Mariä Himmelfahrt: Über Fraueneier, geweihte Kräuter und getrocknete Frösche

Viele fromme und kluge Menschen haben viel Kluges und Frommes zur Himmelfahrt Mariens geschrieben und noch mehr Menschen haben all das gelesen. Deshalb möchte ich heute keinen Auszug aus Kirchenvätern, Predigten oder päpstlichen Schreiben zum Festtag bieten, sondern die Informationen, die ein fleißiger Atheist in seinem Lexikon gesammelt hat, verbunden mit der Absicht, über Christen und andere Religionen zu spotten.

Damals hat das nicht funktioniert. Uns Heutigen haben er (Eduard Hoffmann-Krayer)
und sein Team mit dem Handwörterbuch des deutschen Aberglabens ein Sammelwerk hinterlassen, dass sonst wohl zumindest teilweise schon längst vergessener Bräuche in Erinnerung hält. Ich zitiere hier aus Band 5 (Berlin, 1933):

Himmelfahrt Mariens nicht biblisch belegt, aber begründbar

Mariä Himmelfahrt, Fest zum Gedächtnis der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel, daher auch Assumptio (B. Mariä V.), heute das marianische Hauptfest, nach der Meinung einiger Gelehrter vermutlich sogar das älteste Marienfest, wahrscheinlich besonders dann, wenn etwa der Todestag Marias wie der meisten anderen Heiligen sofort festgehalten und seiner auch weiterhin gedacht worden wäre.

Geschichtliche Nachrichten über den Tod und die Grabesruhe Marias gibt es nicht, noch weniger über eine leibliche Aufnahme Marias in den Himmel, für die auch kein Zeugnis der hl. Schrift oder sonst eine klare mündliche Überlieferung als Stütze vorliegt, sodass auch von einem Glaubenssatz nicht die Rede sein kann. Indessen lautet die Auffassung der katholischen Dogmatik doch dahin, dass aus wesentlichen Gründen Maria nicht bloß der Seele, sondern auch dem Leibe nach Aufnahme in den Himmel gefunden haben müsse.

Der griechische Kirchenvater Johannes Damaszenus (gest. 754) wusste den Marienverehrern seiner Umgebung zu Konstantinopel von einer solchen Aufnahme in einer frommsinnigen Legende zu erzählen. Die alte Kirche nannte das Fest Marias Entschlafung (Dormitio), Beisetzung (Depositio), Ruhe (Pausatio, Anapausis), Hingang (Transitus) oder, wie schon erwähnt, Aufnahme (Assumptio). In Gallien wie in Rom ist das Fest bereits im 7. Jh. in Übung gewesen, seit dem 9. Jh. allenthalben in der Kirche eingeführt und auf den 15. August gelegt, in manchen Gegenden Deutschlands und in anderen Ländern heute auch noch außerhalb der Kirche ein Feiertag. In Festkalendern erscheint es ebenfalls früh, z.B. im Kölner Festkalender seit dem 9./10. Jh.

Getrocknete Frösche helfen gegen fast alles

Der Festtag und die auf ihn folgende Zeit bis Mariä Geburt ist im Leben und Glauben des Volkes sehr bedeutsam geworden. Mit Mariä Himmelfahrt beginnt der sogenannte Frauendreißiger, die dreißig Tage zwischen dem 15. August und dem 8. September mit Hinzurechnung der Oktave; eine Zeit, wichtig für mancherlei magische Handlungen.

Infolge der engen Verbundenheit der Festzeit mit der Natur, dem Landbau und dem Landleben trat und tritt im Volksglauben vielfach noch immer die Naturbedeutung des Tages stärker hervor als die kirchliche Seite und überdeckt diese gar. In Städten auch katholischer Gegenden ist freilich heute die Naturbedeutung des Festes fast gänzlich in den Hintergrund getreten. Aber in ländlichen Gegenden glaubte und glaubt man sicherlich hier und da noch immer, dass die ganze Natur um und nach Mariä Himmelfahrt den Menschen hold und freundlich sei, giftige Tiere ihr Gift verlören und man sich ihrer jetzt am besten bemächtigen könne, so der als giftig betrachteten Kröten, die man aufspießt und in Ställen aufhängt, wo sie alles etwa vorhandene Gift an sich ziehen und gegen Verhexung gut sind. Pulver aus einer Frauendreißger-Kröte soll gegen Rotlauf (Wundrose) und andere Krankheiten helfen.

Kräuterweihe am Großfrauentag

Am Großfrauentag, wie Mariä Himmelfahrt im Gegensatz zu Mariä Geburt, dem sog. Kleinfrauentag, genannt wird, kriecht, wie die Görzer Slowenen meinen, alles Gewürm ins Wasser; deshalb soll man nicht baden. Anderswo glaubt man, dass an diesen Tagen alle Schlangen sich auf Bäume oder in Büsche flüchten; deshalb soll man sich diesen nicht nähern.

