Blockparteien unterzeichnen Verhaltenskodex: Wir haben uns alle lieb und hassen die AfD!

Michael van Laack

In der DDR war es Usus und musste deshalb nicht gesondert kommuniziert werden: CDU, LDPD, NDPD, DBD und last but not least die SED sagen und wollen das Gleiche, lediglich in Nuancen nicht deckungsgleich, mit anderen Worten vorgestellt und in den Themenschwerpunkten wegen der unterschiedlichen Interessen ihrer Zielgruppen unterscheidbar. ‘Wir sind keine Gegner, sondern partizipieren wie ihr Bürger allesamt gleichermaßen am System des demokratischen Sozialismus’, lautete die Einheitsbotschaft hinter diesen “Unterschieden”.

Heute sagt man stattdessen: Wir verteidigen gemeinsam UNSERE Demokratie, gemeint ist allerdings nahezu dasselbe. Union, SPD, FDP, Grüne und Linke haben zu diesem Zweck einen Verhaltenskodex geschaffen, den sie heute der Öffentlichkeit unter der Überschrift »Für den Schutz unserer Demokratie und Fairness unter Demokratinnen und Demokraten« vorgestellten wollen. Das von den Generalsekretären buw. Bundesgeschäftsführern der Parteien unterzeichnete Dokument soll ab sofort einen weichgespülten Wahlkampf und in der wahlkampffreien Zeit ein dauerhaftes harmonisches Gegeneinander sicherstellen.

Linkslastiges “Friede, Freude, Eierkuchen”

Konträre Positionen sollen nicht mehr so klar wie bisher herausgestellt werden, denn aus deutlichen Verantwortlichkeitszuweisungen erwachse der Aufbau von Feindbildern und diese führten zwangsläufig zu Gewaltexzessen. Deshalb dürften auch die Fehler der Parteien der Ampelkoalition nicht mehr unzweideutig kommuniziert werden und klare Schuldzuweisungen für aktuelle Fehlentwicklungen müssten tabu sein.

Die fünf zentralen Anliegen dieses Verhaltenskodex lauten wie folgt:

  • Wir bekämpfen Extremismus
  • Wir fördern eine respektvolle Demonstrationskultur
  • Wir setzen auf sachliche Diskussion
  • Wir sagen Desinformation und Falschinformationen den Kampf an
  • Wir werben für das Engagement in demokratischen Parteien

Gegen den vierten Punkt der hehren Ziele wird dann aber sogleich verstoßen, wenn es heißt:

Die jüngst bekannt gewordenen Deportations-Pläne von Vertretern der AfD sind menschenverachtend und widerwärtig. Mit der AfD und mit Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, wird es keinerlei Zusammenarbeit geben.

Deportationspläne hat es freilich nie gegeben, auch keine “Wannseekonferenz 2.0” und das Reden über Remigration war bis zu diesem “Skandal” auch eine Forderung nicht weniger Unionspolitiker und einiger FDPler.

Wen der Staat zur Demo ruft…

Auch der zweite Punkt hat es in sich: “Wir fördern eine respektvolle Demonstrationskultur” heißt so viel wie: Wenn die Bundesregierung oder andere im Bundestag vertretene Parteien “Demos gegen rechts” organisieren auf denen “Ganz Deutschland hasst die AfD” skandiert wird, ist das fast so legitim wie “From the River to the Sea”-Demos anständiger und aufrechter besorgter Bürger aus dem linken Spektrum.

Wenn aber die AfD zu unbunten weil ohne Angriffe auf Polizisten auskommenden Demos aufrufe (z.B. gegen Migrantengewalt, muslimischen Antisemitismus, linksextremistischen Antizionismus) oder auch nur an einem „Marsch für das Leben“ der aus „demokratischer“ Sicht frauen- und menschenrechtsfeindlichen Lebensschutzbewegung teilnehme, seien das selbstverständlich keine Veranstaltungen, die der Rubrik “respektvolle Demonstrationskultur“ zugeordnet werden dürften, sondern hätten als solche zu gelten, die aus Hass auf Minderheiten geboren die braven Bürger mit dem Endziel „Delegitimierung der Bundesregierung und anderer demokratischer Parteien“ verführen und deren Initiatoren Auschwitz zeitnah wiedereröffnen wollten.

Was allerdings in Zukunft unterbleiben soll, ist der Hinweis von Demonstranten darauf, dass CDU und AfD in der Migrations- Gender-, Klima- und Wirtschaftspolitik große Gemeinsamkeiten haben. denn nur weil man das Gleiche fordert, will man noch lange nicht das Gleiche. oder in den Worten der Verhaltenskodex-Unterzeichner:

Durch irreführende Formulierungen dürfen demokratische Parteien im Mitte-Rechts-Spektrum keinesfalls mit rechtsextremen Parteien gleichgesetzt werden.

Doch enthält der Kodex auch Erfreuliches, wenn es z. B. unter der dritten Hauptüberschrift “Wir setzen auf sachliche Diskussion” heißt:

Der demokratische Wettbewerb beruht auf Wahrhaftigkeit und Respekt im Miteinander. Wir dulden keine Lügen oder Verleumdungen.

Piep, Piep, Piep – Wir haben alle lieb… außer der AfD

Wir werden also von heute an keine Aussagen wie: “Die AfD ist eine Nazi-Partei”, “Die AfD schreckt ausländische Fachkräfte ab”, “Die AfD ist hauptverantwortlich für den Niedergang der deutschen Wirtschaft” oder “Die AfD hat den Nährboden für das Attentat auf den slowakischen Präsidenten Fico bereitet” mehr zu hören bekommen.

Allerdings darf die CDU auch nicht mehr vom Heizungshammer oder von durch Migranten überfluteteten Großstädten und NoGo-Areas reden, denn all das wäre aus Sicht der Grünen gewiss hasserfüllte Lüge. Auch die frühere Nähe von Steinmeier und Scholz zur russischen Führung wird kein Thema mehr sein dürfen, ebenso wie die Vorgänge rund um die Entscheidung zur Abschaltung der letzten Kernkraftwerke oder die Debatte über Cannabis oder das Selbstbestimmungsgesetz.

Ebenso dürfte in Zukunft der Hinweis der Ampelparteien darauf, dass sie aus den Merkel-Legislaturen ein schweres Erbe übernommen habe, als Halb- bis Unwahrheit ebensowenig geduldet werden wie die von Liberalen als Beleidigung empfundene Rede von der “Umfallerpartei.” – Wir werden also ab jetzt gewiss nur noch Harmonie und weichgespültes Werben um Wähler sehen. Wie schöööön!

Jeder hat die Rechte, die wir ihm gewähren!

Fast am Ende des Dokumentes lesen wir dann noch den Hinweis, dass die Parteien laut Grundgesetz an der Meinungs- und Willensbildung mitwirken und ihnen deshalb die Förderung des politischen Diskurses ein Herzensanliegen sei. Freilich nur, so füge ich an, solange der Diskurs in einem engen von den Unterzeichnern als demokratisch definierten Meinungskorridor stattfindet, die AfD kein Recht auf Teilhabe an der Meinungsbildung der Bürger hat (dafür haben die Medien zu sorgen), von der Willenbildung im Bundestag und den Landtagen ausgeschlossen bleibt und ihr grundsätzlich nirgendwo das Podium geboten wird, auf dem sie offenbaren könnte, dass zwischen “unsere Demokratie” und “die Demokratie” ein erheblicher Unterschiedbesteht; sowohl inhaltlich als auch ideologisch.

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