hunderttausende gegen den NATO-Doppelbeschluß. Der legte fest: Der Westen rüstet ab, wenn auch die Mitglieder des östlichen Militärbündnisses Warschauer Pakt abrüsten. Aber erst mal wurden neue Atomraketen aufgestellt. Die Bedrohung war allgegenwärtig. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer stieg, ihr Image blieb zunächst jedoch schlecht.

Auch in der DDR gab es eine Friedensbewegung, allerdings nicht so wirkmächtig wie im Westen, wo sich die Anhänger der 68er-Bewegung nicht nur gegen den Vietnamkrieg, sondern auch gegen die Bundeswehr wandten. Es gab Farbbeutelanschläge und Flugblattaktionen gegen die Armee.

Der Arzt Peter Augst war damals unter den Friedensaktivisten. Daß er einmal in die deutsche Geschichte eingehen würde, ahnte er nicht, als er 1984 an einer Podiumsdiskussion über Krieg und Frieden teilnahm. Dort sagte er einen Satz, der Schlagzeilen machen sollte:

Jeder Soldat ist ein potenzieller Mörder.

– eine Anlehnung an das Zitat des Schriftstellers Kurt Tucholsky, der 1931 geschrieben hatte: „Soldaten sind Mörder“.

Das Bundesverfassungsgericht entschied in den 1990er-Jahren, daß der Satz von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Die lange gesellschaftliche und politische Debatte darüber ist ein weiterer Beleg für das ambivalente Verhältnis der Deutschen zu ihrem Militär.

Sinnsuche nach dem Mauerfall

Als die Berliner Mauer fiel und Deutschland 1990 die Wiedervereinigung feierte, fragte sich mancher, ob man überhaupt noch eine Truppe braucht. In den NVA-Kasernen wurden die Fahnen eingeholt – die DDR-Staatsarmee wurde de facto aufgelöst. Nach Glasnost und Perestroika, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und schließlich der Wiedervereinigung war die Welt eine andere.

Und die Bundeswehr?

Leben ohne Feindbild, was soll da aus der Bundeswehr in den 90er-Jahren werden, wenn unsere Nachbarn im Osten einen Krieg mit uns nun einmal partout nicht mehr ins politische Kalkül einbeziehen wollen?

fragte damals der SWR.

Aus der waffenstarrenden Armee zur Landesverteidigung mit mehr als 2.000 Leopard-Panzern wurde eine Art Entwicklungshilfeorganisation in Uniform. Brunnenbauer oder Sandsackschlepper im Katastrophenfall? Nicht wenige hätten das wohl gern gesehen. Doch es kam anders.

Umstrittene Kampfeinsätze im Kosovokrieg und in Afghanistan

1999 schickte der Bundestag deutsche Soldaten in ihren ersten und hochumstrittenen Kampfeinsatz im Ausland – in den Kosovokrieg. Als die Bundeswehr 2001 nach Afghanistan ging, sagte SPD-Verteidigungsminister Peter Struck dazu im Februar 2002 den legendären Satz:

Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird heute auch am Hindukusch verteidigt.

Kämpfen, töten, sterben – all das aber blieb für die meisten Bundesbürger weit weg und eher theoretisch. Was Soldaten denken und erleben, das habe viele in „Politik und Medien nie ehrlich interessiert“, sagt Militärhistoriker Sönke Neitzel.

Der Friedensaktivist Peter Augst war und ist nicht grundsätzlich gegen die Bundeswehr. „Wir brauchen Soldaten“, betont er, aber eben keine Wehrpflicht, sondern eine Berufsarmee. Deshalb sei er froh gewesen, als Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister der CSU 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt habe.

Die Landesverteidigung war lange Zeit kein Thema, jedenfalls nicht seit der Wiedervereinigung. „Wir waren sehr oft Moralweltmeister“, meint der Militärhistoriker Sönke Neitzel. „Die Frage, was wir eigentlich machen, wenn andere Potentaten zu kriegerischen Mitteln greifen, diese Frage wurde in Deutschland nie ehrlich gestellt.“ Bis zum Tag der russischen Invasion in der Ukraine.

Neue Debatte seit dem russischen Angriff auf die Ukraine

Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die Debatte über die Bundeswehr noch einmal grundlegend verändert. Das zeigen nicht zuletzt die „Zeitenwende“-Rede von Kanzler Olaf Scholz und das 100-Milliarden-Budget für die Armee.

Nun wird intensiv über Landes- und Bündnisverteidigung, über die Tauglichkeit der Bundeswehr und sogar über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Der russische Überfall hat vielen gezeigt: Krieg ist möglich, auch wenn man ihn nicht will.

Sympathie für die Bundeswehr steigt

Auch Hülya Süzen, Leutnant der Luftwaffe bei der Bundeswehr, nimmt einen Stimmungswechsel in der deutschen Öffentlichkeit wahr. Sie erlebe derzeit viel Wohlwollen und Sympathie. Sie kämpfe aber auch dafür, daß man gegen die Bundeswehr sein kann. „Das ist eben Meinungsfreiheit.“ Und sie sei stolz darauf, Deutschland zu dienen. „Die Bundeswehr wurde in der Demokratie geboren“, betont sie.

Rassismus erlebe sie dort nicht, sagt die muslimische Frau mit kurdisch-türkischen Wurzeln. Doch laut Verfassungsschutz gab es Fälle von Rechtsextremismus. In Kasernen beispielsweise Symbole, die die Wehrmacht und die Armee des Kaiserreichs verklären oder auch Hakenkreuze auf dem Fußballplatz.

Von Rechtsrock und Hitlergrüßen wurde berichtet und auch von Chatgruppen, in denen sich Soldaten des Kommando Spezialkräfte über einen Tag X austauschten, an dem die staatliche Ordnung zusammenbrechen soll. 17 Verfassungsfeinde hat die Bundeswehr 2021 entdeckt. Das kratzt weiterhin am Image der Bundeswehr.

Eine breite Mehrheit hat eine positive Einstellung zur Bundeswehr

Das sagt zumindest eine Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften von 2022. Wie erwähnt, wäre im Falle eines militärischen Angriffs auf Deutschland laut Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gut jeder zehnte Bundesbürger darauf eingestellt, sein Land mit der Waffe in der Hand zu verteidigen – freiwillig würden sich in so einem Fall allerdings lediglich fünf Prozent zum Kriegsdienst melden. Der Blick auf die Bundeswehr bleibt weiter zwiegespalten.

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