Von Peter Helmes
Erfundene Anklagepunkte
Myanmars Militärjunta ließ in der letzten Woche,3 die abgesetzte Premierministerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu zwei Jahren Haft verurteilen. Wäre es nicht so tragisch, würde man von einer Parodie auf den Rechtsstaat sprechen. Ohne unabhängige Justiz war klar, daß Aung San Suu Kyi schuldig gesprochen werden würde. Sie durfte sich zwar um die Politik kümmern, nicht aber um die Armee und um die Justiz.
Die (erfundenen) Anklagepunkte gegen sie waren „Aufwiegelung gegen die Generäle“ und „Verstöße gegen die Covid-Regeln“ während des Wahlkampfs vor einem Jahr. Folgt man der politischen Linie der Generäle, sind weitere Prozesse zu erwarten. Die Generäle wollen sie los sein und ihre Demokratiebewegung zerstören, also lieferten die Gerichte die gewünschten Urteile.
Ziel des Militärs könnte letztlich sein – und vermutlich ist das auch so geplant – sie lebenslänglich hinter Gitter zu bringen; denn sie wird von der Junta als größter Störfaktor bei dem Bestreben wahrgenommen, das Land total in den Griff zu bekommen. Das Militär hat die Macht nach der vorsichtigen Demokratisierung ab 2010 nie völlig abgetreten.
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(Rückblick: Am 8. November 2020 gewann Aung San Suu Kyi bzw. ihre Partei nach offiziellen Angaben erneut mit einer absoluten Mehrheit die Parlamentswahlen. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 70 %. Die vom Militär unterstützte Union Solidarity and Development Party (USDP) war weit abgeschlagen.
So gewann die NLD 396 von 476 Sitzen im Parlament, und damit eine noch größere Anzahl an Sitzen als bei den Parlamentswahlen im Jahr 2015. Die USDP gewann nur 33 Sitze. Das Militär behauptete nach der Wahl im Jahr 2020, dass die Abstimmung betrügerisch verlaufen sei. Gerüchte über einen Putschversuch hatte das Militär noch wenige Tage vor dem Putsch bestritten. Der Putsch könnte vom Ziel des Militärs getrieben worden sein, seine zentrale Rolle in der birmanischen Politik zu bewahren.
Die Beweggründe des Militärs für diesen Staatsstreich blieben bislang unklar. Angeblich hat das Militär behauptet, mutmaßlicher Wahlbetrug würde die nationale Souveränität bedrohen. Einige Tage vor dem Putsch hatte die von der Zivilbevölkerung ernannte Wahlkommission der Union die Behauptungen des Militärs wegen Wahlbetrugs kategorisch zurückgewiesen und das Fehlen von Beweisen für die vom Militär angeführten Behauptungen von 8,6 Millionen Unregelmäßigkeiten in den Wählerlisten der 314 Townships von Myanmar bemängelt.
Einige Tage vor dem Putsch hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) der Zentralbank von Myanmar im Rahmen eines Nothilfepakets 350 Millionen US-Dollar an Bargeld zur Bekämpfung der anhaltenden COVID-19-Pandemie zur Verfügung gestellt.[5] Die Mittel kamen ohne Bedingungen und ohne Vorgaben für Rückerstattungen.
Rückblick Ende / Quelle: Wikipedia)
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Aung San Suu Kyi hatte sich zwar zuletzt „willig“ gezeigt, wobei ihr die Koexistenz mit der Armeeführung auf schon anstößige Weise leichtzufallen schien. Als 2017 eine ethnische Säuberung gegen die Rohingya begann, verteidigte sie die blutige Vorgehensweise ihres Landes vor internationalen Gerichten. Aber nicht einmal das hat gereicht, ihr endgültiges „Aus“ zu verhindern. Der wahre Grund liegt auf der Hand: Die Junta mißgönnt ihr ihre Popularität.
Deshalb wird die Junta Aung San Suu Kyi und ihre Partei beseitigen, das Wahlsystem zugunsten der militärischen Partei ändern und die Parlamentswahlen erneut durchführen, um schließlich weiter an der Macht zu bleiben.
Mit dieser Methode werden die Militärs allerdings weder aus dem In- noch aus dem Ausland Zustimmung erhalten. Mit dem Urteil gerät Myanmar in eine tiefe Staatskrise. Außenpolitisch ist das südostasiatische Land isoliert. Die Militärregierung wird von zahlreichen Staaten nicht anerkannt. Myanmar hat kaum Möglichkeiten, am internationalen Austausch teilzunehmen. All dies wird sich verschärfen.
www.conservo.blog 9.12.2021