Wahlkampfstratege Peter Helmes, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der Jungen Union, organisierte 1980 Strauß’ Kanzlerwahlkampf. Heute berät er einige AfD-Verbände. Ein Gespräch zur Zukunft von AfD und CDU.
Helmes, Jahrgang 1943, kam im rheinland-pfälzischen Bad Hönningen zur Welt. Er war Generalsekretär der „Internationalen Jungen Christdemokraten und Konservativen“, führte die „Bürgeraktion Demokraten für Strauß“ und begründete die „Konservative Aktion e. V.“ mit.
BlaueNarzisse.de: Herr Helmes, sind Sie noch Mitglied der CDU?
Peter Helmes: Ja, seit 55 Jahren.
Warum? Die Merkel-CDU ist nicht konservativ. Und selbst Ex-Kanzler Helmut Kohl hat vor kurzem Parteikollegen deutlich kritisiert.
Ich habe mich sehr oft sehr kritisch mit der CDU auseinandergesetzt. Es ist nicht mehr meine Partei. Ich habe vor zwei Monaten einen offenen, dreiseitigen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben und sie heftig kritisiert. Natürlich habe ichkeine Antwort bekommen.
Es gibt zwei generelle Gründe, warum ich weiterhin in der CDU bleibe. Zum einen ist es eine Respekthandlung gegenüber meinen Eltern, die beide vor dem Krieg in der Zentrumspartei aktiv waren. Sie haben nach dem Krieg mitgeholfen, die CDU zu gründen. Beiden musste ich auf dem Sterbebett versprechen, nicht aus der CDU auszutreten. Der zweite Grund ist ein beruflicher: Ich habe 30 Jahre für die CDU gearbeitet, auch an vielen internationalen Positionen. Deshalb fühle ich, für meine interessante Berufstätigkeit, so etwas wie Dankbarkeit. Nach 55 Jahren geht man nicht!
Der Hauptgrund ist aber: Ich sehe bei meinen Parteifreunden das Sodbrennen, wenn sie mich sehen. Sie denken offensichtlich: „Da kommt der letzte Konservative!“ Es schmerzt sie regelrecht, wenn ich bei Veranstaltungen auftrete. Sie können mir aber nicht den Mund verbieten. Es gibt bei mir wirkungslose Tricks, die sie immer wieder versuchen. Beispielsweise laden sie mich gar nicht erst ein. Ich bin neben Heinrich Lummer, dem Ehrenpräsidenten der Deutschen Konservativen, aber der Meinung, wir sollten lieber in der CDU bleiben und gehört werden – als draußen zu sein und ignoriert zu werden.
Die AfD dagegen verfügt noch über einen starken konservativen Flügel, unter anderem in Thüringen und Sachsen. Aber auch dort gibt es Distanzierungen zwischen Liberalen und Konservativen. Denken Sie, dass die AfD so der CDU langfristig gefährlich werden könnte?
Ich würde nicht von „gefährlich“ sprechen! Es kommt darauf an, wie es die CDU versteht, mit der AfD umzugehen. So wie sie es jetzt versucht, bleibt das ein aussichtsloses Unterfangen. Ich kann diese Partei nicht verteufeln! Das ist auch politisch-strategisch Unfug. Ich sehe die AfD parteistrategisch in der Rolle, die früher die FDP innehatte. Die CDU wird sicher keine absolute Mehrheit mehr bekommen. Also braucht sie einen Koalitionspartner. Den wird sie auf Dauer nicht bei der SPD finden. Die wendet sich immer mehr nach links. Da hat sie natürliche Partner bei den Grünen und bei den Kommunisten.
Es bleibt der CDU gar nichts anderes übrig, als in einem vernünftigen Verhältnis zur AfD zu stehen. Auch dort gibt es diese Diskussion unter Liberalen und Konservativen – für oder gegen die CDU. Ich habe im Wahlkampf auch mehrfach Seminare für die AfD durchgeführt. Die Flügelkämpfe zwischen Liberalen und Konservativen finden auch auf lokaler Ebene statt. Und ich habe auch in Sachsen geholfen. Die AfD hat natürlich auch noch eine Bringschuld: Sie muss sich selbst erst einmal eine in sich schlüssige Programmatik geben und dann ihr Personal durchforsten. Aber es steht mir nicht zu, da Ratschläge zu erteilen.
