Von Peter Helmes
EZB darf Krisenstaaten-Anleihen kaufen: Kritiker scheitern vor EuGH. CSU-Politiker Peter Gauweiler und rund 12.000 weitere Kläger sind in Luxemburg gescheitert. Für CSU-Mann Peter Gauweiler und viele andere ist es eine schwere Niederlage: Die Europäische Zentralbank (EZB) darf zur Euro-Rettung grundsätzlich Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe kaufen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Experten kritisieren das Urteil scharf. (dpa, t-online)
Ein entsprechendes Programm der Notenbank aus dem Jahr 2012 sei rechtmäßig, urteilten die Richter. “Das Programm überschreitet nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstößt nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten”, teilte der Gerichtshof mit.
Er stellte zudem fest, daß das OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“) auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Konkret ging es um den EZB-Beschluß von 2012, notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen, um diese zahlungsfähig zu halten.
Instant-Erfolg gab Draghi Recht
In der Praxis hat die EZB dieses OMT-Kaufprogramm allerdings nie genutzt. Allein die Ankündigung beruhigte nämlich seinerzeit die Märkte – eine Entwicklung, die Draghi Recht zu geben schien.
Die Richter gaben der EZB allerdings vor, die von ihr selbst gesetzten Regeln auch einzuhalten: Die Notenbank müsse – falls sie das OMT-Programm jemals nutze – eine Mindestfrist einhalten und dürfe ihre Entscheidung zum Ankauf oder das Volumen nicht vorher ankündigen.
Der Beschluß der EZB hatte insbesondere in Deutschland Kritik und Klagen ausgelöst: Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatten der CSU-Politiker Peter Gauweiler, die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), die Bundestagsfraktion der Linken und der Verein “Mehr Demokratie” geklagt. Fast 12.000 weitere Kläger schlossen sich an.
Bundesverfassungsgericht sagte: „Nein, weil Kompetenz überschritten“
Die Karlsruher Richter kamen im Februar 2014 zu dem Schluß, die EZB habe mit dem OMT-Programm ihre Kompetenzen überschritten, weil sie laut EU-Vertrag keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben dürfe. Zudem verstoße der OMT-Beschluß gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Karlsruhe gab das Thema an den EuGH in Luxemburg, der nun anders entschied. Mit dessen Entscheidung ist der Rechtsstreit um die Anleihekäufe höchstrichterlich geklärt.
Scharfe Kritik von Sinn
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hat die EuGH-Entscheidung scharf kritisiert. „Das ist ein bedauerlicher Fehler des Gerichts“, sagte Sinn. Anders als vom Gericht dargestellt, überschreite die EZB sehr wohl ihre Kompetenzen und betreibe Wirtschaftspolitik. Der Ökonom bezeichnete die Argumentation des Gerichts als nicht nachvollziehbar und appellierte an das Bundesverfassungsgericht, sich bei der nun anstehenden Entscheidung “nicht beirren” zu lassen. (Quellen: t-online.de, dpa-AFX)
EuGH-Urteil widerspricht €uro-Grundlage
Die Urteilsbegründung haut jeden Euro-Kritiker um; denn sie widerspricht der Grundlage des €uro: Das Programm überschreitet zum einen die währungspolitischen Befugnisse der EZB, zum anderen verstößt es klar gegen das Verbot der monetären Finanzierung von (Pleite-) Staaten. Damit ist für die EZB der Weg frei zum Kauf von sogenannten „Schrottpapieren“ von finanzklammen EU-Ländern. Am Beispiel Griechenlands kann man sehen, wie das „funktioniert“ – oder eben nicht „funktioniert“.
Der griechische Irrsinn ist kein Zufall. Dahinter steckt (auch) Methode: Die an Griechenland ausgezahlten Notkredite (die per EuGH-Beschluß weiter als „Aufkauf von Staatsanleihen“ getarnt werden dürfen) werden dort sofort von der Bank abgehoben, auf private Konten gezahlt und von dort auf schnellstem Wege ins Ausland transferiert. Die „Dummen“ sind also nicht die Griechen, sondern die €uro-päer, die die Zahlungen (via EZB) leisten.
Wenn, wie zu erwarten, der „Grexit“ kommt (in ein paar Tagen), gibt´s wieder Drachmen, aber die lieben Griechen haben ihre €uros auf Auslandskonten. Das dürfte Hellas im ersten (neuen) Drachmen-Jahr wohl reichen. Da die griechische Zentralbank pleite ist, gibt es dort (vorerst) auch keine Schulden mehr.
Vergessen haben die EuGH-Richter auch, daß die Lissaboner Verträge eine durch eine solche Finanzierung entstehende „Transferunion“ eindeutig ablehnen. €uro-Befürworter zogen damit einmal werbend durch die Lande. Jetzt darf man auf die Kommentare gespannt warten. Vermutlich darf man tatsächlich lange warten; denn die Europäer werden das Rad noch eine Weile drehen wollen – bis es endgültig bricht.
Die EU verkommt zur Schuldenunion
Und noch etwas stößt an dem EuGH-Urteil bitter auf: Die Richter haben sich offensichtlich von Mitleid gegenüber den notleidenden €uro-Staaten leiten lassen, statt die europäischen Rechtsnormen zu beachten. Hätten sie mit „nein“ entschieden, stünden jetzt einige wacklige €uro-Staaten vor der Pleite. So verkommt €uro-Europa zu einer Schuldenunion und die Gefährdung, letztlich wohl die Vernichtung der Guthaben Millionen deutscher Altersvorsorgesparer kann also ungehindert weitergehen.
Aufwind auch für Anleihekauf zur Konjunkturförderung
Nach dem Urteil des EuGH dürfte sich nun das Bundesverfassungsgericht dem Fall nochmals zuwenden, um die Entscheidung auszubauen. Ein Termin steht aber noch nicht fest. Die Entscheidung gibt der EZB auch Rückenwind für das aktuelle Kaufprogramm, das seit März läuft und mit einem Volumen von 60 Milliarden Euro monatlich die Konjunktur im gemeinsamen Währungsraum anschieben soll. Mit dem Kauf von Staatsanleihen drückt die EZB die Zinsen des betroffenen Landes, das dann weniger für Kredite zahlen muß und zahlungsfähig bleibt.
Somit wird kein weiteres Land den Euro einführen… Wer will sich schon freiwillig von der EZB erpressen lassen? Die Tschechen und Polen haben die Euroeinführung auf “unbestimmt” verschoben. Warum wohl? Oder „lustiger“ ausgedrückt: Die EZB „finanziert“ – faktisch kauft sie – Griechenland, und alle haben sich bald wieder lieb. Es ist wie immer in €uropa.
Das Erwachen wird dann allerdings nicht mehr so lustig.