(www.conservo.wordpress.com)
Von Peter Helmes
Nach dem Himmel-Hoch jetzt (vorerst) Normal-Wetter. Oder schon ein Tief?
Macron werden von den Wählern fast übernatürliche Kräfte und Möglichkeiten zugeschrieben. Von ihm wird beinahe erwartet, daß er zum Retter nicht nur Frankreichs, sondern auch Europas wird. Im seinem Fall wird sich aber viel schneller zeigen, was möglich ist und was nicht.
Sein innenpolitisches Reformprogramm, das nicht populär sein dürfte, weil es den Franzosen Besitzstände nehmen wird, die sie für ehern und unverrückbar hielten, läßt sich so schnell nicht umsetzen. Man erinnert sich: Vor den Präsidentschaftswahlen hatte Macron angekündigt, eine Arbeitsmarkt-, Renten- und Sozialreformen anzupacken – und damit französische Tabus zu brechen. Aber um seine Wahlversprechen umzusetzen, wird er um die Einleitung schmerzhafter Reformen nicht herum kommen.
Schon bei dem Versuch, den Arbeitsmarkt zu dynamisieren und Maßnahmen zu ergreifen, die den Arbeitnehmern nicht schmecken dürften, wird er sich blaue Augen einfangen; denn schon jetzt bereiten die französischen Gewerkschaften, die viel radikaler sind als die deutschen, einen „heißen Herbst“ vor. Auch treibt er die starken Gewerkschaften mit seinem Plan auf die Barrikaden, die Unternehmenssteuer zu senken.Frankreich hat viele Probleme, die sich nur langfristig lösen lassen. So schnell ändert sich ein Land nicht. Es gibt viele Regionen, die ein anderes „Gesicht Frankreichs“ zeigen. Dort haben die Menschen Angst vor der Modernität, Angst vor der Globalisierung und vor der Zukunft. Und da herrscht große Perspektivlosigkeit. Die Menschen sind weniger gebildet und auch weniger erfolgreich, während die Anhängerschaft Macrons eher gut verdienend und gebildet ist.
Islamische Bedrohung
Neben ökonomischen und sozialen Fragen steht Frankreich in einer noch größeren Herausforderung. Es geht in Frankreich aber nicht nur um Prosperität oder wirtschaftliche Fragen. Das Land steht wie kein anderes europäisches Land vor einer Zerrüttung durch den Islamismus.
Denn es gibt eine wachsende Liebe zum Islam einerseits und eine zunehmende Schwäche gegenüber der islamistischen Kriminalität. Diese Schwäche wird von einem politisch korrekten Wunsch getragen, eine multikulturelle Politik zu betreiben. Das Ergebnis? Dschihadisten-Angriffe gehören in Frankreich zu den schlimmsten in der Geschichte. Man zählt etwa 751 No-Go-Zonen im Land („zones urbaines sensibles“), Orte, an denen von Zeit zu Zeit extreme Gewalt ausbricht und wo die Polizei, Feuerwehr und andere öffentliche Akteure nicht hingehen aus Angst davor, weitere Gewalt zu provozieren. Dazu hätte man zu Beginn der Amtszeit der neuen Regierung gerne etwas mehr und Konkretes gehört.
Kein Geheimnis: Der neugewählte französische Staatspräsident ist in der rauen Wirklichkeit seines Landes und Europas angekommen.
Die Freude über den französischen Wahlausgang ist groß in Europa – aber sie sollte speziell die Deutschen nicht dazu veranlassen, ihren Verstand auszuschalten. Der neue Präsident Macron will für die Euro-Zone ein eigenes Parlament und ein eigenes Budget mit einer eigenen Steuerhoheit und der Möglichkeit, in gemeinsamer Verantwortung Schulden zu machen. Er will zudem über eine gemeinsame Einlagenversicherung für die Banken und eine europäische Arbeitslosenversicherung einen direkten Geldfluss vom Norden in den Süden organisieren. Das liegt im ureigenen Interesse der französischen Wirtschaft, weil im Süden viele Auslandskunden der französischen Banken und der französischen Industrie zu finden sind.
Europa stehen stürmische Zeiten bevor. Aber die verantwortlichen deutschen Politiker tun so, als ob alles zu unserem Besten sei. Und 51 Prozent der Deutschen sind laut Spiegel-Umfrage für „gemeinsame Investitionen“. Über die Deutschen und ihren Idealismus kann man nur staunen.
Lesen Sie, was das renommierte, nichtlinke IDAF dazu schreibt *):
Mißerfolge und verbale Entgleisungen – das harte europäische Brot
Die in Brüssel konzentrierte Elite der Europäischen Union ist ganz versessen auf den neuen Staatspräsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron. „Macronianer“ zu sein ist total schick, das Europaviertel der belgischen Hauptstadt ist „macronisiert“. Emmanuel scheint auch Angela Merkels neuer Liebling zu sein. Böse Zungen sagen gar, er sei der (Schwieger-) Sohn, den sie nie hatte. Und da die französischen Kollegen bekanntlich vernarrt sind in Wortspiele, gibt es nach Merkozy (Merkel und Sarkozy) und Merkollande (Merkel und François Hollande) nun: „Mercron“ – das Super-Duo der deutsch-französischen Beziehung und der Motor der europäischen Integration.
