Anmerkungen zum Matić-Bericht für das Europa-Parlament
Von Reinhard Wenner
Sehr geehrtes Mitglied des Europa-Parlaments,
danke, dass Sie mir den „Matić-Bericht“ zukommen lassen haben. Nun habe ich mir einen Eindruck von dem verschaffen können, was Ihnen und den anderen Abgeordneten des Europa-Parlaments mit der 50 Seiten umfassenden Vorlage so alles zugemutet wird.
Eine Beschlussvorlage/Gesetzesvorlage ist bekanntlich dann gut, wenn sie
1. den zu regelnden Sachverhalt mindestens in allen wesentlichen Punkten darlegt,
2. nachweist, dass eine Regelung erforderlich ist, um z. B. Grundrechte und/oder das Gemeinwohl zu schützen bzw. zu fördern und/oder dem Weltfrieden zu dienen und dass
3. die vorgeschlagene Regelung dazu geeignet ist.
Meines Erachtens bleibt der „Matić-Bericht“ erheblich hinter diesen Anforderungen zurück.
Einige „Kuriositäten“ seien genannt.
I. Formale Unzulänglichkeiten
Zu Beginn des „Berichts“ zum „Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments“ werden 65 Dokumente aufgelistet, mit denen offenbar begründet werden soll, dass das EU-Parlament für das Thema zuständig und dass das Thema schon in vielen Dokumenten behandelt worden sei – Dokumente mit wahrscheinlich unterschiedlicher rechtlicher Verbindlichkeit.
Es hätte mich nicht gewundert, wenn in der Liste auch auf „Grimms Märchen“ hingewiesen worden wäre. Denn auch in einigen Märchen wird geschildert wie der Prinz oder der Müllersbursche die Prinzessin für sich gewinnt und die beiden – wenn sie nicht gestorben sind – auch heute wohl noch damit beschäftigt sind, ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit zu genießen.
Wenn das Thema der Beschluss-Vorlage in den letzten Jahren schon in über 60 „Dokumenten“ behandelt bzw. abgehandelt worden ist, sollte im Einzelnen dargelegt werden, wie es um den „Vollzug“ all der Erklärungen, Vereinbarungen und Beschlüsse steht und wieso all das, was da als nicht durchgeführt oder für misslungen angesehen wird, nun durch den geplanten neuen Beschluss verwirklicht werden kann.
In dem dann folgenden Text, der durch Großbuchstaben, Doppel-Großbuchstaben und 76 Nummern „geordnet“ ist, wird ein Wunsch- und Meinungskatalog aufgelistet. In 42 Nummern wird etwas „gefordert“ und in 34 Nummern werden „Erwägungen“ mitgeteilt.
Ein eigentlicher „Beschluss-Text“ fehlt. Sollen also auch die „Erwägungen“ beschlossen werden?
II. Inhaltlicher Wirrwarr
Auf Seite 9 (Buchstabe „D“) wird mitgeteilt,
„dass es nicht in die unmittelbare Zuständigkeit der Europäischen Union fällt, die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte innerhalb der Union zu fördern“.
Und warum dann der ganze Aufwand? Der Verfasser erklärt doch selbst, dass seine Vorlage nicht zielführend ist.
Auf Seite 16 ist in Nr. 1 von ‚extremistischen Diskursen‘ die Rede. Wer bestimmt, was ein extremistischer Diskurs ist?
Auf Seite 27 ist in Nr. 51 davon die Rede,
„die Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Gesundheit in Bezug auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte, umfassend zu schützen, zu achten und zu gewährleisten …und die notwendigen Mittel bereitzustellen, damit der Genuss der sexuellen reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte für jeden möglich ist.“
Wieso sind staatlicherseits für den Genuss der sexuellen reproduktiven Gesundheit die notwendigen Mittel bereit zu stellen?
Wer bestimmt, was die dafür notwendigen Mittel sind? Satyrisch veranlagte Männer? Nymphomanische Frauen? Sexuell als frigide geltende Personen? Sollen auch pathologische Verhaltensweisen vom Staat unterstützt werden?
Worin besteht „der Genuss der sexuellen reproduktiven Gesundheit“? Und was geschieht, wenn man die sexuelle reproduktive Gesundheit genossen hat? Welche Rechte sind damit verbunden bzw. fallen dann weg? Meines Erachtens kann man sich über Gesundheit freuen, für Gesundheit dankbar sein, sie aber nicht genießen.
