Peter Helmes
Die FDP hat auf ihrem Bundesparteitag vom 21. bis 23.04.23 mehrere Forderungen beschlossen, die dem Kurs der Ampelkoalition entgegenstehen. So fordert sie einen generell wachstumsorientierten Kurs und setzt sich von vielen Beschlüssen der Ampelkoalition ab. Fast alle Delegierten billigten den Leitantrag des Parteivorstands. Darin werden Steuererhöhungen abgelehnt und die Einhaltung der Schuldenbremse befürwortet.
Klar wurde auch erneut: Die FDP will mitregieren, aber auch den liberalen Markenkern bewahren – ein schwieriges Unterfangen.
Gegen Links in der Zukunftskoalition die Mitte vertreten – Geht das?
Generalsekretär Djir-Sarai sagte, die FDP sehe ihre Rolle darin die „Mitte des Landes“ vor weiteren Belastungen durch die Regierung zu schützen. Finanzminister Lindner hatte jüngst Ausgabenwünsche der Koalitionspartner SPD und Grüne zurückgewiesen.
In ihrem Parteitagsbeschluss fordern die Freien Demokraten außerdem, die Gentechnologie in der Nahrungsmittelproduktion auszuweiten, Schiefergasförderung in Deutschland möglich zu machen und das Straßennetz weiter auszubauen. Den vergangene Woche vollzogenen Ausstieg aus der Kernkraft bezeichnete Djir-Sarai als „strategischen Fehler“.
Und Parteichef Lindner tut das, was nach seiner Meinung bei Wählern und Parteimitgliedern gut ankommt: Er pocht auf die Schuldenbremse und erteilt weiteren Sozialmaßnahmen wie der Kindergrundsicherung eine Absage – also kein Schmusekurs mit den Ampelmännchen und -frauchen. Ergo stehen der Koalition nach diesem Parteitag weitere Streitigkeiten bevor. Zwar hat die FDP in der Ampelregierung einige Erfolge feiern können – etwa den Autobahn-Ausbau. In der Wählergunst hat ihr das aber nichts genutzt.
Glaubwürdigkeitsproblem
Wie auch? Die Liberalen sind ja ein Teil dieser Ampel-Koalition, die immer wieder mit sich selbst und zunehmend mit den Bürgern im Clinch liegt. Letztlich hat die FDP als liberale Stimme der Mitte ein Glaubwürdigkeitsproblem. Diejenigen, die eine bürgerliche und marktorientierte Politik schätzen, tendieren zur Union; Linksliberale zu den Grünen. Da bleibt für die Liberalen selbst wenig Platz.
Eine „Profilschärfung“ hatte sich die FDP für ihren Parteitag vorgenommen. Welches Profil meint die Partei denn bitte? Zwar liefert sie sich immer wieder schlagzeilenträchtige Scharmützel mit den Grünen, wie bei den Themen Atomausstieg oder Heizungstausch, doch wenn’s zum Schwur kommt, nickt sie die gemeinsamen Ampel-Gesetze ab – um kurz danach wieder dagegen zu stänkern.
Das größte Problem der Partei – und damit auch der Ampel – ist die kulturelle Kluft zu den Grünen. Viele Liberale pflegen mit Wonne wohlfeile Klischees von den Müsli-Ökos, die eine Gefahr für den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands darstellen. Dabei gibt es große Überschneidungen bei der Anhängerschaft, die überdurchschnittlich verdienend und gebildet ist.
Mit Lindner widerspruchslos in den Parteitod?
Lindner bekommt natürlich Applaus, aber er reißt die Delegierten nicht mehr so mit wie früher. Man merkt dem FDP-Chef seinen ständigen Balanceakt zwischen den Erwartungen seiner Basis und den Erfordernissen des Regierens als Bundesfinanzminister in einer schwierigen Dreierkoalition an. Seit die Partei das komplizierte Bündnis mit SPD und Grünen eingegangen ist, verliert sie eine Landtagswahl nach der anderen. Nicht ausgeschlossen, daß die Liberalen bei der Bundestagswahl 2025 erneut ein Debakel erleben.
Die Stimmung unter den Berliner Parteitagsdelegierten war erwartungsgemäß gut, aber beileibe nicht euphorisch. Dieser Parteitag war einer der langweiligsten seit vielen Jahren, und man folgte Parteichef Lindner widerspruchs- und anspruchslos. Dementsprechend blieben die sonst üblichen – und belebenden – kontroversen inhaltlichen Debatten weitgehend aus..
Viele Delegierte stimmten mit den Füssen ab
Sich bloß nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigen – das war schon im Vorfeld die Prämisse, die Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ausgegeben hatte. Dementsprechend hörte dem Wiedergewählten bei seiner heutigen Rede zur Einbringung des Leitantrags auch fast niemand zu – die Reihen des Plenums waren fast leer.
Die Delegierten verpaßten nichts. Wie schon am Vortag bei Lindner erlebt, wiederholte Generalsekretär Djir-Sarai bekannte FDP-Forderungen. Vor allem mit den Themen solide Finanzen und wachstumsorientiertem Wirtschaften wollen die Freien Demokraten überzeugen. Dazu eine kräftige Prise Zukunftsoptimismus und Abgrenzung von politischen Mitbewerbern.
Wie die gut gelingen kann, ist für die Partei immer noch eine Gratwanderung. Die Reden der Parteiführung wirkten mitunter wie Schattenboxen – weil mit Chiffren wie Lastenrad und Verbotspolitik so offensichtlich die Grünen gemeint waren, ohne sie aber beim Namen zu nennen.
Heizung, Heizung über alles – Das ist nicht genug!
Nur bei der Debatte über Heizungen – dem Irrsinn aus dem Habeck-Ministerium – war da plötzlich die Aufmerksam gestiegen, der Jubel im Saal groß. Das Feindbild der Grünen, das Feindbild Habeck, es gefällt noch immer vielen in der Partei. Es fällt ihnen weiterhin schwer, mit den Grünen zusammenzuarbeiten, auch weil die Grundvorstellungen so weit auseinandergehen.
So versucht die FDP weiterhin, als Teil der Ampelregierung ihren Rhythmus zu finden – einen Weg der Abgrenzung von den Regierungspartnern, der die Partei trotzdem konstruktiv aussehen läßt. Wenn das in der Sache dazu führt, die unvermeidlichen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungspartnern konstruktiver zu machen, wäre das eine gute Entwicklung.
Die Grünen als Reibungsfläche
Mit den Grünen streitet man sich weiterhin zu gerne. Eine Reibung an einem äußeren Gegner, die nach innen zu stabilisieren scheint. Denn wirklich bemerkenswert ist an diesem Wochenende, wie widerspruchslos, fast anspruchslos die Partei ihrem Vorsitzenden folgt.
Christian Lindner ist in der Partei so unumstritten, daß nicht einmal die schlechten Landtagswahlergebnisse der letzten Monate ihm etwas anhaben können. Auf dem Parteitag konnte sich der brillante Rhetoriker eine stinklangweilige Rede erlauben und bekam trotzdem ein sehr gutes Ergebnis. Die Partei des Wettbewerbs hat sich inzwischen in eine Art Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Vorsitzenden gebracht. Damit sollte sie aber vorsichtig sein. Genau das hat der CDU nicht gutgetan. Irgendwann war die
Die CDU ist mitsamt ihrer Dauervorsitzenden Merkel eingeschlafen – ein Schicksal, das auch der FDP drohen könnte.