Cannabis-Konsum auf Kassenrezept?

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von Heinz Ess *)

Cannabis-Konsum auf Rezept sollte nur bei gleichzeitigem Entzug der Fahrerlaubnis toleriert werden!

Cannabis-Konsum führt zu massiven Leistungsbeeinträchtigungen im Bereich des Zeitgefühls, der optischen und akustischen Wahrnehmung sowie des Reaktions- und Konzentrationsvermögens.

In der Studie von Johannes G. Ramaekers, Günther Berghaus, Margriet van Laar und Olaf H. Drummer wurden die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Fahrtauglichkeit untersucht. Danach ist eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit zu bejahen. Bei Dauerkonsum von Cannabis kann es zu dauerhafter Fahruntüchtigkeit kommen, die aber nach einer gewissen Dauer der Abstinenz wieder nachlässt, sodass die Fahrtüchtigkeit wiedererlangt werden kann.

Hieraus – und aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 ergibt sich zwangsläufig:

Jedem Cannabis-Dauerkonsumenten (vgl. „Freigabe von Haschisch auf Kassen-Rezept als Medikament z.B. Schmerzmittel“) ist ab dem Beginn des Konsums die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Da es sich in diesen Fällen der ärztlich verordneten Cannabis-Anwendung um täglich mehrfach verabreichte Cannabisdosen handelt, muss diesen Patienten allein schon aus diesem Grund die Fahrerlaubnis entzogen werden.

Der Gesetzgeber sollte schnellstmöglich dafür sorgen, dass Cannabis auf Kassenrezept in der Apotheke nur dann ausgehändigt werden darf, wenn der Konsument/Patient eine amtlich gültige Bescheinigung vorlegt, aus der hervorgeht, dass ihm für die Dauer des Cannabis-Dauerkonsums bis auf weiteres der Führerschein entzogen wurde.

Das Erreichen des Grenzwertes von 1,0 ng/ml THC ist eindeutig auf Dauer gegeben bei jedem chron. Schmerzpatienten, der z.B. auf Kassenrezept Haschisch (Cannabis) aus der Apotheke bezieht und ständig bis zu dreimal pro Tag und weit darüber hinaus Cannabis konsumiert.

Besondere Gefahren bestehen im Mischkonsum von Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr. Diese Gefahren sind größer als bei einer Beschränkung auf eine Droge. Es gibt auch noch keinen mit dem Atemalkoholtest vergleichbares Verfahren zur Bestimmung des THC-Gehalts im Körper. So produzieren die derzeitigen Testmethoden noch viele Falschmeldungen in beide Richtungen. Cannabis beeinflusst auch nicht alle Bereiche der Fahreignung. Hauptsächlich betrifft es die Bereiche wie beispielsweise Geschwindigkeit, nicht jedoch das Einschätzen von Abständen.

Aus den Rausch-Effekten des Cannabis resultieren folgende Leistungseinschränkungen im Straßenverkehr:
1. Störungen des Zeitgefühls,
2. Störungen der Bewegungskoordination,
3. Verlängerung der Reaktions- und Entscheidungszeit (z. B. Fehleinschätzungen der für Überholvorgänge erforderlichen Zeit),
4. Einschränkung des verkehrsrelevanten Hörvermögens im Sinne der “Signalentdeckung” (schwache Gehörreize können aus irrelevanten Hintergrundgeräuschen nicht mehr zuverlässig herausgefiltert werden),
5. Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit,
6. Herabsetzung des Farbunterscheidungsvermögens,
7. verschlechtertes Erkennen von zentralen und peripheren Lichtsignalen und von Details in bewegten Objekten,
8. Verschlechterung der dynamischen Sehschärfe für bewegte Objekte sowie
9. Verschlechterung des räumlichen Sehens.
Bei experimentellen Untersuchungen ergaben sich nach Cannabiskonsum die folgenden allgemeinen Ausfallerscheinungen (beim Test im Fahrsimulator und im realen Fahrversuch auf der Straße), die die o.g. Leistungsminderungen zusammenfassen:
1. Leistungsminderungen bei der Fahrkoordination
2. Leistungsminderungen beim “Tracking” (= Fähigkeit, einen Zeiger auf einem bewegten Ziel zu halten). Trackingaufgaben erfordern häufig Hand-Auge-Koordinationen.
3. Leistungsminderungen bei der “Vigilanz” (= Fähigkeit, seltene Signale bei einer ereignisarmen oder langweiligen Aufgabe zu entdecken und zu beantworten)
4. Leistungsminderungen bei der “Perzeption” (= Vorgang des Auffassens, des Erkennens eines Gegen-standes und zugleich die Vorbereitung für seine Aufbewahrung als Erfahrung)

Bei gleichzeitigem Alkohol-Konsum verstärken sich die Wirkungen des Cannabis. Es kommt darüber hinaus häufiger zu Sprachstörungen, Gangstörungen und verlangsamten Denkabläufen im Vergleich zum ausschließlichen Cannabis-Konsum.

Der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit nach Cannabiskonsum ergibt sich aus den im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus Anlass seiner Ent¬scheidung vom 20.06.2002 erstellten Gutachten von Prof. Dr. Berghaus und von Prof. Dr. Krüger (aus http://www.bads.de/informieren/drogen/cannabis/)

Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Thema Cannabis-Dauerkonsum und Fahrtüchtigkeit sowie Entzug der Fahrerlaubnis:
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
– 1 BvR 2062/96 –
20. Juni 2002 Seite 48/49
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2002/06/rk20020620_1bvr206296.html

a) Die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 4 StVG und § 15 b Abs. 1 StVZO dient dem legitimen Zweck, den fahrungeeigneten Erlaubnisinhaber davon abzuhalten, aktiv mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Dadurch sollen von ihm ausgehende Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit verbundene Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Bürger abgewendet werden.

Ein auch verfassungsrechtlich tragfähiger Anlass zur Entziehung einer Fahrerlaubnis besteht zum einen bei einem dauerhaften, generell die Fahreignung (und nicht lediglich situationsbedingt die Fahrtüchtigkeit) ausschließenden Eignungsmangel; der Gesetzgeber hat dem durch § 4 StVG und § 15 b Abs. 1 StVZO Rechnung getragen. In Betracht kommen hier die schon erwähnten körperlich-geistigen Mängel, also Defizite der körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit oder Fehlfunktionen, die das Unvermögen des Betroffenen zur Folge haben, ein Kraftfahrzeug sicher und verkehrsgerecht im Straßenverkehr zu führen. Zum anderen können charakterlich-sittliche Mängel die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (unzureichende Trennungsbereitschaft). (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2002/06/rk20020620_1bvr206296.html)

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*) Heinz Ess ist Arzt und Philosoph sowie seit vielen Jahren Autor bei conservo
(Zum gleichen Thema siehe auch: https://www.conservo.blog/2017/03/23/cannabis-auffaelligkeiten-im-verhalten-deutscher-parteien/)

www.conservo.wordpress.com 30.03.2017

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