Peter Helmes
In Brüssel begann gestern (17.07.23) ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU mit der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC). In ihrer ‚Neuen Strategie‘ für die gegenseitigen Beziehungen verweist die Europäische Kommission auf die gemeinsamen Werte und auf historische und kulturelle Verbindungen beider Regionen. Tatsächlich aber unterstreicht diese Strategie vor allem die wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der EU.
Wenn die EU ein vertrauenswürdiger Partner für die Länder Lateinamerikas sein will, dann müssen die Regeln zum Schutz der Menschenrechte in den gegenseitigen Handelsbeziehungen ehrgeiziger und erzwingbar werden. Ein Wandel in der Energiepolitik ist notwendig, er muß aber gerecht sein und vor allem auf eine geringere Ausbeutung der Ressourcen setzen. Erst, wenn Menschenrechte und die Sorge um unser aller Lebensraum der Kompass sind für die Beziehungen mit Lateinamerika – und nicht nur wirtschaftliche Interessen – ist die Formulierung einer ‚Neuen Strategie‘ angebracht.
Westliche Ukrainepolitik nicht aufoktroyieren
Die EU ist nach wie vor der größte Handels- und Investitionspartner Lateinamerikas. Darauf muß sie aufbauen. Die Agenda dieses Gipfels spiegelt die neuen Machtverhältnisse in der Welt wider. Die Staaten Lateinamerikas sind politisch weit weniger verflochten als die EU, und sie sind entschlossen, die eigenen Interessen zu verfolgen.
Was die Ukraine betrifft, so schließen sie sich nicht der Sichtweise der EU an, wonach Russland der Aggressor ist. Zudem müssen sie den Druck von Industrie- und Agrarsektoren nach besseren Zugängen zu den geschützten europäischen Märkten gegen die eigenen regionalen und ökologischen Interessen abwägen. Das Gipfeltreffen verspricht, ein anstrengender, aber lohnender Übergang zu einem ausgewogeneren Verhältnis zu werden.
Nicht zu unterschätzen sind die unterschiedlichen Perspektiven der Verhandlungspartner zum Krieg in der Ukraine. Die Weigerung einiger Staaten, den russischen Einmarsch zu verurteilen und auch das Veto einiger Staats- und Regierungschefs zu einer Teilnahme von Präsident Selenskyj haben die Erwartungen an das Treffen gedämpft. Die meisten der 33 Mitgliedsstaaten der CELAC unterstützen jede Initiative, die eine politische und diplomatische Lösung des Konflikts anstrebt, aber keiner hat Sanktionen gegen Russland verhängt. Die CELAC-Mitglieder betrachten diesen Krieg als einen sehr weit entfernten europäischen Konflikt. Das macht es schwierig, einen Konsens über den Text der Schlußerklärung zu erreichen.