Peter Helmes
Auch die UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheik wird das Rad nicht neu erfinden. Vertreter aus fast 200 Staaten debattieren derzeit bei der Zusammenkunft in Ägypten (6. bis 18. Nov.) – mit Appellen zu mehr Engagement der Weltgemeinschaft bei der Begrenzung der Erderwärmung. Auf der Tagesordnung stehen dazu auch finanzielle Hilfen für arme Länder.
Es geht also (wiedermal) um die Klimaanpassung, um Schäden und Verluste – und darum, daß die Industriestaaten dafür zahlen sollen. In einer ersten Entscheidung beschlossen die Teilnehmerstaaten, Schadenersatz-Zahlungen an ärmere Staaten für klimabedingte Schäden als eigenständigen Tagesordnungspunkt aufzustellen.
Die Konferenz diskutiert über Temperaturzunahmen im Kommabereich, während die halbe Welt unter einer massiven Energiekrise stöhnt. Die vergangenen acht Jahre seien – vorläufigen Daten zufolge – die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen. Die Meeresspiegel seien zuletzt doppelt so schnell anstiegen wie zu Beginn der 1990er Jahre. Die Alpengletscher schmolzen so stark ab wie nie zuvor. Es wird also viele wortreiche Bekenntnisse geben – und wenige oder keine Taten, die wirklich zählen.
Immerhin, der selbst ernannte Klimakanzler spricht heute (7.11.) höchstselbst auf der Weltklimakonferenz. Und wir dürfen damit rechnen, daß es u. a. darum geht:
Deutschland wird Zahlmeister Nr. 1 bleiben
Denn alle Augen blicken vor allem auf Deutschland bzw. das deutsche Portemonnaie. Deutschland will sich konstruktiver geben; denn traditionell sieht sich die Bundesregierung auf diesen Konferenzen als Vorbild. Außenministerin Baerbock erklärte in Berlin, die Menschheit steuere auf einen Abgrund zu – nämlich auf eine Erwärmung von über 2,5 Grad.
Deutschland allein kann das Klima nicht retten, aber es will zeigen, daß die Energiewende klappen kann. Schuldbewußt kommt die Bundesregierung der Welt bereits vorab entgegen. Baerbock bezeichnete die Eindämmung der Klimakrise als oberste Priorität. Und ihre Vertreter tragen denn auch brav vor: Das Auswärtige Amt, das Bundeswirtschaftsministerium, das Entwicklungsministerium und das Umweltministerium erklärten gemeinsam, man werde sich in Sharm el-Sheik mit vereinten Kräften dafür einsetzen, den internationalen Klimaschutz voranzutreiben.
Gebetsmühlenartig werden grüne Floskeln verbreitet
Die Außenministerin sagte, die Menschheit steuere auf einen Abgrund zu. Eine Erderwärmung von über 2,5 Grad hätte verheerenden Auswirkungen auf das menschliche Leben. Und Bundeswirtschaftsminister Habeck, ebenfalls Grüne, ergänzt, man müsse das fossile Zeitalter endgültig hinter sich lassen.
Die grüne Umweltministerin Lemke sieht gesunde Ökosysteme als Schlüssel gegen die Klimakrise. Sonst werde es nicht gelingen, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Entwicklungsministerin Schulze (SPD) kündigte an, Deutschland werde bei der Klimakonferenz Brückenbauer sein zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Die ärmsten Länder verlangten zu Recht Solidarität. Darauf hätten die Industrieländer in den vergangenen Jahren keine angemessene Antwort gegeben. Wahrlich, brav gesprochen!
Die „Gutmenschen“ wittern Morgenluft
Solche Sätze werden gerne flankiert von den „Aktivisten“ der Klimaschutz-Bewegungen. „Fridays For Future“-Vertreterin Neubauer z.B. forderte die Bundesregierung auf, in Sharm el-Sheik nicht länger Schadenersatzforderungen armer Entwicklungsländer zu blockieren. Im Interview der Woche des Deutschlandfunks sagte sie, diese Länder seien den Folgen der Klimaerwärmung deutlich stärker ausgesetzt als die Verursacherstaaten.
Ähnliche Kritik äußerte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND. Mit neuen Gas-Deals in Afrika oder anderen Investitionen in fossile Energieträger begebe sich Bundeskanzler Scholz auf die Seite der verschmutzenden Unternehmen, sagte eine BUND-Sprecherin der „Bild am Sonntag“. Der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Edenhofer, fordert mehr Engagement der Bundesregierung für den Klimaschutz. Man habe durch den Krieg in der Ukraine kurzfristig reagieren und schmerzhafte Kompromisse eingehen müssen. Diese seien jedoch nur dann akzeptabel, wenn sie nicht zu langfristigen Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern führten.
Kein Wohlstand ohne Arbeit und Produktion
Die Verhandler in Ägypten werden auch bei dieser x-ten Konferenz keine Patentlösung liefern. Doch das Treffen kann den Blick wieder schärfen. Fast alle Länder haben die Zusagen, ihre Klima-Anstrengungen zu vergrößern, verfehlt. Bereits jetzt liegt die weltweite Durchschnittstemperatur bei rund 1,15 Grad über der Vergleichsmarke.