Menschenrechte dienen dazu, die Menschen vor Übergriffen des Staates zu schützen, die Teilhabe an demokratischen Rechten zu gewährleisten und ein menschenwürdiges Leben und Zusammenleben zu ermöglichen. Aber seit wann umfassen die Menschenrechte auch die Pflicht der Staaten bzw. der EU, auch Genüsse zu gewährleisten?
Will bzw. hat die EU irgendwann auch zu gewährleisten, dass für Alkoholiker der Genuss von Spirituosen möglich ist, für Raucher der Tabakgenuss und dass Drogenabhängige genug „Stoff“ haben?
Hat die EU demnächst für Machtgierige „Untertanen“ bereitzustellen, damit sie das „Herrschen“ genießen können, und für Sadisten genug Menschen, die sie quälen können, damit „sadistischer Genuss“ möglich wird?
Auf Seite 11 werden unter dem Buchstaben „J“ „sichere und legale Abtreibungsdienste“ gefordert.
Abtreibung ist das Töten eines ungeborenen Menschen. Dürfen Staaten, dürfen Personen helfen, Menschen zu töten?
Und was sind „legale Abtreibungsdienste“? Als legal kann alles bezeichnet werden, dass aufgrund oder im Rahmen eines Gesetzes geschieht. Aber wenn etwas „legal“ ist, ist es damit noch keineswegs rechtens. Das sollte spätestens seit dem Prozess gegen Jesus aus Nazaret bekannt sein. Jesu Ankläger haben dem Pontius Pilatus gesagt: „Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben“ Joh. 19,7.
Auch alle Diktatoren handeln durchweg „legal“. Denn gewöhnlich haben sie zuvor jene Gesetze beschließen lassen, nach denen Regime-Gegner verhaftet, gefoltert und hingerichtet werden können. Auch die Rasse-Bestimmungen der Nationalsozialisten waren per Gesetz abgesichert, also „legal“. Waren sie deswegen schon rechtens?
Wollen sich die Abgeordneten des Europa-Parlaments in solche „Legalitäten“ einreihen und mit der Zustimmung zum sog. Matić-Bericht einen „legalen Rahmen“ für das Töten von ungeborenen Menschen schaffen bzw. verstärken?
Auf Seite 11 ist unter dem Buchstaben „M“ von „klinischer Schwangerschaft“ die Rede, auf Seite 18 in Nr. 12 von „Aufwärtskonvergenz der Standards für die medizinische Versorgung“, auf Seite 19 in Nr. 18 von „rassisierten“ Frauen und in Nr. auf Seite 11 unter dem Buchstaben „J“ vom „Geschlechtsapparat“. Was genau ist mit all dem gemeint?
Auf Seite 20 heißt es in Nr. 24, dass „wiederverwendbare Menstruationsartikel“ zu fördern sind. Soll damit die schon mal zu hörende Meinung bestätigt werden, im Europa-Parlament gebe es Leute, die von Regelungswut besessen seien?
Auf Seite 22 wird in Nr. 30 wird mitgeteilt, dass die Kenntnis von „Verhütungsmethoden [helfe], das Recht auf Gesundheit zu wahren“. Ist denn Schwangerschaft per se eine Gesundheitsbeeinträchtigung?
Und was ist gemeint, wenn gefordert wird, dass „Menstruierende fundierte Entscheidungen über ihre Periode treffen können“ sollen? Sollen Frauen mit Unterstützung der EU den biologischen Rhythmus ihres Körpers manipulieren können? Welche gesundheitlichen Folgen können daraus entstehen?
Auf Seite 14 wird unter dem Buchstaben „X“ mitgeteilt,
„dass Gegner sexueller und reproduktiver Gesundheit … zur Aushöhlung der Grundsätze der Demokratie … beitragen“.
Da sollte doch gleich auch gefordert werden, solche Gegner umgehend zu verhaften und einzusperren, damit die Demokratie geschützt wird und somit erhalten bleibt.
Mich wundert, dass solch ein mängelbehafteter Text, der das Töten von ungeborenen Kindern als Menschenrecht zu „verkaufen“ sucht, und andere zur Beihilfe an diesem Töten verpflichten will, den Abgeordneten des Europa-Parlaments überhaupt zur Beschlussfassung vorgelegt worden ist.
Auch im Blick auf die Arbeit des Europa-Parlament gibt es immer wieder Anlass zum Seufzer „Herr, wirf Hirn vom Himmel“.
Freundliche Grüße
Reinhard Wenner