Michael van Laack
“Ja, ist denn schon wieder Weihnachten?” – Nein, wie ein rascher Blick auf den Kalender uns verrät. Aber ab Maria Verkündigung, dem 25. März, wird – wenn man so will – wieder eifrig daran gearbeitet, dass neun Monate später Weihnachten werden kann.
Moment mal, wir haben heute aber auch nicht den 25. März! Jep, das ist ebenfalls korrekt, doch das Fest der Verkündigung Mariens wird immer dann verlegt, wenn es in die Karwoche fällt; und eben deshalb bringe ich heute diesen Artikel. Verwirrend? Klar, ist ja auch römisch-katholisch!
Alle (Un)Klarheiten beseitigt? Gut, dann kanns ja losgehen: Heute feiert die Kirche das Fest “Verkündigung des Herrn”, oder – wie man es früher nannte, als wir armen Katholiken noch im finsteren Mittelalter gefangen war und die süßen Früchte der Rezeption des “Neues Pfingsten” genannten II. Vatikanischen Konzils (1962-65) und der Liturgiereform (1969) noch nicht ernten konnte, die Jahr um Jahr mehr blühende kirchliche Landschaften in Deutschland erzeugten, bis nun am Ende des Synodalen Weges und vor dem Synodalen Rat das katholischste frömmste und hedonismusbefreiteste Deutschland aller Zeiten vor uns liegt, in dem wir gut und gerne glauben – Maria Verkündigung.
Wie zu manch anderem Fest oder Hochfest des katholischen Kirchenjahres möchte ich unseren Lesern wieder Texte anbieten, die in den letzten Jahrzehnten vergessen oder gar verschüttet wurden, folglich aus Werken stammen, die kaum jemand mehr kennt und die man im Netz (falls überhaupt) nur dann findet, wenn man die Suchmaschine präzise füttert.
Abseitiges und Katholisches
Für heute habe ich zwei Texte herausgesucht. Der erste (A) stammt aus einem Werk, das dem christlichen Glauben sehr kritisch gegenübersteht und eigentlich als Nachschlagewerk für echte Nazis gedacht war, aus heutiger Sicht allerdings eine schier unerschöpfliche Quelle für alle darstellt, die sich über alte und mittlerweile oft vergessene Bräuche informieren möchten.
Hierbei handelt es sich um Band 5 (Knoblauch-Matthias) des Handwörterbuchs des deutschen Aberglaubens, hrsg. von Hanns Bächtold-Stäubli unter besonderer Mitwirkung von Eduard Hoffmann-Krayer, Berlin und Leipzig (Walter de Gruyter), 1933. – Die drei mit * versehenen Anmerkungen stammen von mir, ebenso die Zwischenüberschriften.
Der zweite Text (B) ist solide und kernig katholisch; tiefe aber unaufdringliche Frömmigkeit, wie man es von dieser Autorin kennt. Entnommen ist das Gedicht dem Werk “Geistliches Jahr in Liedern auf alle Sonn- und Feiertage” aus der Feder von Annette von Droste-Hülshoff (nach dem Text der Originaldrucke und Handschriften herausgegeben von Günther Weydt und Winfried Woesler, Bd. 1, München: Winkler, 1973.
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A. Mariä Verkündigung
Tag der Empfängnis Jesu am 25. März, eines der ältesten Marienfeste), als Fest der Gottesmutterschaft (Konzeptionstag) von Weihnachten, der Geburt Christi, aus berechnet, verdankt seinen Ursprung der Nachricht des Lukasevangeliums 1, 26–35; bereits um 400 im Morgenlande bekannt und beliebt, in der ältesten Kirche auch Annuntiatio Christi oder Domini oder gar Fest der Empfängnis Christi, Conceptio Christi genannt), in der Diözese Trier viele Jahrhunderte hindurch Jahresanfang (Annuntiationsstil, Marienjahr), besonders liebevoll in der Kunst dargestellt (Maria und der Engel), Patronatsfest der Weber und anderer Handwerker.
Da das Fest in den Frühlingsanfang fällt, trat es allmählich auch zu Frühlingsbräuchen und Volksmeinungen, die sich an die Natur im Frühling knüpfen, in Beziehung. Aber alle diese Bräuche und Meinungen hingen und hangen nur ganz äußerlich mit diesem dogmatischen Marienfest der Kirche zusammen, mag man auch von romantisch- oder pseudogelehrter Seite versucht haben, innere Zusammenhänge herzustellen.
