„Letzte Ausfahrt“ der Politik – eine Europäische Armee

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)

Die Idee einer Europäischen Armee bringen europäische Politiker immer dann in die öffentliche Diskussion, wenn nationale Anstrengungen wegen finanzieller Engpässe wenig Aussicht auf Erfolg haben – so auch der damalige Finanzminister Dr. Schäuble, der in einem Beitrag im Dezember 2015 den nationalen Armeen in Europa nur noch 12 Jahre gab.

Sein Finanzdiktat führte Jahre zuvor zur de facto Aufgabe der Wehrpflicht in Deutschland. Eine folgenschwere, teure Fehlentscheidung.

Der französische Präsident Macron will die „Europäische Armee“ am besten sofort. Die deutsche Bundeskanzlerin spricht von einer Vision, „die eines Tages“ kommen wird. Eine klare Aussage.

Was müsste das Ziel einer „Europäischen Armee“ sein?

Sie müsste z.B. den derzeitigen dünnen Stolperdraht an der NATO-Ostgrenze zu einem high-tech-Zaun mit weitreichenden Sensoren so ausbauen, dass europäische Streitkräfte in enger Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften jeden potentiellen Aggressor wegen fehlender Erfolgsaussichten vor einem Angriff erfolgreich abschrecken können.

Was kann eine „ Europäische Armee“ in dieser Gemeinschaftsaufgabe leisten?

Auf dem Papier sieht das zunächst gut aus, der Teufel steckt jedoch im Detail eines gemeinsamen Einsatzes unter feindlichem Feuer.

Die erste Frage ist die nach der Tiefe der Integration, die in den Landstreitkräften schwerer zu beantworten ist als bei den Luft- und Seestreitkräften.

Ich habe in den 70er Jahren an zahlreichen „REFORGER-Übungen“ im süddeutschen Raum teilgenommen – ein langer, heilsamer Prozess.

Es sind nicht – wie man annehmen kann – die Sprachprobleme, sondern die stark unterschiedlichen Einsatzgrundsätze und die häufig nicht vorhandene technische Kompatibilität in der Kommunikation und in der Logistik.

Je tiefer die Integration nach unten – z.B. bis auf Kompanieebene – geht, umso schwierige wird das Zusammenwirken im Gefecht unter Feuer. So kann man dem Nachbarn nicht mit der eigenen Gewehrmunition helfen, weil die Kaliber unterschiedlich sind.

Manche Staaten verbieten sogar die Versorgung ihrer Soldaten mit Blut anderer Nationen – auch in einem Notfall.

Es gibt unterschiedliche Wehrsysteme – Wehrpflichtarmee oder Freiwilligenarmee? Das führt zu unterschiedlichen Verfügungszeiten oder auch zu der Verfügbarkeit von ausgebildeten Reservisten.

Bevor man Soldaten gemeinsam im Gefecht einsetzen will, bedarf es eines langen Prozesses eines „top-down-approach“ der Angleichung von Verfahren und der Ausstattung. Das haben die NATO-Mitgliedsstaaten seit Jahrzehnten versucht – ohne erkennbaren Erfolg.

Einige Ziele erreicht eine „ Europäische Armee“ auf keinen Fall:

Eine Einsparung bei den Verteidigungsausgaben und einen besseren Rückhalt in der Bevölkerung. Die beste Motivation ist für Soldaten die Verteidigung ihrer Heimat mit ihren Angehörigen und ihrer Freunde. Der Geschmack einer „ Söldnerarmee“ ist auf jeden Fall schädlich.

Die bisherigen Erfahrungen mit multinationalen Verbänden und Einheiten sind im Heer eher negativ.

Es gibt keinen Königsweg. Mit wenig Geld eine schlagkräftige Armee aufzubauen, die einen starken Rückhalt in ihrer eigenen Bevölkerung hat, ist ein gefährlicher Wunschtraum.

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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.
Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.
Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.
Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist, u. a. bei conservo.
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(Siehe auch: https://www.conservo.blog/2018/11/14/europaeische-verteidigungsarmee-eine-gefaehrliche-illusion/)
www.conservo.wordpress.com   18.11.2018
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