Doch Achtung! Auch hier gibt es wieder böse Zungen, die das zweite „R“ einfach vergessen und dann entsteht Mercon. Con bedeutet umgangssprachlich: Idiot. Ob sich in diesem Duo jemand als nützlicher Idiot erweist, das ist vorläufig unwahrscheinlich oder doch zumindest völlig offen…
Die Kanzlerin dürfte es vorerst nicht sein. Beispiel der letzte EU-Gipfel: Macron kam nach einigen verbalen Kraftübungen in Form von Ankündigungen zu seinem ersten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs nach Brüssel. Und trotz der verbalen Aufrüstung scheiterte er bei der Umsetzung einer der wichtigsten Forderungen Frankreichs, nämlich dem Umgang mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie der EU. Die offizielle Berichterstattung der in Frankreich von der Regierung subventionierten Medien ging über diese Bauchlandung hinweg, ja selten war die Darstellung der Medien so weit von der Wirklichkeit im Justus-Lipsius-Gebäude des Rats der EU entfernt. Auch in Deutschland las man nur, dass mit Macron die EU einen neuen Schwung erhielte, von der Entsenderichtlinie war keine Rede.
Was hat es damit auf sich? In Paris kündigte der französische Staatspräsident noch lautstark an, die Arbeitnehmerentsenderichtlinie neu zu verhandeln. Diese Ankündigung war auch dem Präsidentschaftswahlkampf geschuldet. Macron sieht hier die Gefahr des Sozialdumpings zulasten der traditionell defizitären Sozialkassenr. Doch in den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union findet sich kein einziger Hinweis auf die Forderungen Macrons. Frankreich konnte sich nicht durchsetzen – im Lichte der verbalen Kraftmeierei vor dem Gipfel eine klare Niederlage. Sie wurde geflissentlich übersehen, weil es nicht in die gewünschte Wahrnehmung des Politik-Helden im Elysee-Palast und dem neuen Schwung für Europa passt.
Doch die Niederlage erklärt auch die verbalen Entgleisungen Macrons gegenüber den Visegrad-Staaten und Polen, mit denen sich der Franzose in Mittel- und Osteruopa schon zum Einstand unbeliebt gemacht hat. Diese Staaten hatten nämlich deutlich nein gesagt zu Macrons Wünschen. Kein Wunder: Sie profitieren davon, denn viele Polen, Ungarn und andere arbeiten in Frankreich und zahlen die daraus entstehenden Sozialabgaben in ihren Ursprungsländern, nicht in Frankreich.
Die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie heißt vollständig Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und wurde vom EU-Parlament und dem Rat am 16. Dezember 1996 erlassen. Das vorweihnachtliche Kuckucksei vor vor 20 Jahren verkompliziert heute zwar die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb des gemeinsamen Marktes. Die Prozesse innerhalb der EU bis immanente Probleme von EU-Entscheidungen erkannt und, wenn es die Mehrheiten erlauben, eventuell wieder abgeändert werden können, dauern lange. Bei der „klassischen Form“ der Arbeitnehmerfreizügigkeit arbeitet ein Arbeitnehmer in einem EU-Mitgliedsstaat nach den dortigen Regeln. Die Einheit zwischen dem Ort der Erbringung der Leistung und den dort geltenden Arbeitsbedingungen ist hergestellt.
Im Rahmen der Entsende-Richtlinie hebt die EU den Zusammenhang zwischen dem Ort der zu erbringenden Leistung und dem dort geltenden Arbeitsrecht zeitweise auf. Damit kann beispielsweise in Frankreich ein bulgarischer Arbeiter nach französischen Lohnregeln bezahlt werden, seine Sozialabgaben jedoch weiterhin in seinem Herkunftsland regeln. Jener bulgarische Entsende-Arbeiter profitiert im Krankheitsfalle von den sehr großzügigen Regeln des Sozialsystems in Frankreich, ohne jedoch eigene Krankrenkassenbeiträge zu bezahlen. Man muss nicht weiter erläutern, was das für Schwierigkeiten mit sich bringt – vor allem für ein so defizitäres Sozialsystem wie das französische. Übrigens auch für das deutsche. Der Ärger von Macron ist verständlich.
Die Nicht-Erwähnung dieses von Macron so betonten Problems ist für ihn umso ärgerlicher, als der Europäische Rat, statt die Schuld für die schlechten Wirtschaftsdaten Frankreichs auch mit der Entsende-Richtlinie zu begründen, in seinen Schlussfolgerungen mehr Einsatz in der Industriepolitik verlangte. Hier hat Macron jedoch kein Konzept. Merkel hat das offenbar erkannt und den französischen Partner diskret darauf hingewiesen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz war Macron dann entsprechend devot: „Ich möchte unterstreichen, dass Deutschland und Frankreich die Ratssitzung von Anfang an eng miteinander vorbereitet haben, dass unsere Standpunkte immer aufs engste miteinander abgestimmt waren und wir darüber nun gemeinsam Rechenschaft ablegen können. Und dass ich das in Zukunft immer so machen werde.“
Klartext in Brüssel: Frankreich buckelt vor Berlin.
Im Elysee-Palast in Paris klang das einige Tage vorher noch ganz anders. Aufmerksame Beobachter sind sich einig, dass Macron die Linie seines Ziehvaters und Amtsvorgängers Hollande fortführen wird, die darin besteht, keine eigene französische Position zu vertreten, sondern systematisch alle französischen Wünsche mit der deutschen Diplomatie erst abzusprechen und sich dann weitgehend anzupassen. Aber vielleicht kann sich selbst daraus noch eine gleichberechtigte Partnerschaft entwickeln….