Michael van Laack
Warum mit blasser Tinte selbst beschreiben, was Begabtere als farbenprächtige Ölgemälde für manche bereits zu Staub zerfallene Generation zu Papier brachten? Deshalb biete ich auch zum heutigen Hochfest wieder einige Gedanken meines Lieblings–Liturgiegeschichtlers
Selbstverständlich gilt auch für die Kirche πάντα ῥεῖ (Alles fließt!). Vieles entwickelt und verändert sich. Nichts um uns herum steht still, alles ist in Bewegung. Vom kleinsten Molekül bis zur kollabierenden Galaxie eine Milliarde Lichtjahre von uns entfernt.
Und so sind auch wir – nicht nur wegen des unaufhaltsamen Zulaufens auf die Sekunde, in der wir unsere biologische Endlichkeit erreichen werden – stets in Bewegung, Entwicklung, Veränderung.
Der Blick zurück ist kein Rückschritt
Neben dem Blick nach vorn ist es für Christen auch wichtig, immer wieder auf die Quellen zu schauen! Die primäre Quelle ist die Heilige Schrift, für uns Christen besonders das Neue Testament. Doch das gesamte Text- und Bildgedächtnis der Kirche aus zwanzig Jahrhunderten muss soweit als möglich erhalten bleiben, immer mal wieder ins Licht der Gegenwart gestellt und in ihm betrachtet werden. Wird es zum dauerhaften Archivgut im fensterlosen dunklen Raum, fließt der Glaube irgendwann nicht mehr durch den Strom der Zeit, wird fortgespült und geht unter im breiten und tiefen Fluss all jener Ideen, deren Quelle nicht der Heilige Geist ist, sondern der Zeitgeist; der Befüller des Sammelbeckens aller Häresien.
Auch deshalb habe ich einmal mehr einen Text aus dem „Liber Sacramentorum“ von Ildefons Schuster gewählt. Und zwar aus dem IV. Band (Die Taufe mit dem Heiligen Geiste und mit dem Feuer), der 1929 bei Pustet in Regensburg erschien:
Teilnahme am Erlösungswerk des Herrn
Heute gießt der Heilige Geist über die mystischen Glieder des auferstandenen und verherrlichten Heilandes sein göttliches Leben aus. Heute tritt die Kirche, die bisher innerhalb der engen Mauern des Cönaculums wie in ihrer Wiege weilte, in der ganzen Fülle ihrer Vollkommenheit, strahlend von Heiligkeit und Gerechtigkeit zum ersten Mal vor die Welt hin. Das göttliche Leben, das in ihren jungfräulichen Gliedern pulsiert, lässt sie teilnehmen an den Idealen und dem Erlösungswerk Jesu. Darum konnte Paulus mit vollem Recht sagen, dass die Mühen des Apostelamtes am Erlösungswerk mitwirken. Hatte ihm ja der Heiland auf dem Wege nach Damaskus selbst bezeugt, dass er in den Gliedern seiner Kirche verfolgt werde und leide.
Die Geburtsstunde des Papstamtes
Die Hauptperson am ersten christlichen Pfingstfest ist Petrus; um ihn schart sich die kleine Herde des Herrn auf dem Sion. Heute erfüllt er zum ersten Mal die Pflicht des päpstlichen Primats und verkündet allen Völkern ohne Unterschied der Heimat und Herkunft, der Stadt- und Landesgrenzen die frohe Botschaft. Wiederum ist es Petrus, der im Namen der Gesamtkirche die Verleumdung gegen die Apostel zurückweist; und schließlich bekehrt und tauft er die ersten Heiden und nimmt sie in die Familie des Nazareners auf.
Aus diesen Gründen ist die heutige Stationsfeier, zum Unterschied vom Osterfest, in der vatikanischen Basilika. Früher hielt der Papst selbst die erste Vesper, die Vigilien und das feierliche Hochamt. Wie alle großen Feste, so war auch Pfingsten durch ein doppeltes Vigil-Offizium ausgezeichnet: das eine beging man beim Grab des Apostels in der Unterkirche, das andere vor dem Hochaltar. Im letzteren, dem feierlichen, sangen Kanoniker die erste Lektion, Kardinäle die zweite und der Papst selbst die dritte. Nach dem Gottesdienst kehrte der Papst mit der Tiara geschmückt in den Lateran zurück.