Ganz besonders sind die um diese Zeit gepflückten und gesammelten Kräuter außerordentlich heilkräftig. Unter diesen spielen einzelne bestimmte eine besondere Rolle. Singrün (Vinca minor) z.B. muss man zwischen den beiden Marientagen Himmelfahrt und Geburt suchen. Wer dieses Kraut dann bei sich trägt, über den hat der Teufel keine Gewalt. Wenn man Wurzeln an Mariä Himmelfahrt gräbt, so haben sie viel größere Kraft als sonst. Durch die Verbindung des Festes mit der sog. Kräuterweihe erhielt der Tag große volkstümliche Bedeutung und besitzt solche in ländlichen Gegenden Deutschlands, Hollands, Belgiens, Luxemburgs, der Schweiz und anderer Länder noch heute. »Marien Hemmelfartes dach nömet men Marien Krudtwyhung, dewyle denn dat Krudt mit Wyhewater gewyhet wert«.

Das Grab Mariens: Blumen statt eines Leichnams

Diese Bezeichnung Krautweihung, die mit zahlreichen andern je nach der Gegend oder dem Lande wechselt, erscheint bereits ziemlich früh auch bei der Fristbestimmung in Urkunden, auf Kölner Boden z.B. schon im 14. Jh. neben der lateinischen Bezeichnung Assumptio, deren älteste nachweisbare hier dem Jahre 1209 angehört. Der Ursprung der Kräuterweihe an diesem Tage wurde und wird gern mit den Blumen in Verbindung gebracht, die sich nach der romantisch weiterentwickelten Legende bei dem Besuch der Gruft der Muttergottes durch die Jünger anstelle ihres Leichnams gefunden haben sollen.

Durch die schon im 9./10. Jh. liturgisch ausgestaltete Kräuterweihe soll nach der Meinung der Kirche Gottes Segen und Schutz vor allem für die geernteten Früchte vermittelt werden. Die im Übrigen recht mannigfaltigen Ansichten und Erklärungen zur Entstehung der Kräuterweihe und der Beziehungen Marias zu ihr sind, soweit es sich um Anlehnungen an eine germanische Göttin handelt, wohl oft behauptet, aber bisher noch nicht bewiesen worden. Es wird wohl ein heidnisches Natur- oder Erntefest zugrunde liegen, worauf auch bereits Marzell hingewiesen hat.

Heidnisches und Christliches vermischte sich

Bemerkenswert ist, dass auch Landleute in evangelischen Gegenden, z.B. im nördlichen Oberfranken, an Mariä Himmelfahrt Opfer auf den Altar der Muttergottes zu Marienweihe legten, um eine reiche Ernte zu erlangen. Bei den Abchasen betete man zu den Bäumen um Segen und Glück und verehrte in den Mariä-Himmelfahrt-Fasten die Göttin der Saaten. In Aichstetten war es früher Brauch, dass am Tage Mariä Himmelfahrt jeder Hirte für die schönste Kuh seiner Herde einen Kranz machte und ihn ihr dann um die Hörner wand. Aus den Jahren 1447 und 1487 ist überliefert, dass an Mariä Himmelfahrt auch Äpfel mittels besonderer Formel geweiht wurden, wenn nicht schon vorher oder nachher.

Der Tag gilt noch vielfach in ländlichen Gegenden als ein wichtiger Lostag. Eine Reihe von Sprüchen bekunden die auf Witterungswünsche hinzielenden Gedanken, z.B.: Mariä Himmelfahrt klar Sonnenschein / bringt gern viel und guten Wein. Schönes Wetter am 15. August oder 8. September kommt dem Winterweizen zugute. Wenn es auf »Krautweihe« regnet, so spinnen die Spinnen den Bienen die Heide zu, mit andern Worten, helles Wetter an Mariä Himmelfahrt kündet den Sieg der Bienen und ein gutes Honigjahr, dunkles Wetter dagegen den Sieg der Spinnen und wenig Honig.

Mancherlei andere Meinungen und auch verschiedene Vorschriften waren oder sind noch an den Tag geknüpft. Es heißt z.B., Eier an diesem Tage oder überhaupt in der Zeit zwischen den Frauentagen gelegt, halten sich lange frisch und sind deshalb geschätzt; sie heißen Fraueneier. Weizen an diesem Tage ausgedroschen und Kleider in dieser Zeit ausgelüftet seien vor Mottenfraß sicher. Flachs soll man nicht mehr nach Mariä Himmelfahrt östen. Auch von besonderem Backwerk, mancherlei Wallfahrten, Brunnenfesten und andern Bräuchen ist die Rede. Wieweit diese Erscheinungen rein örtlicher Art sind oder aber mit dem Tage und seinem Fest innerlich verbunden sind, bedarf näherer Untersuchung. Der Brauch in Staufen, von Mariä Himmelfahrt bis Mariä Geburt keine Trauung abzuhalten, den eine strenge amtliche Verordnung von 1782 untersagte, ist vermutlich örtlich oder ländlich beschränkt gewesen und rein kirchlichen Ursprungs.

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