Michael van Laack
Auf den ersten Blick könnte man meinen: Was geht die Leser eines Blogs der Ärger eines Bloggers mit der Staatsanwaltschaft an? Tatsächlich mehr, als viele denken! Denn wir leben augenscheinlich in einem System, in dem wenige mittlerweile alles ungestraft sagen und tun können (wenn es dem politischen Willen der Regierungen in Bund und Land entspricht), während man bei denen, die man als unangenehme Kritiker politischer Entscheidungen identifiziert hat, auch am klitzekleinsten Ast “aufzuhängen” trachtet.
Jeden kann es mittlerweile treffen: Ein unbedachtes Wort, ein unterschobenes Zitat – gar (wie in diesem Fall) – ein nicht einmal persönlich zweifelsfrei zuzuordnendes Facebookposting und schon beginnt die mit grünem Wasserstoff betriebene Maschine zu rattern.
Er hat von Schirachs Verse zitiert – Steinigt ihn!
Post von der Staatsanwaltschaft verheißt selten Gutes. Vor allem nicht in Form eines Strafbefehls. Der flatterte mir heute ins Haus. Vor 32 Monaten hätte ich auf Facebook ein übles Posting verbreitet, das unter den Paragrafen 86 StGB falle: den Refrain eines HJ-Liedes, in dem zudem der Name des Führers des um knapp 988 Jahre verkürzten 1000jährigen Reiches durch den Namen der 16 Jahre amtierenden Führerin und letzten Verteidigerin der freien Welt ersetzt wurde.
Letzteres aber ist selbstverständlich gewiss nicht der Grund dafür, dass die Staatanwaltschaft um die Zahlung von 70 Tagessätzen + Verfahrenskosten für das klamme Staatssäckel “bittet”. Denn es geht ausschließlich ums Prinzip., oder?
Denn unter keinen Umständen kann zugelassen werden, dass der Refrain des 1933 von Baldur von Schirach geschriebenen Liedes “Vorwärts, Vorwärts” in einem öffentlichen Posting zu lesen ist. An diesem und ähnlichen Beiträgen könnten sich Dritte erbauen, die den Nationalsozialismus für die beste aller Regierungsformen halten.
Mit solchen Verschriftlichungen – so offensichtlich die gängige Meinung der Judikative – werden nicht selten Codes verbreitet, die Nationalsozialisten stolz machen, demokratiefeindliche Gesinnung belegen und gar bis dahin demokratisch gesinnte Bürger verführen, der besten aller Staatsformen abzuschwören und in undeutschem Geiste geistig hinter der schwarz-weiß-roten Standarte mitzumarschieren. Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole nennt man diesen auch Lieder umfassenden Tatvorwurf im Kreis der Mitarbeiter von Justitia.
Kann man aus einer einzigen Note eine Symphonie rekonstruieren?
Zwar geht es (folgt man dem BGH mit Bezug auf das Horst-Wessel-Lied) eigentlich darum, dass das öffentliche Absingen solcher Lieder wegen deren Übereinstimmung mit der Ideologie des Nationalsozialismus strafbar und die Strafbarkeit auch dann gegeben ist, wenn nur die Melodie des Liedes gespielt oder das Lied mit einem anderen Text gesungen wird… Aber wer will denn so kleinlich sein im “Kampf gegen rechts”.
Abgesehen von der Kuddelmuddel-Erläuterung des Amtsgerichts (das augenscheinlich nicht sauber zwischen Facebookseiten und Blogs sowie URLs und Administratoren zu unterscheiden vermag, deshalb “Philosophia Perennis”, “Aus Zeit und Ewigkeit” sowie “conservo” zu einem ungenießbaren Argumentationsbrei zusammenrührt und Zeitschienen in der falschen Reihenfolge – nachher/vorher – zusammenbastelt, da “Aus Zeit und Ewigkeit” nicht bis 2021 , sondern nach 2021 in Erscheinung trat) ist vor allem ein Umstand interessant, den die Staatsanwaltschaft in ihrem Jagdeifer augenscheinlich nicht zu würdigen wusste:
Die elektronische Verbreitung dieses Liedes in Textform erfolgt seit vielen Jahren völlig unbeanstandet durch das Volksliederarchiv des Müller-Lüdenscheid-Verlages, noch dazu unter einer deutschen Internetadresse. Freilich mit dem lapidaren Hinweis, das Lied sei verboten; und dennoch kann sich dort jeder – ob er sich für einen Arier und Bessermenschen im nichtlinken Sinn hält oder nicht – seit vielen Jahren an heroisch-germanischem Liedgut aller Art in Textform erbauen. Augenscheinlich ist man auch bei Müller-Lüdenscheid der Ansicht, dass lediglich das Absingen des Liedes oder die Verbreitung von Musik- bzw. Videodateien verboten sei.
