Merkels Albtraum: Italien – eine neue Regierung mit vielen „Unbekannten“

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Italien – die drittgrößte Volkswirtschaft der EU

Italien bekommt eine neue Regierung. Staatspräsident Sergio Mattarella gab grünes Licht für ein rechtsgerichtetes Kabinett, an dessen Spitze ein politischer Neuling steht. Letzteres ist nicht ungefährlich; denn Italien ist hoch verschuldet. Dennoch plant die künftige Regierungskoalition teure Wohltaten für die Bürger. Europa droht damit ein weitaus gefährlicheres Schuldendrama als im Fall Griechenland.

(Anmerkung: Die Alternative wäre eine vom Präsidenten eingesetzte Übergangsregierung und/oder eine Neuwahl gewesen. Die Parlamentswahl war ohne klaren Sieger ausgegangen. Die Lega bekam in einem Mitte-Rechts-Bündnis mehr als 17 Prozent der Stimmen, die Fünf-Sterne-Bewegung wurde stärkste Einzelpartei mit mehr als 32 Prozent. Zusammen haben sie die Mehrheit im Parlament.)

Steuersenkungen, Mindesteinkommen, Abkehr vom Brüsseler „Spardiktat“ – die Parteien der Koalition, Lega und Fünf-Sternen, haben eine Reihe explosiver Versprechen im Gepäck. Auch außenpolitisch könnte sich der Wind mit dieser Rechtslinks-Koalition gewaltig drehen. Was kommt da auf Europa und Deutschland zu? Die EU-kritische Wende hat große symbolische Bedeutung – immerhin ist Italien EU-Gründerstaat und drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone.

Weitreichende Wahlversprechungen wie Steuererleichterungen und Mindesteinkommen haben es in den Koalitionsvertrag geschafft.

Wenn es nach „Lega“ und „Sternen“ geht, soll es nur noch zwei Steuersätze von 15 und 20 Prozent geben und ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat. Rückgängig gemacht werden soll auch eine Rentenreform, die im Jahr 2011 das Renteneintrittshalter angehoben hatte. Die Kosten dafür könnten astronomisch werden, wie Kritiker mahnen. Die Koalitionäre wettern außerdem gegen europäische Schuldenregeln, wonach das jährliche Haushaltsdefizit maximal bei drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen darf.

Für Italien bedeutet die neue Regierung einen radikalen Wandel: Erstmals geht das EU-Gründungsmitglied grundsätzlich auf Distanz zur Staatengemeinschaft.

Die Finanzpläne der Koalition bereiten Brüssel und Deutschland große Sorgen. Auch an den Finanzmärkten machte sich Unruhe breit. Obwohl Italien das Land mit einer der höchsten Staatsverschuldungen der Welt ist, planen die Fünf Sterne und die Lega gewaltige Mehrausgaben. Sie wollen Steuern senken, ein Grundeinkommen einführen und das Rentenalter wieder absenken.

Nun ja, die Vorsitzenden der „Lega Nord“ und der „5-Sterne-Bewegung“, haben den politisch unerfahrenen Juristen Conte als Regierungschef vorgeschlagen – einen absoluten Polit-Neuling. In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik an Regierungen, die nicht vom Volk gewählt waren. In einer parlamentarischen Demokratie wird eine Regierung eigentlich aus den Reihen der Volksvertreter gebildet, doch Lega und Fünf Sterne haben nun einen Universitätsprofessor und damit einen Kandidaten von außen vorgeschlagen, der sich nicht dem Votum der Wähler hat stellen müssen.

Die ehrgeizigen Führer der beiden politischen Kräfte behaupten, sie seien bereit, unter der Leitung eines solchen Ministerpräsidenten zu arbeiten. Es ist jedoch ist nicht klar, ob Conte die Autorität haben wird, die bunte Regierung wirklich zu führen. Für Brüssel wäre die euroskeptische Regierung in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone ein Horror. Der römische Alptraum würde damit zur Wirklichkeit für die EU.

