Michael van Laack
Lukas Färber war einer der jüngsten Delegierten auf dem “Synodlaen Weg” und ist – oder man muss wohl auch hier bald schreiben: war) – hauptamtlicher Mitarbeiter des BDKJ und Diözesanleiter der KJG (Katholische Junge Gemeinde) im Bistum Münster. Heute hat er in einem “Bekennerschreiben” seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche Deutschlands bekanntgegeben.
Die Begründung umfasst 20 Einzeltweets auf Twitter, die ich hier im Zusammenhang (durch Schrägstriche als einzelne Abschnitte gekennzeichnet) wiedergeben möchte, bevor ich ein paar Worte aufschreibe, die Herrn Färber gewiss nicht trösten und vermutlich auch nicht gefallen werden, die aber schlicht und ergreifen Fakten darstellen:
Gibt es ein Leben nach dem BDKJ?
“Heute habe ich beim Amtsgericht in Münster meinem Austritt aus der katholischen Amtskirche erklärt. Warum? Das möchte ich euch hier erklären. / Seit ich denken kann, wachse ich in und mit der katholischen Kirche auf. Über 15 Jahre engagiere ich mich ehrenamtlich. Als Messdiener, in der KLJB, in der Firmvorbereitung, bei der KjG und im Synodalen Weg als einer der “15U30”. / Ich arbeite voller Überzeugung hauptamtlich für den BDKJ und die 72-Stunden-Aktion. Schon zu Beginn möchte ich klar machen: Dieses Engagement endet heute nicht. Ich bin und bleibe überzeugter KJGler, BDKJler, Jugendverbandler. / Die katholischen Jugendverbände. Sie gehören zu meiner Identität und sie sind ein großes Stück Heimat für mich. Sie haben meinen moralischen Kompass maßgeblich mitgeprägt. Dort habe ich lebendige Demokratie gelernt und mich politisiert. /
Durch das Engagement habe ich die Motivation gesammelt und das Handwerkszeug gelernt, um mich einzubringen und mitzuarbeiten an einer besseren und gerechteren Kirche und Welt. / Aus dem Glauben heraus, auf der Grundlage der christlichen Botschaft, die diese Amtskirche, aus der ich heute austrete, in all ihrem Tun und Reden eigentlich verkünden sollte. / Eigentlich. Mein Engagement hat mir auch gezeigt, dass mein Verständnis von Christ*insein, von Glauben, von Kirche wenig mit dem zu tun hat, was die Amtskirche lehrt und was sich in ihrem Handeln niederschlägt. / Die systemische sexualisierte Gewalt ist der grausamste Auswuchs dieses machtvollen und machtversessenen Systems. Die Misogynie und Queerfeindlichkeit, die fester Teil des Systems der katholischen Amtskirche sind, zeigen weltweit ihre leidvollen Auswirkungen. /
Ist Moral Privatsache?
Absolutistische und intransparente Machtstrukturen ermöglichen diese Diskriminierung und Gewalt und verhindern die notwendigen Reformen. Für die Botschaft der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Solidarität, der Liebe ist da kaum Platz. / Reformen. Dafür habe ich mit vielen anderen wundervollen und inspirierenden Katholik*innen auf dem Synodalen Weg und in den Verbänden gekämpft. Uns verband das von vornherein unrealistische Ziel die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt zu zerschlagen. / Am Ende standen einige wenige gute Texte, viel zu viele weichgewaschene “Kompromisse” – oder eher: Kapitulationen? – und vor allem: keinerlei Verbindlichkeiten. Für mich war es – bei allen bestärkenden Erlebnissen und Begegnungen – vor allem eine Ohnmachtserfahrung. / Mir wurde immer bewusster, dass diese Amtskirche kaum reformierbar ist. Wiederholt habe ich mich gefragt, ob die Mitgliedschaft in dieser Amtskirche noch mit meinem christlichen Moralverständnis vereinbar ist. /
Nicht zuletzt waren es auch persönliche und indirekte Diskriminierungserfahrungen, durch die ich mich mehr und mehr von der Amtskirche distanziert habe – im Gespräch mit Bischöfen und anderen Klerikern, durch Kommentare und Zuschriften rechter Katholik*innen. / Dabei bin ich mir sehr bewusst, dass ich als schwuler, weißer Cis-Mann noch zu einer relativ privilegierten Gruppe innerhalb dieses Systems multipler Diskriminierung gehöre. Ich habe Respekt für alle, die viel mehr darunter leiden und trotzdem in dieser Amtskirche bleiben. / Ich gehe. Ich gehe nicht wegen der Steuern oder aus Bequemlichkeit. Im Gegenteil: es war keine leichte Entscheidung. Sie tut weh und doch habe ich das beruhigende Gefühl, für mich das Richtige zu tun. Denn diese Entscheidung ist über Jahre in mir gereift. /
I have a Dream…
Ich habe mit all meiner Kraft versucht, meinen Beitrag zur Veränderung in dieser Amtskirche beizutragen. Sie zu einer Institution zu machen, die ihre Potentiale nutzt, um gegen Diskriminierung und für die Würde des Menschen einzutreten. / Sie zu einer glaubwürdigen Stimme der Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt zu machen. Jetzt zu gehen ist meine persönliche Entscheidung und ich kann jede*n verstehen, der*die bleibt und von innen heraus weiterkämpft. / Ich bin unendlich dankbar, dass es euch gibt. Ihr gebt Menschen – und auch mir – Hoffnung. Ihr seid die Spinner*innen, Träumer*innen, Botschafter*innen die diese Kirche braucht. / Ich bleibe. Ich bin und bleibe getauft. Ich bin und bleibe Christ. Ich bin und bleibe Jugendverbandler. Ich bin und bleibe Träumer und Botschafter für eine gerechte Kirche und Welt. / Ich hoffe ihr könnt nachvollziehen, warum ich das für mich nicht mehr mit der Amtskirche vereinbaren kann.”
