Ali, „seine Frau“ (Deutsche) und das schwere Leben hierzulande

(www.conservo.wordpress.com)

Von Inge Steinmetz – Satirikerin

Hallo, mein Name ist Mila, ich bin fünfzehn Jahre alt und Gymnasiastin aus K. in Rheinland-Pfalz. Unsere Schule wird durch einen Kodex geprägt, der besagt, dass ein respektvoller, offener und toleranter Umgang miteinander und das Engagement für Mitmenschen und Umwelt wichtig sind.

Wir Jugendlichen haben den Anstoß für die Gründung einer AG geliefert und sind auch in allen Teilprojekten gemeinsam mit unseren „Patenkindern“ die treibende Kraft. Im Rahmen der Projektwoche „Egal woher du kommst – die Chance für ein neues Leben“ wurden wir aufgefordert, unsere eigenen Erfahrungen mit unserem Patenkind aufzuschreiben, hier also mein Bericht.

Mein Name ist Mila, ich bin fünfzehn Jahre alt. Meine Eltern sind beide berufstätig, Mutter als Grundschullehrerin, Vater als Pressereferent für die evangelische Kirche, Geschwister habe ich keine.

Seit einiger Zeit leben in unserem Ort Flüchtlinge. Noch vor 2 Jahren war hier nichts los, richtig boring, aber jetzt ist Leben in unsere Stadt gekommen. Die evangelische und katholische Kirche haben sofort ein Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen, einen Ort der Zusammenführung der Kulturen, „Max und Moritz“ heißt der Treffpunkt, in dem wir Mädchen uns mit unseren Patenkindern treffen. Wir lernen so soziales Engagement, entdecken neue Kulturen und erleben, wie einfach Hilfe sein kann.

Mein Patenkind heißt Abdul und kommt aus Syrien. Wenn ich sehe, welch sorgenfreies Leben wir in Deutschland haben, dann kommt mir Abduls Leben hart und ungerecht vor. Sein Vater und die Geschwister kamen bei einem Bombenanschlag ums Leben, die Mutter ist traumatisiert, er und sie sind die beiden einzigen Überlebenden der Familie. Abdul ist 17 Jahre alt, wirkt aber viel reifer. Kein Wunder, bei dem was er schon durchgemacht hat.

Außer seinen neuen Adidas-Schuhen und seiner Nike-Sportjacke konnte er nur noch sein Smart-Phone retten. Alles andere ging auf der Flucht verloren. Ali kann – wenn er möchte – zur Schule gehen. Dann sitzt er als mein Patenkind neben mir, was mir möglich macht, auch eine ganz persönliche Hilfe – zum Beispiel bei den Hausaufgaben – anzubieten. Es ist alles so schwer für ihn, ihm fehlt oft schon die Kraft morgens aufzustehen, sich hier an unsere Art zu leben zu gewöhnen. Alles ist neu für ihn! Zuhause haben sie zum Beispiel immer auf dem Boden gesessen, und mit Gabel und Messer essen ist ihm unbekannt.

Seinen Freunden stellt mich Ali als „seine Frau“ vor, das klingt lustig, zeigt mir aber auch, wie sehr er sich nach seiner Familie zuhause sehnt, sich alleine fühlt. Er hat jetzt einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt, möchte so schnell wie möglich seine Eltern und die fünf Geschwister nachkommen lassen. Außer dieser engsten Familie betrifft es auch noch seine zwei Cousinen, die er – um ihnen die Flucht aus Afghanistan zu erleichtern – geheiratet hat. Es ist schon rührend, wie sehr er sich sorgt, was er alles tut, damit es allen gut geht und er freut sich jetzt schon, sie bald alle in die Arme schließen zu können.

Heute werden wir Schüler mit unserer Lehrerin noch für die Projektwoche Plakate malen: „Kampf gegen rechts“, „Gib Nazis keine Chance“, „die Welt ist bunt“ und „Stop Racism“ finde ich besonders gut. Und am Abend habe ich mich dann noch mit Ali noch verabredet, ich muss ihm unbedingt noch genau erzählen, wie ich mich in Dennis verliebt habe, und er möchte mir endlich zeigen, welche Fortschritte er jetzt schon mit dem Besteck gemacht hat, mit dem Messer – meint er – klappt es schon ganz gut.

(Original: https://www.facebook.com/groups/181793015663374/permalink/450922108750462/?__tn__=K-R)
www.conservo.wordpress.com     25.08.2018
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