Bundestagsvize Özoğuz: AfD-Hammelsprung war Angriff auf den Parlamentarismus!

Michael van Laack

Die fast letzten Sätze, die Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD gestern Nachmittag im Deutschen Bundestag sprach, hatten es in sich. Ob sie nun aus Hilflosigkeit, Verärgerung oder gar Wut gesprochen wurden, werden wir wohl nie erfahren doch zeigen sie einmal mehr, dass man die AfD im Hohen Haus nicht nur als Störfaktor betrachtet, sondern als Bedrohung, welche das Potenzial hat, die Abgeordneten zu zwingen, persönlich über Gesetze abzustimmen. Aber der Reihe nach:

Die 116. Sitzung des Bundestages in dieser Wahlperiode plätscherte nach turbulentem Beginn (einem uneinigen Parlamentspräsidium samt gescheiterten Hammelsprung zur Herbeizitierung Habecks beim Tagesordnungspunkt “Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz”) in weiten Teilen vor sich hin und bot mit Themen wie “Pass-, Ausweis- und Dokumentenwesen” oder dem “Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz” auch eher trockene Kost.

Alles viel zu anstrengend, ich gehe lieber nach Hause!

Viele mögen in Gedanken schon im Urlaub gewesen sein oder an der Theke ihrer Lieblingskneipe, um den Frust über den Beschluss des BVerfG zum Heizungsgesetz herunterzuspülen. Das ist ja auch OK. Deutlich mehr MdB waren allerdings nicht nur in Gedanken sondern tatsächlich abwesend, als die Ampelkoalition nach dem letzten Tagesordnungspunkt – der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes – über eben dieses mit viel grünideologischem Herzblut geschriebenen Gesetz abstimmen wollte, um wenigstens noch einen kleinen Erfolg verbuchen zu können an jenem Freitag, der ursprünglich als Triumphtag für Habeck geplant war.

Dann aber geschah folgendes: Stephan Brandner beantragte für die AfD, feststellen zu lassen, ob der Bundestag beschlussfähig sei, was erst ab 50% plus einem MdB der Fall ist:

Es kam zum Hammelsprung und hektischen Telefonaten bei Ampel, Union und Linken, um möglichst viele Abgeordnete, die sich vielleicht noch im Haus oder zumindest in der Nähe befinden würden, zusammenzutrommeln. Doch es half nichts, weshalb die Bundestagsvizepräsidentin, nicht ohne einen ersten Giftpfeil in Richtung AfD-Fraktion zu schießen…

…die Nichtbeschlussfähigkeit feststellen musste, so dass auch dieses Gesetz frühestens im September beschlossen werden kann, falls die Ampelregierung die Sommerpause überleben sollte.

Über das Verhalten einiger AfD-Abgeordneter, sich für den Hammelsprung nicht zählen zu lassen, kann man in der Tat geteilter Meinung sein, an der deutlichen Beschlussunfähigkeit hätte ihre Teilnahme allerdings nichts geändert.

Doch erst nach Verkündigung des Ergebnisses kam der eigentliche Hammer. Frau Özoğuz wertete den Hammelsprung für sich als einen der vielen(?) Angriffe der AfD auf dem Parlamentarismus und riet den Abgeordneten, darüber nachzudenken, wie man solche Angriffe in Zukunft abwehren könne:

Demokratie? Moment, ich google den Begriff mal!

Ob das ein Appell an die anderen MdB war, in Zukunft häufiger auf ihrem gut alimentierten Stuhl im Bundestag zu sitzen oder eher ein Aufruf an die Innenministerin und den Verfassungsschutzpräsidenten, die Sommerpause für das Vorantreiben eines AfD-Verbotsverfahrens zu nutzen, bleibt dem jeweiligen Betrachter vorbehalten.

Was mich betrifft, so werte ich die Aussage als ein weiteres Zeichen für das zunehmende Verdunsten demokratischer Prinzipien auch im Hohen Haus – und das nicht allein deshalb, weil die Geschäftordnung augenscheinlich nur noch dort Anwendung finden soll, wo es der Bundesregierung und anderen Altparteien genehm ist. Gegen dieses allgemeine Verdunsten müssen wir uns wappnen, dagegen müssen wir uns wehren. Sowohl direkt unter der Reichstagskuppel als auch überall dort, wo wir leben und weben.

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