Um das Stimmvieh bei Laune zu halten, werden in regelmäßigen Abständen Wahlen abgehalten. Vor kurzem hat es Sachsen erwischt, nun müssen Brandenburg und Thüringen daran glauben. Und die Aufregung ist groß, will doch mit der AfD eine neue, zusätzliche Partei in den oberen Rängen der Republik mitmischen und sich ein gehöriges Stückchen aus der Posten schaffenden Sahnetorte herausschneiden.
Viele Politiker und Journalisten sind gleichermaßen irritiert und reagieren wie Allergiker bei einem Wespenangriff. Sie schlagen blind um sich und zücken ihre Giftspritzen, statt sich mit den Plagegeistern, die nun mal zum politischen Leben dazugehören, zu arrangieren, oder zumindest angemessen auseinanderzusetzen. Im „Cicero“ zählt Autor Wulf Schmiese auf, welche Möglichkeit die „direkte“ Konkurrenz denn hätte:
Was bedeutet überhaupt konservativ? In der Union gibt es auf diese Frage Hunderte Antworten, die keine sind. Nun macht sich die AfD daran, diesen Begriff neu zu definieren. CDU und CSU haben jetzt drei Möglichkeiten, damit umzugehen…
Variante 1: Totschweigen. Volker Kauder hält das für das Beste. Der CDU/CSU-Fraktionschef verweist auf seine gute Erfahrung damit, Erfahrung übrigens aus dem Umgang mit jener Neuen Rechten, die bereits Strauß störte. Drei Legislaturperioden hätten die Republikaner im baden-württembergischen Landtag gesessen und nur, weil sich die CDU mit denen nicht abgab, seien sie dann irgendwann doch wieder rausgeflogen, meint Kauder, der damals Landesgeneralsekretär in Stuttgart war.
Variante 2: von links angreifen. Armin Laschet fordert das. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende sagt, man müsse die AfD stellen und deutlich machen, dass ihre Politik nichts als dümmlicher Retrolook sei, der dem modernen Deutschland nicht stehe, am Ende sogar schade.
Variante 3: selbst auf konservativ machen; zumindest den rechten Flügel. Einst übernahm diesen Part die Strauß/Stoiber-CSU. Konservative CDU-Wähler konnten getrost davon ausgehen, dass die bayerische Schwester sich in der Fraktionsgemeinschaft für ihre Belange einsetzen würde. Diese Aufteilung scheint passé. Seehofers CSU ist – trotz der AfD-Konkurrenz – völlig absorbiert vom Thema Maut.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kündigte zwar im ZDF-Interview an, sich auch um „harte konservative Themen“ kümmern zu wollen, doch auch ihn hält die Maut noch davon ab. Es lässt sich daher nur noch schwer ausmachen, in welchen Punkten die CSU eigentlich konservativer ist als die CDU (http://www.cicero.de/berliner-republik/afd-rechts-der-union/58203).
Nur Kanzlerin Merkel selber macht es sich mal wieder ganz einfach, in dem sie die AfD als „Problem“ bezeichnet: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel “ein Problem aller Parteien”. Nur 23 Prozent der AfD-Wähler bei der Landtagswahl in Sachsen seien von der CDU gekommen, sagte Merkel im RBB-Inforadio. “Das heißt, andere müssen sich genauso Gedanken machen wie wir” (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-09/merkel-afd-problem-aller-parteien).
Was für ein Demokratieverständnis hat die Dame eigentlich? Wieso ist die AfD ein Problem? Probleme beseitigt man doch. Hat das die Kanzlerin etwa vor? So etwas kann nur jemand behaupten, dem der demokratische Entscheidungsprozess einfach nur lästig ist, der bei geschlossenen Fenstern und zugezogenen Vorhängen unkontrolliert seine Macht ausüben möchte und jeden Windhauch von außen als Störfaktor betrachtet.
Wenn überhaupt, ist die AfD eine Herausforderung, die die eingeschlafenen Systemparteien aus den bequemen Sesseln zu treiben vermag. Allerdings macht es uns die AfD auch nicht gerade leicht, sie einzunorden. Zu aufgeregt sind ihre Mitglieder, zu unterschiedlich auch. Einzig durch die Wut auf das etablierte System vereint, scheren sie doch immer wieder in alle Richtungen aus, oder gehen wie die Kesselflicker aufeinander los.
Anlaß für den parteiinternen Streit war der Beschluß des Europaparlaments Mitte Juli zur Ukraine-Krise, der unter anderem die Vorbereitung von weiteren Sanktionen gegen Russland befürwortet. Mehrere AfD-Abgeordnete, darunter Lucke und AfD-Vize Hans-Olaf Henkel, hatten der Resolution zugestimmt. Gauland hatte dies als „völlig falsch“ und „ sehr unloyal gegenüber der Parteibasis“ kritisiert und auf die vom Bundesparteitag in Erfurt Ende März beschlossene Resolution der AfD zur Ukraine-Krise verwiesen…(http://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2014/afd-chef-lucke-voelkerrechtsverstoesse-rechtfertigen-sanktionen/)
Es wird noch eine Weile dauern, bis die AfD zu sich selber und eine Linie findet, die dem Wähler politische Orientierung bieten kann, wenn sie sich nicht vorher schon zerfleischt. Der Parteichef geht da leider nicht mit gutem Beispiel voran. Ständig stöhnt er über die Vorwürfe der Eliten, die AfD wäre eine rechtspopulistische Partei, nur um wenig später mit diesem Totschlag-Argument selber seine Gegner zu diffamieren.
