Die stetige Wandlung des Kulturbegriffes…
Zugegeben: “Kulturzeit von 3sat” begleitet mich seit Jahren als eine der wenigen Sendungen von hohem Anspruch. Die zunehmende Ideologisierung, die bei Themen wie der Flüchtlingspolitik auffällt, wird diesem Anspruch jedoch nicht gerecht. Es entsteht der Eindruck einer Rechtfertigungsnotwendigkeit, die einen Dialog abweichender Meinungen ausschließt. Eine Anregung für “Kulturzeit” könnte sein, sich erneut mit dem Kulturbegriff zu beschäftigen.
So findet sich im “Philosophischen Wörterbuch” der DDR (VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1969) dazu: “…Kultur ist demnach nicht einfach die Summe aller materiellen und geistigen Werte, die der Höherentwicklung des Menschen dienen, sondern das System einander wechselseitig beeinflussender Beziehungen, Prozesse und Verhaltensweisen. Ein solches System besteht in der Beziehung zwischen dem Entwicklungsgrad menschlichen Schöpfertums, dem Prozess der Vervollkommnung des Menschen selbst, der ideologischen Widerspiegelung und Steuerung dieser Beziehung sowie der darin angesetzten Formung des geistigen Lebens sozialer Menschengruppen….”.
Diese Kulturauffassung der DDR kann ich gern teilen, wenn die ideologische Widerspiegelung und Steuerung nicht problematisch wäre. Es stellt sich die Frage, wer welche Interessen zu welchem Zweck steuert und wer hier die Meinungshoheit über die Entscheidungsprozesse in der demokratischen Gesellschaft erlangt. Und genau daran scheiterte die DDR in der Kulturpolitik – und es zeigen sich erschreckende Analogien zu aktuellen “Debatten” auf, die keine sind, weil Meinungsstreit nicht gewünscht ist. Manches erinnert dabei an die Definition des Begriffes “Kulturrevolution, sozialistische” im selben Philosophischen Wörterbuch: “allgemeine Gesetzmäßigkeit der sozialistischen Gesellschaftsformation, die von der marxistisch-leninistischen Partei mit Hilfe des sozialistischen Staates und der gesellschaftlichen Organisationen bewußt gelenkt und geleitet wird…“
Und dieser Zentralismus einer scheinbar einhelligen Ansicht der gesellschaftlichen Entwicklung und des fehlenden Diskurses zu kontroversen Themen wie der Flüchtlingspolitik behindert jegliche Korrektur der Denkweisen und politischen Entscheidungen, die den Menschen als “alternativlos” präsentiert werden.
Meine wiederholte Kritik an “Kulturzeit” von 3sat blieb unerwidert. Sicher kann man auf einen Zuschauer im steuerfinanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen verzichten.
(Original: text030.wordpress.com/2015/04/24/fur-kultur-zu-wenig-zeit-kulturzeit-von-3sat-24-04-2015/#more-1450)
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