Verbrennt die Jungfrau!
Der Brauch, am Tage Mariä Verkündigung. eine Strohpuppe in reichem Frauenschmuck und mit gelbem Schleier umhangen auszutragen, was man in Feldorf (Siebenbürgen) die »Marienjungfer verbrennen« nannte, gehört in die Gruppe der Frühlingsfeuer. Seine Unterlassung zog nach dem Glauben des Volkes Unglück für die Gemeinde nach sich. Auch der bei den Esten früher geübte Brauch, an diesem Tage eine Strohpuppe umherzutragen und im Walde auf einen Baum zu setzen, muss als eine Abwandlung des Todaustragens und -Verbrennens betrachtet werden. Zu der rein äußeren Beziehung des Tages zum Frühling gehört auch die vielverbreitete Volksmeinung, an ihm oder um diese Zeit kehrten die Schwalben zurück.
Der Schoß der Erde ist am 25. März besonders fruchtbar
In echt mystisch-romantischer Weise wurde der Gedanke entwickelt, dass am Tage Mariä Verkündigung die Erde sich für den Empfang des Samenkorns öffnen solle, wie Maria das himmlische Weizenkorn Christus empfing. Die weitere Folge war die Vorstellung, dass die Ernte des Jahres reichlich sein werde, wenn der Segen dieses Tages auf dem Samen und dem Säen ruhe. Die Landleute um Lausanne brachten am Tage Mariä Verkündigung Kürbissamen in die Stadt und glaubten, das Läuten der großen Kathedralglocke um Mittag verleihe ihm Fruchtbarkeit. Kohlsamen müsse man, so hieß es, an diesem Tage säen, dann erfriere er nicht; ebenso Leinsamen, damit der junge Flachs nicht erfriere. Des besonderen Gedeihens wegen wurden Bäume an diesem Tage gesetzt.
Der böse Wolf reißt kein gesegnetes Vieh
An ihm auch zog man gern die erste Ackerfurche, weshalb er auch Plooch*-Marien-Dach genannt wurde. In Ostpreußen wurde an ihm das Vieh ausgetrieben und »versegnet«, damit es gegen Wolf und Krankheit geschützt sei. In Slawien sollte der Bienenzüchter den ganzen Tag im Hofe Späne und Splitterwerk sammeln, in die Küche auf die Feuerstätte tragen und sagen: Ich sammle weder Späne noch Zweige (Abfälle), sammle vielmehr Honig ein zur Versüßung meiner Bienen aus dem Meer und der Donau. Wenn Mariä Verkündigung mit dem Karfreitag zusammenfällt, sollte man an diesem Tage Äste von der Esche schneiden; dies Eschenholz habe dann eine besondere Kraft. Als Haushaltvorschrift galt, wollene Kleider in die freie Luft zu hängen, um sie vor Schaben und Motten zu bewahren.
Luzifer könnte heute auch besonders aktiv sein
Es ist sehr leicht verständlich, dass der Tag auch ein Lostag wurde. Helles Wetter an Mariä Verkündigung und den folgenden Tagen verheißt reiche Obst- und Getreideernte, aber auch, dass der »Wein« erfriert**. Friert es, aber am Festtag, so auch noch vier Wochen oder 25 Nächte oder 40 Tage hintereinander. Weht der »Unterluft«***, so weht er bis Urbanstag, was man nicht gern hat. Spinnen an diesem Tage als einem hohen Marienfesttage war früher verboten. Das Verbot, an ihm nicht zur Ader zu lassen, mag mit der Frühjahrszeit zusammenhangen.
Im Böhmerwald fällt der 1. April auf den 25. März
Der Tag galt vielfach sprichwörtlich auch als Zeitpunkt, von dem ab die handwerkliche Abendarbeit bei Licht aufhörte, bis man an Michaelis auch wieder bei Licht zu arbeiten begann. Wie man sonst allgemein am 1. April einfältige Menschen und auch andere mit einem Scherzauftrag von Haus zu Haus schickt, so anscheinend vereinzelt im Böhmerwald »dümmere und gefügigere Dienstboten« an Mariä Verkündigung mit dem Auftrag, ein »Nudelmaß« zu holen.
