Nun haben wir ihn also, zumindest den Einstieg in den „flächendeckenden Mindestlohn“. Er heißt bloß nicht so, sondern wird verschämt „Lohnuntergrenze“ genannt, damit´s nicht so weh tut. Und den Wegfall der Hauptschule nennt man „Abschied vom zweigliedrigen Schulsystem“, damit´s niemand merkt. Und noch etwas soll niemand merken: Der „Geist von Brüssel“ weht durch alle europapolitischen Papiere der CDU, im Klartext: mehr Macht den EU-Gemeinschaftsorganen, also (schleichende) Entmachtung des Nationalstaates.
Merkel hat wieder einmal gezeigt, wie man Tradition und Parteiprogramm geschmeidig verbiegen und der CDU einen „modernen“ Stempel aufdrücken kann. Auf dem Leipziger Parteitag beklatschten die Delegierten – noch etwas verhalten – eine programmatische Metamorphose der Partei, die unter ihrer Vorsitzenden konsequent einsetzte und nun ihren Höhepunkt erreicht hat.
Pofallisierung der CDU Mahner, Gegner, Konservative – alle ausgetrickst oder rausgemobbt. Niemand ist da, so scheint´s, der sich der Merkel noch in den Weg stellen kann. Stattdessen überall biegsame Erfüllungsgehilfen, die einen krummen Rücken von den vielen Verbeugungen vor der Großen Vorsitzenden haben. Spötter nennen dies die „Pofallisierung der CDU“.
Angela Merkel hat den Kurs des Leipziger Parteitages von 2003 längst auf den Abfall geworfen und der CDU inzwischen ein ideologisch linkes Programm übergestülpt, versehen mit ein paar verbalen Korrekturen, damit sich auch ja alle Parteiflügel eingebunden fühlen können. Kleine Kompromisse, die aber am großen Ganzen nichts ändern, aber eventuellen Widersachern das Widersprechen erschweren. Bei Merkel wird der permanente Kurswechsel zur einzigen politischen Konstante. Und noch etwas paßt zu Merkel: Vergeblich sucht man in ihren Parteitagsdebatten eine ordentliche Begründung für die politische Hakenschlagerei und die Volten, die sie der Partei zumutet. Ihr kaum verborgenes Kalkül: Die Schafe blöken (vielleicht), doch die Herde trabt mit.
Die Schafe blöken – die Herde trabt mit. Bei Merkel heißt dies „neue Antworten mit Sinn für Realitäten“: Offenhalten einer jeden Koalitionsoption und der Verstetigung ihrer Kanzlerschaft. Das alles wurde in Leipzig regelrecht „runtergespult“, von Leidenschaft war in ihrer Rede nichts zu spüren. Der Parteitag hatte den Elan eines Klassentreffens alternder Schulkameraden, deren frühere Rebellen schon im Vorfeld stillgelegt worden waren. Die Delegierten spendeten mäßig Beifall und merkten nicht, daß sie durch diese „Zurückhaltung“ der Vorsitzenden lediglich eingelullt werden sollten – frei nach dem Satz der Freifrau von Ebner-Eschenbach: „Die größten Feinde der Freiheit sind zufriedene Sklaven.“.
Nein, ein Selbstbewußtsein hat der Parteitag nicht gezeigt, eher eine Fixierung auf die Vorsitzende, von der „man“ annimmt, sie werde es schon richten. Gelungen, Frau Merkel! Der Umbau der CDU kann munter weitergehen!