Aber er kann sich anbiedern wie er will. Er wird keinen Erfolg haben, denn mit Adleraugen picken sich die linksverdrehten Medien, bei denen der Name „Dummheit“ ganz oben im Impressum steht, jede „rechtspopulistische Rosine“ heraus. Jüngstes Beispiel ein Artikel aus der „Frankfurter Rundschau“:
…Nichts scheint den Vorsitzenden der „Alternative für Deutschland“ so zu erzürnen wie die Einordnung seiner Partei als rechtspopulistisch. Bei jeder Wahlkampfrede, gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung wie dem Bundespräsidenten: Empört wehrt sich Bernd Lucke dagegen, dass seine AfD am rechten Rand fische. Diskriminierend nennt er solche Aussagen; Co-Chef Konrad Adam sprach am Mittwoch von „Propaganda“.
In der Praxis sind seine Funktionäre weniger erpicht auf die Abgrenzung von Rechtspopulisten. Als hätte es in Sachsen, wo die Eurokritiker gerade mit 9,7 Prozent in den Landtag einzogen, nicht genug Ärger um rechte Umtriebe in ihren Reihen gegeben, legt die sächsische AfD jetzt nach: In Leipzig will sie ihren Einzug in den Stadtrat nutzen, um einen geplanten Moscheebau zu verhindern – per Volksabstimmung. Man bekenne sich zur Religionsfreiheit, sagte AfD-Kreischef Uwe Wurlitzer der „Bild“. „Allerdings ist die Religionsausübung für Muslime in Sachsen auch ohne Großmoschee gewährleistet.“…
Dass die AfD unter Lucke einen islamkritischen Kurs einnehmen wird, ist wohl eher nicht zu erwarten. Aber auch ohne diesen überlebensnotwendigen Kurs wird Bernd Lucke, der nicht nur wegen seines gut dotierten Aufenthalts im überflüssigen Europaparlament an der Macht schnuppert, nicht schaffen, beim Einlass in den linkgewendeten Medien vorher seinen rechtsgewendeten Mantel beim Pförtner abzugeben, auch wenn er sich weiterhin als politischer Windfang drehen und wenden und den Moscheebau fördern will, was er ja schon betont hat.
Jede Stimme zählt. Besonders für die AfD. Noch eine Stimme wird Bernd Lucke wohl nie bekommen, die Stimme des Herrn Güllner. Der tritt im „Stern“ weiterhin unermüdlich als linksradikaler Demagoge auf:
“Die AfD ist keine Protestpartei”, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner dem stern, “sie wird gewählt von einem Milieu, das man als rechtspopulistisch bis rechtsradikal identifizieren kann.” Anfällig für ein solches Weltbild seien etwa zehn Prozent der Wahlbürger. “Die gehen zeitweilig entweder gar nicht wählen oder parken ihre Stimmen bei anderen Parteien, auch, aber nicht nur, bei der Union – bis es wieder eine für sie attraktive Partei auf der rechten Seite gibt.” Da die AfD nach der Sachsen-Wahl salonfähig geredet worden sei, obwohl sie nicht mehr Stimmen bekommen habe als bei der Bundestags- und der Europawahl zuvor, werde sie jetzt wohl auch in die Landtage von Thüringen und Brandenburg einziehen (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-rtl-wahltrend-das-milieu-der-afd-waehler-ist-rechtspopulistisch-bis-rechtsradikal-2137035.html).
Dass sich Herr Güllner schon seit der Bundestagswahl auf die Lucke-Partei eingeschossen hat, wird natürlich nicht erwähnt und an den Machtmissbrauch, den Herr Güllner als Chef eines Umfrageinstituts betreibt, haben wir uns schon längst gewöhnt. Der Herr muss schließlich auch eine Familie ernähren.
Vielleicht wäre es das Beste, man überhört die bösen Worte mit der großen “R”, schließlich bekommt die heutzutage jeder vor die Füße geworfen, der es wagt, gegen den Strom zu schwimmen. Die AfD sollte schleunigst in ruhigeres Fahrwasser kommen und mit ihrem Schlingerkurs und dem Herumfischen in den trüben Partei-Teichen der Etablierten aufhören.
Man kann froh sein, dass es in Deutschland Journalisten gibt, die sich davon nicht beirren und Durchblick erkennen lassen und sich freuen, dass die AfD zur Zeit das System zumindest ein wenig durcheinander wirbelt:
Die Union regiert, wie sich schon auf SPD-Inhalte reagiert hat: Sie kupfert ab und schreibt sich die Themen der anderen auf ihre Flagge. Die CSU fordert in einem Sieben-Punkte-Sofortprogramm, über das „Spiegel Online“ berichtete, die Wiederaufnahme von Kontrollen an der Grenze zu Österreich. So solle der Flüchtlingsstrom nach Deutschland von Afrikanern gestoppt werden, die in Italien ankommen und weiterziehen. „Lampedusa darf kein Vorort von Kiefersfelden werden“, findet CSU-General Andreas Scheuer.