*Mundartlich für Pflug
**in den Fässern einfriert
***Beschreibung der seiner Zeit als Phänomen wahrgenommenen Tatsache, dass sich hin und wieder Wolkenbänder um einen Berggipfel bilden, während die sichtbaren Wolken am Himmel darüber hinwegziehen oder es sogar wolkenfrei ist. Dies liege an der Unterluft, die man Luzifer als Verursacher zuschrieb. Sei Atem gruppiere die feuchte Luft um die Berge bzw. durch sich immer mal wieder öffnende und schnell schließende Ritzen an den Eingängen zur Hölle trete sehr warme luft aus und hindere die kühlere Luft, unter die Bergspitzen zu sinken.
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B. An Maria Verkündigung
1.
Ja, seine Macht hat keine Grenzen – Bei Gott unmöglich ist kein Ding!
Das soll mir wie mein Nordlicht glänzen, – Da meine Sonne unterging.
Und wie auf blauen Eises Küsten – Steh ich zu starrer Winterzeit,
Wie soll ich noch das Leben fristen! Ach, keine Flamme weit und breit!
Doch sieh! wer winkt’ dem milden Lenzen? – Dass er die tote Erd’ umfing.
Ja seine Macht ist ohne Grenzen! – Bei Gott unmöglich ist kein Ding!
2.
O sehet, wie von warmen Zähren – Der Erde hartes Herz zerquillt,
Wie sie, die Blumen sein zu nähren, – Mit Tau die grauen Wimper füllt!
Auch in die längsterstorbnen Äste – Gießt sich ein Leben wunderbar,
Und alle harren seiner Gäste, – Der Blätter lebensfroher Schar.
Was soll ich denn der Hoffnung wehren? – Dass meiner Zähren Flehn gestillt!
Da ja sogar von warmen Zähren – Der Erde hartes Herz zerquillt!
3.
Kannst du die Millionen Blätter – Aus diesen toten Ästen ziehn,
Und aus dem ausgebrannten Wetter – Der Lavafelsen frisches Grün:
Was soll mein Herz zu hart dir scheinen? – Wo doch der gute Wille brennt,
Das sich dir glühend möchte einen! – Wenn es sich starrend von dir trennt.
Und soll nicht, mein allmächt’ger Retter, – Auch mir ein farblos Kraut entblühn!
Da du die Millionen Blätter – Kannst aus den toten Ästen ziehn.
4.
O, möchte nur die Demut keimen! – Vertrocknet ist die Herrlichkeit,
Wohl durft’ ich sonst mir andres träumen, – Doch wie ein Blitz ist jene Zeit.
Zwar kann ich mich in Reue sehnen, – Ich kann verwerfen meine Tat,
Doch nicht erfrischen meine Tränen, – Sie fallen sengend auf die Saat,
Und Frost und Hitze muss sich reimen, – dass keine Blume mir gedeiht:
O möchte nur die Demut keimen, – Vertrocknet ist die Herrlichkeit!
5.
So ist doch von den Blumen allen – Marienblümlein milder Art;
Die Blätter erst, die Flocken fallen, – Doch freudig blüht es fort und zart.
Wenn sich des Winters Stürme brechen, – Gleich blickt es freundlich durch den Schnee,
Und naht der Lenz in Regenbächen, – Da steht es in dem kalten See.
O könnt’ ich gläubig niederfallen! – Bis mir das Blümlein offenbart,
Es ist ja von den Blumen allen – Marienblümlein milder Art.
6.
Doch wie das Volk einst vor den Schranken – Um Horebs gottgeweihte Höhn,
So fliehen bebend die Gedanken, – Da sie dies reine Bild erspähn.
Was seh ich nur die Feuersäule? – Und nicht die Gnade Gottes drin!
dass unermesslich scheint die Steile, – Und wie ein Abgrund, wo ich bin.
O Jesus, lass aus diesem Schwanken – Nur nicht das goldne Kalb entstehn!
Wie jenem Volke vor den Schranken – Um Horebs gottgeweihte Höhn.
7.
Und kann ich denn kein Leben bluten, – So blut’ ich Funken wie ein Stein!
Ich weiß es, wo sie stille ruhten, – Ich scheuchte sie in Schlummer ein,
Da ich gesucht was Leben kündet. – Doch hast du, Herr, mich ausersehn,
dass ich soll starr, doch festgegründet – Wie deine Felsenmauern stehn:
So brenne mich in Tatengluten, – Wie den Asbest des Felsen, rein!
Und kann ich dann kein Leben bluten, – So blut’ ich Funken wie ein Stein.