Halten Sie die Koexistenz eines starken konservativen und eines starken liberalen Flügels in der AfD für sinnvoll?
Warum denn nicht? Das gab es in der CDU auch immer, letztlich auch in der SPD – jedenfalls in der alten SPD.
Sie waren 1980 ein führender Kopf im Wahlkampfteam von Franz-Josef Strauß…
Ja, ich war ein Mitglied der sogenannten „Viererbande“, die diesen Wahlkampf geführt hat.
Was würden Sie der CDU heute im Wahlkampf raten, wenn Sie gegenüber der AfD Prozente gewinnen will?
Es gilt für die CDU dasselbe, was ich für die AfD gesagt habe. Sie muss ihr eigenes Programm auf die Füße stellen. Dieselbe Situation ist übrigens auch in der CSU eingetreten. Dort hat sich ein schon recht effektiver, konservativer Kreis gebildet. Er ist von unten gewachsen und bereitet der Parteiführung zunehmend Probleme.
Sie meinen den im Juni gegründeten „Konservativen Aufbruch“?
Genau. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat die Partei ja vollkommen desorientiert. Sie besitzt keine klaren Positionen mehr. Dieser „Konservative Aufbruch“ zeigt genau die Wunden auf. Da sind parallele Entwicklungen in CDU und CSU im Gange – auch was das Verhältnis zur AfD angeht!
Was würden Sie denn der AfD raten – um nicht wie andere kurzfristige konservative Parteiprojekte unterzugehen?
Die AfD sollte zwei Dinge leisten: Zum einen, ähnlich wie bei der alten FDP, einen starken liberalen Flügel pflegen – genauso wie einen konservativen. Ich persönlich als Konservativer würde es natürlich begrüßen, wenn auch die AfD konservativ werden würde. Aber das ist politisch-strategisch Unfug. Diese Partei muss offen bleiben für Koalitionen. Die AfD sollte möglichst beide Beine gleich stark, aber in die Partei hinein, halten.
Dann kann die CDU auch leichter mit der AfD leben und sie nicht zum Generalfeind abstempeln! Bei der Koexistenz eines konservativen und eines liberalen Flügel hat die CDU keine Ausrede mehr, der AfD nicht als Partner zur Verfügung zu stehen.
Sehen Sie denn langfristig für die AfD eine Perspektive in der deutschen Parteienlandschaft?
Nur langfristig, nicht kurzfristig!
Also über fünf bis zehn Jahre etwa?
Das muss man über zwei Legislaturperioden betrachten. Aber ich muss etwas Wasser in den Wein kippen: Die AfD, so wie sie sich derzeit gibt, gefällt mir natürlich noch gar nicht. Das ist alles unausgegoren, noch nicht fertig, ist auch zum Teil stümperhaft. Wenn sie die Galionsfigur Ihres Vorsitzenden Bernd Lucke nicht hätte, der ja menschlich untadelig ist, dann wäre die AfD wahrscheinlich schon wieder aufgelöst worden.
An Lucke gibt es momentan auch starke Kritik, unter anderem von den beiden anderen Sprechern der AfD, Frauke Petry und Konrad Adam.
Das gehört zum Parteileben. Ein Funktionär, der nicht in der Kritik steht, der taugt nichts!
Welche Zukunft sehen Sie jetzt für die Partei – sollte Lucke gehen?
Das wird schwierig. Denn die Nachfolger können erst recht nicht miteinander. Alter Grundsatz: Nur einig, nur gemeinsam sind wir stark. Wenn sie das nicht schaffen, war´s das mit der AfD – was schade wäre.
Herr Helmes, vielen Dank für das Gespräch!
(Original: http://www.blauenarzisse.de/index.php/gesichtet/item/5043-wie-dilettantisch-ist-die-afd)