(www.conservo.wordpress.com)
Von Peter Helmes
Zum 103 Jahrestag des Großen Mordens der Türken an den Armeniern: Armenier-Genozid
Der Geist, der durch die türkische Regierung weht, weckt unwillkürlich Erinnerungen an den Genozid, den vor mehr als einhundert Jahren die Türken an den Armeniern verübt hatten – was die Türkei, allen voran Erdogan, zwar heftigst bestreitet, inzwischen jedoch von fast allen Historikern so gesehen wird. Dem Genozid fielen bis zu eineinhalb Millionen armenischer Christen zum Opfer. Aber die Türken haben sich nicht geändert:
Die Türkei behindert nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die rund 20 Millionen Aleviten im Land in ihrer Religionsfreiheit.
Aleviten würden ohne nachvollziehbare Rechtfertigung anders behandelt als die Mehrheit der sunnitischen Muslime, entschieden die Straßburger Richter.
Damit hatte eine Beschwerde von mehr als 200 Aleviten Erfolg. Sie wollen unter anderem erreichen, dass ihre Gebetshäuser und Gottesdienste offiziell anerkannt werden. Die Regierung in Ankara hatte ein entsprechendes Gesuch der liberal-islamischen Religionsgemeinschaft 2005 zurückgewiesen.
Völkermord: Die Armenier nicht vergessen
Um was es geht, ist inzwischen jedem bewußt. Auch hier auf conservo haben wir mehrfach darüber berichtet. Die Türkei schleppt eine Altlast mit sich rum, die ihr so peinlich ist, daß sie aggressiv reagiert, wenn man daran auch nur tippt: das Armenien-Blutbad bzw. der Völkermord (1915). Die Verharmlosung dieses Genozids gehört zur Stamm-Argumentation am Bosporus. Man dreht den Spieß um und spricht zynisch vom „armenischen Aggressor“.
Schon als vor sieben (!) Jahren die Franzosen in der Assemblée Nationale (Pendant zum Bundestag) eine deutliche Resolution zur „Armenien-Frage“ beschlossen, wurden auch in Deutschland die Forderungen nach einer deutschen Stellungnahme zum Völkermord unüberhörbar lauter: Was Völkermord war, sollte auch Völkermord genannt werden. Es ist für unser Land also keine Ruhmestat, erst viel später einen wachsweichen Beschluß herbeigeführt zu haben.
Erdogan tobt mal wieder
Daß Erdogan mit Konsequenzen droht (und immer gedroht hat), sollte uns nicht beeindrucken. Die türkische Führung tobt gegen jeden, der von Völkermord oder Genozid spricht. Erdogan appellierte an den „gesunden Menschenverstand“ Deutschlands. Ministerpräsident Binali Yildirim (60) beklagte gar „die haltlosen und ungerechten politischen Urteile“ der Entschließung durch den Menschenrechts-Gerichtshof..
Die Abstimmung des Bundestags ist nach Yildirims Einschätzung ein „echter Test für die Freundschaft“ zwischen den Nato-Partnern Türkei und Deutschland. Es wäre „irrational“, wenn die Abgeordneten für die Resolution stimmten, sagte Yildirim heute.
Wir aber sind auch deshalb moralisch verpflichtet, der Türkei die rote Karte zu zeigen, weil dort nicht genannt werden darf, was so genannt werden muß. In der Türkei drohen dem, der das verbotene Wort vom Genozid ausspricht, unglaubliche Konsequenzen hat. Bürger, die von einem Völkermord an den Armeniern sprechen, müssen mit einer Haftstrafe rechnen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird mit Füßen getreten. Da darf Berlin – schon gar nicht wegen des Flüchtlingspakts – nicht schweigen!
Türkische Altlast: versuchte Ermordung eines christlichen Volkes
Es ist eben so – trotz aller Leugnungsversuche Erdogans und seines Gefolges: Die Türkei schleppt eine Altlast mit sich rum, die ihr so peinlich ist, daß sie aggressiv reagiert, wenn man daran auch nur tippt: das Armenien-Blutbad bzw. der Völkermord (1915). Die Verharmlosung dieses Genozids gehört zur Stammargumentation am Bosporus. Grausamkeiten, Mord, Folter oder Vertreibung mit Hungertod – das waren die Werkzeuge der Türken, die sie gegenüber den verhaßten christlichen Armeniern anwendeten. Dem Genozid fielen bis zu eineinhalb Millionen *) armenischer Christen zum Opfer.
Die versuchte Ermordung eines ganzen Volkes und der grausame Tod von mindestens 1 Million *) Kinder, Greise, Männer und Frauen durch die islamischen Türken begann am 24. April 1915. Es war ein von den Jungtürken geplanter Genozid an den Armeniern. Zuerst waren es „Säuberungsaktionen“, von Konstantinopel (Istanbul) ausgehend in die gesamte Türkei. Dann trafen türkische Mordkommandos in armenischen Dörfern ein, die die armenischen Familien beraubten, umbrachten oder auf einen „Todesmarsch ins Nichts“ schickten, in Gegenden, wo sie elendiglich krepieren mußten. Tote in Massengräbern und Gräber mit Leichen am Straßenrand pflasterten den Weg in die Wüste. Die, die nicht ermordet wurden, verhungerten dort. Die Aktion gegen die Armenier erstreckte sich über zwei Jahre. Und die Welt schaute weg.