Sancti Spiritus adsit nobis gratia
Die heutige SEQUENZ wird im Allgemeinen dem Papst Innozenz III. zugeschrieben; früher stand das schöne „Sancti Spiritus adsit nobis gratia“ an ihrer Stelle, welches die Ordines Romani des 15. Jahrhunderts noch erwähnen. Verfasser dieses Liedes ist der Mönch Notker von St. Gallen. Als Innozenz III. den tieffrommen Gesang vernahm, wunderte er sich, dass der Sänger noch nicht in das Verzeichnis der Heiligen eingetragen sei. Nachstehend geben wir das Lied, das einst das römische Missale zierte; es ist eine musikalisch rhythmische Dichtung, ähnlich den griechischen Kompositionen. Der Text, für sich genommen, ist einfach; er wirkt erst in seiner musikalischen Umkleidung:
***
Des Heiligen Geistes Gnade sei mit uns, / Zu seiner Wohnstatt mach er unsre Herzen, / Wenn alle Geisteslaster, von hinnen sind verjagt. / Hehrer Geist, der Menschen Leuchte, / Erhelle unseres Herzens tiefes Dunkel.
Du liebst von jeher schon verständnisvolles Denken, / Drum gieße Deine Salbung gnädig ein in unsern Geist. / Du Geist, Du reinigst alle von ihrer großen Schuld, / So reinige das Auge unseres inneren Menschen, / Damit wir unsern Vater, den Höchsten, schauen können, / Den nur zu seh’n vermögen des reinen Herzens Augen.
Den Propheten gabst Du Deinen Geist, / Zu künden Christi hohes Geheimnis, / Den Aposteln liehest Du Kraft zu tragen / Christi Trophäen durch alle Welt. / Als Gott durch sein Wort das Weltall erschuf, / Die Welten des Himmels, der Erde, des Meeres, / Da schwebtest Du über ihnen, / wie um zu befruchten die wogenden Wasser.
Mit lebenspendenden Kräften / machst Du fruchtbar die Wasser. / Mach durch Dein Wehen / auch uns zu geistigen Menschen. / Die Welt, so verschieden nach Sprache und Sitten, / Vereinigst Du, Geist, zu einer großen Familie. / Die Götzenanbeter rufst Du zurück zur Anbetung Gottes.
Du bester der Lehrer, erhöre uns gnädig, / So bitten wir flehend, o Heiliger Geist. / Vergebens sind ohne Dich unsre Bitten, / Nicht würdig genug für Gottes Ohr. / Zu allen Zeiten hast Du geleitet, / Mit Deinem Geist der Heiligen Schar, / Deinen Geist ihnen spendend.
Du hast auch heute Christi Apostel mit Gnade beschenkt, / Wie zu keiner Zeit es je noch gehört ward / Und hast diesen Tag so glorreich gestaltet.
***
Ohne den Hl. Geist ist der Christ unvollständig
Tertullian sagt, dass der Christ aus Leib, Seele und dem Heiligen Geist besteht. Das klingt vielleicht etwas paradox, allerdings nicht im Sinn des Autors. Der Heilige Geist erhebt mit seiner Gnade die Seele zum übernatürlichen Leben eines Gotteskindes; er macht alle unsere Akte verdienstlich. Wenn wir darum den Namen Jesus anrufen, wenn wir zu seinen Füßen flehen, wenn wir leiden und für Gott arbeiten: immer ist es der Heilige Geist, der in uns betet, seufzt und wirkt: „Und der Geist bringt es unserm Geist auch zum Bewusstsein, dass wir Kinder Gottes sind.“ (Röm 8, 16).
Gott hat den Geist „seines Sohnes“ in unsere Herzen ausgegossen, um uns gleich Jesus zu auserwählten Kindern zu machen. Derselbe göttliche Geist, der während unseres Lebens in uns wohnt und die Sehnsucht nach dem Himmel weckt, beendet sein Werk beim Tod des Menschen nicht. Am Ende der Tage baut er den mystischen Tempel der gläubigen Seele wieder auf: „(Gott) wird euch euren sterblichen Leib zum Leben erwecken durch seinen Geist, der in euch wohnt.“ (Röm 8, 11).