Und Bundeskanzlerin Angela Merkel erkennt plötzlich in einem Gespräch mit dem RBB-Inforadio, dass „die Polizeipräsenz insbesondere in den Grenzregionen in Brandenburg absolut nicht zureichend ist“ und dort „sehr viel Kriminalität“ vorkomme. Das hört sich verdächtig nach AfD an (http://www.wiwo.de/politik/deutschland/landtagswahlkampf-die-union-kopiert-die-afd/10680324.html).
Die zurzeit treffsicherste Analyse liefert diesbezüglich Hans Heckel in der „Preussischen Allgemeinen“ ab: Das Parteiensystem der Bundesrepublik steht vor einem epochalen Umbruch. Nach den Triumphen bei der EU-Wahl und in Sachsen wird die AfD mit ihrem absehbaren Einzug in die Landtage von Brandenburg und Thüringen einen festen Platz im deutschen Parteiensystem erringen. Erstmals seit dem faktischen Untergang der „Deutschen Partei“ (DP) vor mehr als 50 Jahren wird die Union im Lager rechts der Mitte ernsthafte Konkurrenz bekommen.
Parallel dazu vollzieht sich das Siechtum der FDP. Noch trösten sich manche Liberale damit, dass es solche Einbrüche auch schon früher gegeben habe, 1982 etwa nach dem Bruch mit der SPD oder Ende der 90er Jahre am Ende der Kohl-Ära. Aber es gibt zwei Unterschiede: Die Krisen damals waren kurz, der FDP gelang jeweils ein schneller Wiederaufstieg. Ihr jetziger Niedergang indes geht bereits ins fünfte Jahr. Zudem haben marktwirtschaftlich orientierte Wähler, die einst zur FDP gingen, weil ihnen die Union zu sozialdemokratisch erschien, mit der AfD eine weitere, für viele wegen ihrer Haltung zur staatlich-zentralistischen Euro-Rettungspolitik zudem glaubwürdigere marktwirtschaftliche Wahlmöglichkeit.
Der Union gehen derweil die Beruhigungsparolen aus, mit denen sie die Gefahr kleinreden wollte. Die AfD sei eine Ein-Themen-Partei, hieß es lange. Deshalb werde sie bald wieder verschwinden. Nun zeigt sich bei Umfragen, dass es weniger Euro-Fragen als vielmehr die AfD-Positionen zur Zuwanderung oder zur Kriminalitätsbekämpfung sind, welche die meisten Deutschen zur Wahl der neuen Partei animieren.
Da ist es sicher kein Zufall, dass Angela Merkel im Brandenburger Wahlkampf plötzlich mehr Polizei für den von Kriminalität gebeutelten Grenzraum fordert. CSU-Chef Horst Seehofer spricht sogar von der Wiedereinführung von Grenzkontrollen, sollten die Nachbarstaaten den unkontrollierten Strom von Zuwanderern nach Deutschland nicht unterbinden. Kaum anzunehmen, dass diese jähe Zuspitzung der Positionen nichts mit dem Aufstieg der AfD zu tun hat.
Genau hier könnte die Aufgabe der jungen Partei in den kommenden Jahren liegen. Bis 2017 wird sie zwar nicht im Bundestag sitzen, wo die eigentlichen Entscheidungen getroffen werden. Schon ein Siegeszug der AfD durch die Länderparlamente aber könnte die übrigen Parteien auch auf Bundesebene zum Handeln zwingen.
Und das ist dringend nötig. Die Euro-Krise sei nur notdürftig verdeckt, warnen Experten. Sie werde mit ungekannter Härte wieder sichtbar werden. Die Kontrolle der Zuwanderung ist der Politik beinahe gänzlich entglitten. Die Energiepolitik taumelt ihrem Scheitern entgegen. Werden diese gravierenden Probleme nicht bald angegangen, könnten sie das Land aus den Angeln heben ( http://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/afd-vor-dem-grossen-sprung.html).
So weit wird es nicht kommen. Wir kennen Mutti, sie wird alles daran setzen, die AfD zu fressen und wenn diese sich freiwillig zum Fraß vorwirft, ist es um sie geschehen, so schnell kann Bernd Lucke gar nicht gucken.
Wenn die AfD nicht bald politisch vor Anker geht und gleichzeitig Distanz gegenüber der CDU und ihren Handlangern (auch Koalitionspartner genannt) bewahrt – auch auf Kosten der temporären kurzfristigen Machtteilhabe, wird sie nicht mehr erreichen, als kurzfristig ein wenig Leben in die Bude zu bringen.
Ein Problem aber ist sie wirklich nicht, eher eine Bereicherung im Alltag des selbstverliebten Politikbetriebes. Und das ist doch schon mal was.