Doch ganz so negativ darf man diese Nachricht nicht stehen lassen. Die Welt ist zwar noch immer weit von der Einhaltung der Klimaziele entfernt: Das UN-Umweltprogramm rechnet bis Ende des Jahrhunderts mit einer Erwärmung um etwa 2,5 Grad – aber nur, falls alle Staaten ihre Zusagen im Klimaschutz einhalten. Nur dann, wenn selbst die wolkigsten Pläne und Ambitionen Wirklichkeit werden, wäre die Erwärmung auf 1,7 Grad zu begrenzen. Im Pariser Abkommen hat sich die Staatengemeinschaft im Jahr 2015 vorgenommen, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wenn möglich sogar unter 1,5 Grad. Seit 2015 hat es aber durchaus Fortschritt gegeben: Damals prognostizierte das UN-Umweltprogramm sogar eine Erwärmung um 3,5 Grad, wenn alle Zusagen umgesetzt werden.
Unterschiedliche Interessenblöcke erschweren eine Konsensfindung
Bei den Klimaverhandlungen schließen sich die Staaten zu Gruppen zusammen. Die großen Schwellenländer China, Brasilien, Indien und Südafrika bilden eine Gruppe, die oft gemeinsam auftritt. Dann gibt es die „Least developed countries“, die besonders armen Länder, die kleinen Inselstaaten, die durch den Anstieg des Meeresspiegels zum Teil vom Untergang bedroht sind und die Gruppe der Afrikanischen Länder. Die Gruppen sortieren sich bei Klimakonferenzen zum Teil neu. Die Europäische Union verhandelt als Ganzes, nicht etwa jedes Land für sich.
Die „High Ambition Coalition“ fordert möglichst weitgehende Klimaziele. Dazu gehören die Europäische Union, Inselstaaten in der Karibik und im Pazifik und eine Reihe weiterer Länder. Die Entwicklungsländer haben sich in der „Gruppe der 77 plus China“ zusammengeschlossen, diese Gruppe umfaßt längst weit über 100 Staaten, wobei die Interessen innerhalb der Gruppe zum Teil weit auseinanderliegen. Viele dieser Staaten wollen möglichst viel Klimaschutz, China ist in den vergangenen Jahren oft als Bremser aufgetreten.
Zweites Thema ist die Anpassung an die Klimaerwärmung. Auch hier soll jedes Land seine Pläne vorlegen. Es geht um sehr unterschiedliche Vorhaben, um auch in einer wärmeren Welt leben zu können. Dazu gehören der Bau von Deichen, wenn der Meeresspiegel steigt, künstliche Bewässerung, wenn der Regen nicht mehr zuverlässig fällt und der Bau von Schutzräumen in Regionen, in denen Überschwemmungen und Wirbelstürme häufiger sind.
Es wird wohl wieder kaum Taten geben
Bei der letzten Klimakonferenz 2021 in Glasgow hatte eine Reihe von Staaten höhere Ambitionen angekündigt, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit blieb aber groß. Von den großen Treibhausgas-Emittenten hat in diesem Jahr lediglich Australien neue und deutlich höhere Ziele eingereicht. Die USA haben ihre Pläne mit Gesetzen untermauert, so daß eine Umsetzung wahrscheinlicher geworden ist. Manche Länder haben neue Ziele eingereicht, die aber keine Verbesserung gegenüber den bisherigen Plänen bedeuten.
Die Industrieländer hatten bereits 2009 zugesagt, ihre Zahlungen immer weiter aufzustocken und ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar zu zahlen. Diese Zusage wurde jedoch nicht eingehalten. In Sharm el Sheik soll auch hier die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit geschlossen werden. Der Umstand, daß die Konferenz in Afrika stattfindet, wird ein besonderes Augenmerk auf Hilfen für ärmere Länder lenken.
Kritik am Klimaschutz gefährdet die Demokratie… oder so!
Menschen, die sich Sorgen machen, werden von selbsternannten „Klimaschützern“ vereinnahmt und bevormundet. Diese „Klima-Aktivisten“ sind aber Grüne Eiferer, die mehr im Hinterkopf haben als nur die Umwelt. Sie wollen eine andere Welt, eine neue Weltordnung. Und es scheint sie überhaupt nicht zu interessieren, daß z.B. Windparks jedes Jahr Hunderte Vögel töten und artenreiche Hügel unter ökologisch sterilen Monokulturen aus gebietsfremden Sitka-Fichten verschwinden, weil die Regierung Anreize geschaffen hat, mehr Bäume zu pflanzen, um Kohlendioxid zu absorbieren.
Unmengen von Solaranlagen bedecken immer mehr Felder und Flächen – oftmals Windanlagen, die dann Strom erzeugen, wenn er am wenigsten gebraucht wird, z.B. im Sommer. Biokraftstoffe, die anstelle von Agrarprodukten angebaut werden, treiben die Lebensmittelpreise in die Höhe. Der Klimawandel ist zu einer bequemen Ausrede geworden.
Ach ja, die meisten der vielen tausend Teilnehmer reisen mit dem Flugzeug an – koste es, was es wolle. Und so bleibt die Frage, ob diese Art von „Weltkonferenzen“ noch vertretbar ist – erst recht bei Umweltschutzthemen. Aber vermutlich würde man sonst keine Aufmerksamkeit zum Thema finden.