*(Anmerkung PH: die Schätzungen der Historiker schwanken zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Toter)
Türkei leugnet Völkermord
Es geht hier und heute nicht mehr um Verurteilung oder gar Rache. Es geht allerdings um Anerkennung der klaren Tatsachen. Aber solange politische, wirtschaftliche und militärische Interessen den Dialog mit der Türkei bestimmen, wird Ankara wenig Anlaß sehen, seine Haltung – Leugnung des Genozids – zu ändern.
Das Verschweigen und Leugnen des Genozids an den Armeniern in der Türkei hilft aber niemandem, schon gar nicht den Türken. Wer das, was den Menschen zum Menschen macht, wer den Ausdruck des Humanen im Menschen – gewiß, eine Tautologie – unterdrückt oder ganz verhindern will, der ist und handelt inhuman und stellt sich an die Seite der Schuldigen.
Wir, die Deutschen, mußten nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Holocaust lernen.
Das wurde uns 70 Jahre lang eingebläut und kriegen wir täglich gesagt. Deshalb frage ich mich, wann sich die Türkei dem von ihr verübten Völkermord stellt. Die Erinnerung an diesen Genozid kann man nicht „aussitzen“ oder einfach aus dem Gedächtnis streichen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren nicht.
Die Armenier haben vielfach bewiesen, daß sie zu Verzeihung und Versöhnung bereit sind – eine zutiefst christliche Grundeinstellung und die Grundlage unserer abendländisch-christlichen Kultur. Aber vielleicht liegt gerade darin der Schlüssel für die Verstocktheit der muslimischen Türkei.
Der Vorgang beweist, daß die Türkei noch nicht reif ist für die politische Kultur Europas, die eben auf der Versöhnung der Völker beruht. Alfred Grosser, der Franzose und Deutschen-Freund, hatte es einmal treffend formuliert: „Die Basis für Europa muß das Verständnis für die Leiden der anderen sein.“ Soweit ist die Türkei noch nicht. Der Bosporus trennt (christliches) Abend- vom muslimischen Morgenland.
Türkische Drohung
Das Bekenntnis zu unserer abendländischen Kultur setzt einen ehrlichen Dialog, Schuldbekenntnis und Sühne voraus. Die Türkei macht das ganze Gegenteil: Sie droht gar („Die Presse“ v. 28.1.2005): „Was unsere Väter damals gemacht haben, können wir auch wieder tun.“ Eine unverhohlenen Drohung, die nicht weit von Volksverhetzung ist!
Begriff Völkermord umgangen
Anläßlich des 100. Jahrestages hatte die deutsche Bundesregierung den Begriff Genozid bzw. Völkermord bewußt umgangen. In der „Süddeutschen Zeitung” hatte sich der damalige Außenminister Steinmeier besorgt gezeigt, eine aufgeladene Debatte erschwere den Beginn eines aufrichtigen Dialogs zwischen Türken und Armeniern oder könnte ihn unmöglich machen. „Verantwortung heißt eben, Verantwortlichkeit nicht auf einen einzigen Begriff zu reduzieren”, sagte er gegenüber der ARD.
Aus dem Auswärtigen Amt war zu hören, man sei an einer „Aufarbeitung der Geschichte” interessiert, wolle aber „nicht wegen Begrifflichkeiten den Dialog von vornherein zum Erliegen bringen”. Kritiker vermuten, Berlin wolle die Beziehungen zur Türkei nicht weiter belasten, um wirtschaftlichen und „Flüchtlings“-Interessen nicht zu schaden. Mehrere tausend deutsche Unternehmen sind in dem Land aktiv.
Beschämender deutscher Kuschelkurs mit der Türkei
Das ist ein beschämender Kuschelkurs gegenüber einem Präsidenten, der immer autoritärer regiert und längst bereit ist, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien seinem Machthunger zu opfern. Deutschland sollte auf dessen Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen. Im Gegenteil, diplomatischer Druck auf die Türkei ist nötig, damit sie ihre Politik der permanenten Leugnung nach 103 Jahren endlich aufgibt.