Soweit Lukas Färber.
Was ist die Intention, den Kirchenaustritt öffentlich zu zelebrieren?
Zunächst einmal: Man könnte die öffentliche Bekanntgabe des Kirchenaustritts mutig nennen, wie man ja heute auch immer noch (obwohl die Lobby der LGBTI-Bewegung eher Staat und Kirche dominiert, als dass die Community fürchten müsste, unterdrückt zu werden), jeden tatsächlichen oder Möchtegern-Promi mutig nennt, der sich als homo- oder gar transsexuell outet.
Mutig ist dieser Kirchenaustritt aber nicht, sondern im Wording berechnend und im Framing wohltemperiert: “Seht, hier stehe ich als Vertreter der jungen Generation, die so sehr leidet an der mittelalterlichen Lehre der Kirche und ihrer Weigerung, sich politisch mit dem Sozialismus zu vermählen.”, scheint Lukas Färber allen seinen Followern oder zufälligen Lesenden zuzurufen. “Mein ganzes junges Leben habe ich in den Dienst Gottes und der Kirche gestellt, sowohl ehren- als auch hauptamtlich; in den Dienst einer Kirche, die nicht reformierbar zu sein scheint, die nicht mit dem kopulieren will, was sie Welt nennt, obwohl doch nur in der Lebenswirklichkeit Heil und Zukunft liegt.” schwingt im Subtext stets mit.
Opfer einer pastoral lauen Kirche mit einer faden Theologie
Doch will ich nicht mit Lukas Färber nicht ernsthaft ins Gericht gehen, ist er doch lediglich das Produkt einer Kirche, die im deutschen Raum seit der Würzburger Synode die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils gezielt oder aber auch nur arglos missinterpretierend falsch rezipiert hat; einer Kirche, die den Irenismus, vor dem die Väter des Konzils warnten, zum Leitstern erhoben hat; einer Kirche, die schon früh nach dem Konzil glaubte, Johannes XXIII. und Paul VI. verstünden unter Ökumene Protestantisierung; einer Kirche, die spätestens Ende der 80er durch den vollzogenen Marsch der 68er durch die kirchlichen Institutionen politisch und somit auch theologisch nach links rückte, Küngs und Drewermanns Lehramtsentzug ebenso wenig nachvollziehen konnte, wie den Eingriff Johannes Pauls II beim Beratungsschein; einer Kirche, in der jeder Priester schon seit 50 Jahren mit seinen Liturgieteams jeden Gottesdienst so “gestalten” kann, wie er mag.
Hier ein bisschen weglassen, dort etwas hinzufügen und zur Sicherheit den Stempel “Das ist immer noch Novus Ordo“ aufdrücken; einer Kirche, die in fast jeder Dekade Themen wie Zölibat und Frauenweihe aus jeweils anderem Anlass hochkocht; einer Kirche, die sich ein Zentralkomitee geschaffen hat, das zwar kirchenrechtlich ein Nullum darstellt, aber von den meisten Vereinen und Verbänden (auch im Jugendbereich) als oberste Laieninstanz anerkannt wird – gewissermaßen ein Laienpapst oder eine Laienpäpstin mit eigener Kurie, deren Forderungen sich auch nicht wenige Bischöfe zu unterwerfen scheinen, um nicht von eben diesem ZdK im Verein mit den kirchenfeindlichen Medien und postchristlichen Mandatsträgern des politischen Betriebs exkommuniziert zu werden. Denn wer möchte schon gern täglich über sich lesen, er sei ein frauenfeindliches, homophobes, nicht gendersensibeles, islamkritisches, konservatives (also rechts und deshalb fast schon ein “Nazi”) oder gar klimaleugnendes Mitglied einer “Täterorganisation”.