Die Positionen Brüssels und Roms sind in einer Reihe von Fragen unvereinbar. So will die künftige Regierung in Rom die Wirtschaft mit staatlichen Investitionen ankurbeln. Experten schätzen Kosten von mindestens 100 Milliarden Euro – oder sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Diese Ausgaben sind mit den Regeln der Eurozone, die ein maximales Defizit von drei Prozent vorsehen, nicht vereinbar. Italien ist schon jetzt der wohl größte Unsicherheitsfaktor der Eurozone. Auf die Bankbilanzen drücken Berge fauler Kredite. Als faul gilt ein Kredit, wenn fällige Tilgungen nicht mehr geleistet werden können. Italien weist hier nach Griechenland, Zypern und Portugal die höchsten Werte in Europa auf. Das Wirtschaftswachstum und Reformen lahmen in dem Land schon seit Jahren. Die EU-Kommission hatte Italien in ihrem Konjunktur-Gutachten noch auf einem sanften Erholungskurs gesehen.

Hohe Schuldenquote

Das Land hat mit knapp 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eine der weltweit höchsten Staatsverschuldungen. In Europa liegt die Schuldenquote – das ist das Verhältnis der Wirtschaftsleistung zur Gesamtverschuldung – nur im krisengeschüttelten Griechenland höher. Italiens Wirtschaft ist jedoch um ein Vielfaches größer – also auch das Risiko für die Eurozone.

Folgen für geplante EU-Reformen

Hier könnte Italien eine entscheidende Rolle spielen. Zum einen geht es dabei um eine Stärkung der Eurozone, etwa über die Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung für Bankguthaben. Dies wird in Deutschland ohnehin kritisch gesehen, da Geldinstitute hierzulande fürchten, im Zweifelsfall für Pleitebanken in anderen Ländern haften zu müssen. Das Vorhaben könnte nun noch schwieriger umzusetzen sein.

Droht in Italien nun eine Finanzkrise wie in Griechenland?

Der Vergleich hinkt. In Griechenland führte eine fatale Mischung vieler interner und externer Gründe dazu, daß das Land kurz vor dem finanziellen Kollaps stand. Aber in Italien ist die Lage auch seit langem bedenklich. Sollte eine neue Regierung die Verschuldung aus dem Ruder laufen lassen und das Vertrauen der Investoren in Italien schwinden, wären Auswirkungen europaweit zu spüren.

Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, die extrem vom EU-Binnenmarkt profitiert, könnte das Einbußen bedeuten, wenn die Nachfrage in Italien einbrechen sollte. Sollte Italien komplett in Schieflage geraten, wäre der Euro-Rettungsschirm ESM wahrscheinlich überfordert. Er schulterte bislang maßgeblich europäische Rettungsprogramme für Krisenstaaten.

Ähnlich sieht es beim Dauerstreit um Migration und Asyl aus. Die EU-Kommission hatte verbindliche Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas vorgeschlagen, dagegen sperren sich vor allem Ungarn und Polen. Ein möglicher Kompromiß, um den schon seit Jahren gerungen wird, könnte an Maximalforderungen einer neuen Regierung in Rom endgültig scheitern.

Fazit:

1.) Mit der neuen Regierung verliert EU-Europa nicht nur einen stets treuen Partner, sondern Merkel verlöre auch eine verläßliche Figur auf ihrem Schachbrett. Cui bono?

2.) Das Ergebnis der Wahl in Italien ist ein Warnsignal an „Brüssel“. Wer bestimmt hier eigentlich über die Wirtschaft? Ist nationale Wirtschaftspolitik obsolet, oder dürfen die einzelnen Staaten noch mitreden? Der Frust sitzt tief, weil Brüssel versucht, die nationalen Wirtschaften zu entmündigen. „Wir entscheiden, was für Deine Volkswirtschaft gut ist“ – so ist der Eindruck der Bürger gegenüber „Brüssel“. Da ist ein Umdenken, also eine bessere Abstimmung und Koordination, dringend geboten. Ob der große Manitu, der in Europa herrscht, nun „EU-Demokratie“ oder „EU-Diktatur“ heißt, ist dem Bürger nicht egal, sondern für ihn eine Frage des demokratischen, also selbstbestimmten Bewußtseins. Gängelung ist dessen Tod!

www.conservo.wordpress.com     17.05.2018
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