Es braucht also nicht den Teaser eines Facebook-Postings, von dem nicht einmal nachvollziehbar ist, ob er von mir oder einem Dritten verfasst wurde. Ich erinnere mich jedenfalls nicht daran, diesen Beitrag formuliert zu haben. Auch ist er seit längerer Zeit nicht mehr in der Timeline, da in den vergangenen Jahren zahlreiche Administratorenprofile gelöscht wurden und mit ihnen auch die Beiträge untergingen.
Nein, es braucht wirklich nicht den Herrn van Laack. Der Streamingdienst Spotify bietet seinen Abonnenten sogar die Möglichkeit an, sich dieses und andere Lieder aus der Non-Vogelschiss-Periode nicht nur fragmentarisch oder ganz durchzulesen, sondern anzuhören, mitzusingen und dabei mit seinen Freunden (mit oder ohne deutschen Wein und deutsche Mädel) von was auch immer zu träumen.
Von YouTube oder archive.org (auf die der deutsche Staat selbstverständlich wenig bis keinen Einfluss hat), will ich erst gar nicht reden.
Kleine Fische sind im “Kampf gegen rechts” lohnender Beifang
Wie auch immer! Warum ich aus diesem eher privaten Vorgang einen Artikel auf conservo mache? Weil sich an diesem Beispiel gut belegen lässt, wie deutsche Staatsanwaltschaften zunehmend instrumentalisiert werden oder gar im vorauseilenden Gehorsam gegenüber den ihnen weisungsbefugten Behörden bis hinauf zu den Innenministerien den “Kampf gegen rechts” unerbittlich führen und mit dem Staatsschutz oder anderen Behörden als Zulieferer nach gern auch petitessenhaften Belegen dafür suchen, dass von rechts zumindest statistisch gesehen (bezogen auf die Anzahl der in die Kriminalstatistik einfließende Straftaten) die größte Gefahr ausgeht.
Z.B. in Bloggern oder Youtubern, die in der liberalkonservativen Szene und gewiss auch in denen der neuen Rechten reichweitenstark gelesen werden (was bei mir während meiner Jahre mit David Berger auf Philosophia Perennis, die ich nie bereuen werde, der Fall war), glaubt man leichte Beute identifiziert zu haben und darüber hinaus ein gutes Werk zu tun. In den Akteuren lebt die Hoffnung, Regierungskritiker, die akzentfrei in ganzen Sätzen mit mehr als jeweils einem Komma und Fremdwort reden, durch Lust-Strafbefehle (da gibt es nämlich viel Ermessensspielraum für Staatsanwälte) bewegen zu können, in Zukunft nur noch mit Wattebäuschen zu werfen, wenn es um die Politik der Berliner Blase geht oder aus Furcht vor weiteren rechtlichen Schritten gar komplett zu schweigen.
Arbeitet euch nicht an Petitessen ab
Doch Staatsanwaltschaften, Staatsschutz, BfV sowie obere Polizeibehörden sollten besser heute als morgen ihr Beuteschema ändern: Geht echte Nazis jagen, jagt Linksextremisten, Islamisten und meinetwegen auch Ökoterroristen (die wir gewiss zeitnah auch in Deutschland sehen werden) und all dieser Gruppen Influencer in den “sozialen Netzwerken”. Aber hört bitte auf, Bürger mit euren unsäglichen juristischen Taschenspielertricks zu bedrängen, die sich nach nichts mehr sehnen als der Restaurierung jener Demokratie, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert die Geschicke der Deutschen bestimmte und Deutschlands Ansehen in Europa mehrte; und die sich zudem sehnen nach jener Freiheit, die von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes als nicht verhandelbar oder gar revidierbar betrachtetet wurde.
Was den Fortgang der oben beschriebenen juristischen Auseinandersetzung betrifft, sehe ich ihr gelassen entgegen. Ein Popanz wird aufgeblasen, um ein Exempel zu statuieren. In einer eventuell notwendigen Verhandlung wird sich das auch erweisen. Mein Vertrauen in die deutschen Richter (zumindest in Amts- und Landgerichten, wo politische Besetzung bisher kaum vorkommt oder zumindest nicht von Relevanz bei der Urteilsfindung ist), ist immer noch zu groß, als dass ich Veranlassung hätte, mich zu fürchten!