Peter Helmes
Nach monatelangem Streit sind die USA und China wieder direkt miteinander im Gespräch. Allein, daß der Besuch des US-Außenministers Blinken erst nach mehreren Anläufen zustande gekommen ist, zeigt, wie kompliziert derzeit die bilateralen Beziehungen sind.
Niemand will eine Verschärfung der Konfrontation. Die Möglichkeiten für Kooperationen sind gegeben und groß. Die USA und China sind sich in vielen Fragen uneins, die von Handel und Mikrochips bis hin zu Menschenrechten, Taiwan und Russlands Invasion in der Ukraine reichen. Antony Blinken sagte, er hoffe auf „offene, direkte und konstruktive“ Gespräche. Wenn beide Seiten zeigen, daß sie verantwortungsbewußt miteinander umgehen, könnte zumindest die Abwärtsspirale gestoppt werden. Direkte Gespräche verringern die Unsicherheit.
Das Eis ist angetaut, doch der Eisberg noch immer groß
Blinkens Reise nach Peking kann man jedoch (noch) nicht als Durchbruch bezeichnen. Sie hat lediglich die bisherige Eiszeit beendet. Den Amerikanern geht es eher darum, ein paar wichtige Fragen zum möglichen Gipfeltreffen zwischen den Staatsoberhäuptern Xi Jinping und Joe Biden zu klären. Es ist zu erwarten, daß das chinesische Außenministerium nach diesem Besuch die Sanktionen aufhebt, die es als Reaktion auf den Taiwan-Besuch der ehemaligen Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Pelosi, gegenüber Taipeh verhängt hat
Washington ist sich bewußt, daß es ohne regelmäßige Gespräche unmöglich sein wird, die immer häufiger auftretenden Spannungen, die zu einer hitzigen Krise führen können, zu entschärfen. Das immer stärker werdende China erwartet, daß die USA beginnen, es gleichberechtigt zu behandeln, und unter anderem die Entwicklung der militärischen Präsenz Chinas in Asien nicht mehr behindern.
Deutsche Sicherheitsstrategie: Weder Fleisch noch Fisch
Aus Deutschland wird dem Besuch Blinkens in Peking besondere Aufmerksamkeit zufallen: Der Besuch fällt mit der Reise einer chinesischen Handelsdelegation nach Berlin zusammen – ungeachtet der anhaltenden Spannungen zwischen Washington und Peking werden in Berlin die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen geführt.
Im Rahmen der neuen deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie wird China weder als Freund noch als Feind genannt, eine eindeutige Aussage findet sich in dem Papier, für das Außenministerin Baerbock verantwortlich zeichnet, nicht. Sowohl Europa als auch China wollen kein plötzliches Ende der gegenseitigen Abhängigkeiten, diese sollen kontrolliert verringert werden.
Alles und nichts
China ist seit Jahren Deutschlands größter Handelspartner, aber auch innerhalb der deutschen Regierung – wie generell im westlichen Lager – herrscht Uneinigkeit über den Umgang mit China. Wenn es der Westen jedoch nicht schafft, mit einer Stimme zu sprechen, kann Peking weiter gemäß dem Motto „teile und herrsche“ verfahren.
Die Bundesregierung hat in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie keine Schlußfolgerungen aus dem intimen Verhältnis zu China gezogen, auch ist die versprochene separate China-Strategie mehrfach verschoben worden. Zwar wird festgestellt, daß Russland die größte Bedrohung für den Frieden ist, aber dann folgt alles Mögliche. „Nationale Sicherheitsstrategie“ – das klingt ehrgeizig, aber am Ende handelt ein solches Dokument womöglich von allem und nichts. Eine neue Chinapolitik in Deutschland ist also nicht erkennbar.
Im Gegenteil, die deutsche Orientierungslosigkeit bei der Chinapolitik scheint weiterzugehen: China wird zwar als „systemischer Rivale“ bezeichnet – dieselbe Formulierung, wie sie die EU-Kommission bereits 2019 verwendet hat. Doch was das bedeutet, wird nicht näher erklärt. Und Bundeskanzler Scholz plant darüber hinaus eine eigene Strategie gegenüber Peking, die in den nächsten Monaten präsentiert werden soll.