DBK und ZdK wecken unerfüllbare Begehrlichkeiten
Ich will mit Lukas Färber auch und vor allem deshalb nicht ins Gericht gehen, weil er nur ein Opfer ist: ein Opfer der Begehrlichkeiten, die der Synodale Weg, das ZdK, Teile der DBK (hier müssen Bätzing, Overbeck, Bode, Ackermann, Marx und auch Genn namentlich herausgehoben werden) in den vergangenen drei Jahren geweckt haben. Die genannten und manch andere Bischöfe (aber auch Herr Sternberg und nach ihm Frau Stetter-Karp) vermittelten den Eindruck, dass alles, was sie fordern und beschließen würden, kommen werde, weil nur sie wüssten, wie die Kirche (nicht nur die deutsche, sondern jene der ganzen weiten Welt) noch zu retten sei. Allerdings war ihnen von Beginn an (oder zumindest spätestens nach dem mahnenden Schreiben von Papst Franziskus im Juni 2019) klar, dass dies nicht funktionieren würde, ohne die Lehre der Kirche teilweise auszulöschen, teilweise von den Füssen auf dem Kopf zu stellen. Sie wussten, dass ihre Reformen nicht gelingen könnten, ohne die hierarchische Verfasstheit der Kirche aufzugeben.
Vor allem aber wussten sie, dass der übergroße Teil des Weltepiskopats, des Weltklerus und die Leitungen der weltweiten Laienvereinigungen diese Veränderungen nicht mittragen würden. Dennoch gingen die Genannten konsequent auf ihrem Irrweg voran und beschreiten ihn ja auchin diesen tagen trotzig weiter. So stolpern sie entweder in ein Schisma oder verlieren (falls sie Stoppschilder aufbauen) mehr und mehr enttäuschte Gläubige wie z. B. Lukas Färber, der eben nichts anderes ist als ein Opfer der Arroganz ihrer in Wahrheit nur geringen Macht.
Jeder mache, was er will und darf auch dazu nicht verpflichtet werden!
Aufgewachsen in einer Kirche, deren Priester in Predigten regelmäßig Zweifel an der Echtheit von Teilen der Evangelien weckten und mehrerer Klerikergenerationen, die pastoral in Moral- und Soziallehre auch und vor allem bei der jüngeren Generation total versagt haben. Wenn der Same nicht stark und gut ist, wird das Unkraut es überwuchern.
Nun hat der junge Mann die Illusion, nach seinem Kirchenaustritt weiterhin hauptamtlich im BDKJ verbleiben zu können. Ich will ihm diese Illusion nicht nehmen, zumal Bischof Genn mittlerweile zugetraut werden darf, dass er sogar einen Atheisten als Generalvikar an seine Seite holen würde. Formal aber wird das nicht funktionieren. Zudem wird sich für Herrn Färber – wenn die heutigen Glückshormone ausgeschüttet und abgebaut sind – die Frage stellen, ob er das wirklich noch will.
Denn: Warum kann man nicht aus der CDU oder SPD austreten und dennoch ihr Landesvorsitzender bleiben? Weil man öffentlich einen Akt gesetzt hat, der zum Ausdruck bringt, dass man nicht mehr zu den Inhalten jener Partei steht. Lukas Färber ist aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten, weil er ihre hierarchische Verfasstheit, ihre Lehre und die daraus erwachsenen Glaubensgewissheiten nicht mehr vertreten kann. So kann er auch kein Vorbild mehr sein für Katholiken, schon gar nicht für junge Menschen IN der Kirche. Es sei denn, es sei sein (und vielleicht manch anderer Berufskatholiken im Verband) Ziel, alle Mitglieder des BDKJ zu “ermutigen“, die römisch-katholische Kirche Deutschlands zu verlassen.
Wie auch immer: Aus meiner Sicht ist Lukas Färber primär Opfer jenes Systems, dass ZdK und Teile der DBK seit einigen Jahren als Ersatzlehramt und parallele Hierarchie in Deutschland installiert haben. Deshalb überwiegt in mir Mitleid statt Verärgerung und ich werde für ihn beten!