DITIB-Heuchler
Es gab keine Alternative zu dieser Resolution. Oder hätte sie so aussehen sollen wie die Presseerklärung der (staatsgeförderten) türkischen DITIB? Ich weiß nicht, über was ich mich mehr wundern soll: über so viel Frechheit oder so viel Taqiyya, die muslimische Taktik der List. Das Folgende landete auf den Redaktionstischen:
„…Der im Juli 1914 ausgebrochene Krieg in Europa hat in kurzer Zeit das Gebiet des Osmanischen Reiches erreicht und das Blutvergießen mit sich gebracht. Während dieses Krieges sind mehr als 10 Millionen Muslime, Christen und sehr viele anderen Religionsangehörigen gestorben, die bis zu dieser Zeit in Frieden miteinander lebten aber gegeneinander angestachelt wurden (…)
…Unter den Kriegsopfern waren auch viele armenischen Bürger des Osmanischen Reiches, die nach der Übersiedelungsinitiative ihr Leben verloren haben. Im Rahmen des hundertsten Jahres zum Beginn dieser Übersiedlung am 24. April 1915 teilen wir das Leid der armenischen Bevölkerung, die sie im Rahmen der Kriegsbedingungen erlitten haben und die tiefe Spuren in den Gedächtnissen hinterlassen haben. Allen unschuldigen und geschädigten Gefallenen während dieses Krieges wünschen wir die Barmherzigkeit des erhabenen Schöpfers (…)
…In einer Situation, in der im Austausch zwischen den Historikern und den beteiligten Parteien das gegenseitige Verstehen und die gegenseitige Umarmung als Lösung dienen sollte, ist es allerdings für das gegenseitige Verstehen und das Entstehen eines Friedensklimas hinderlich, wenn unbeteiligte dritte politische oder religiöse Lager Thematisierungsinitiativen des Ereignisses allein über Beschreibungen, Symbole oder Verbote starten. Statt das Umsiedlungsereignis von den armenischen Staatsbürgern des Osmanischen Reiches und die erlebten Dramen in Anatolien im Jahr 1915 vor allem ganzheitlich mit ihren Gründen und Folgen zu erörtern, betonen wir, dass politische Ziele verfolgend die beharrliche Oktroyierung des Begriffes „Völkermord“ in Form einer einseitigen Schuldzuweisung weder zutreffend ist, noch irgendjemandem einen Nutzen bringen wird (…)
…Die aktuell in unserer deutschen Heimat von Politikern, ja sogar seitens der Kirchen geführte Diskussion breiter Schichten führt sowohl in der Sprachwahl als auch in der Haltung zu äußerstem Unbehagen bei den in Deutschland lebenden türkeistämmigen Menschen und Massen muslimischer Gemeindeangehörigen..“ (Unterzeichnet mit „DITIB Bundesverband“)
(Quelle: http://www.ditib.de/detail1.php?id=459&lang=de)
„Der türkischen Staatsdoktrin folgend leugnen und verharmlosen Musterbeispiele gescheiterter Integration wie der frühere Vorsitzende der „Türkischen Gemeinde in Deutschland“, Kenan Kolat (SPD), bis heute und mitten in Deutschland Ausmaß und Tatsache des Völkermordes. Der Ehemann der Berliner Senatorin Dilek Kolat, der in anderen Fällen auf „Rassismus“ bei Dritten hinweist, forderte gleichzeitig die Streichung des Völkermordes an den Armeniern aus deutschen Schulbüchern (…) “ (Quelle: http://juedischerundschau.de/eigentlich-begann-es-schon-1894-135910064/)
Betroffenheits-Talkshows ohne einen betroffenen Armenier
Man redet in Deutschland über die Türkei und den Völkermord (Genozid) an den Armeniern in Talkshows grundsätzlich ohne einen Armenier, der seine Meinung darstellen könnte. Klar, man lädt keinen Armenier ein, um die Gefühle der türkischen Gäste nicht zu verletzen. Wir Deutschen sind ja schließlich ein friedliches Volk, nachdem wir so viel Leid über die Menschheit verbreitet haben! Was für ein Argument ist denn das? Das ist einfach nur feige.
Außerdem stimmt die Meßlatte nicht. Denn unsere Medien haben keinerlei Scheu, nationalistische, chauvinistische oder islamistische Funktionäre der ATIB, der IGMG, der DITIB, der UETD usw. als „Integrations-, Türkei – und Völkermord(!)-Experten“ einzuladen. Die vorgespielte „Vielfalt“ der Öffentlich-Rechtlichen ist schlicht Einfalt.
Türkei und Pressefreiheit: wieder zwei Ränge schlechter
In der jährlich von „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichten „Rangliste Pressefreiheit“ ist die Türkei noch einmal um zwei Plätze zurückgefallen: auf Rang 151 (von 180 bewerteten Ländern insgesamt). Die Organisation schreibt dazu u. a.:
In der Türkei „…gingen Regierung und Justiz nicht zuletzt im Zeichen des wiederaufgeflammten Konflikts mit den Kurden massiv gegen kritische Medien vor. Wiederholt wurden Nachrichtensperren verhängt, Redaktionen überfallen oder unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt, ausländische Reporter festgenommen und kritische Journalisten mit Klagen überzogen. Hinzu kamen Mordanschläge auf mehrere syrische Medienaktivisten, die in die Türkei geflüchtet waren. (siehe auch: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2016/)