Dr. Juliana Bauer*
Am Montag, dem 15. April lautete die Überschrift eines Artikels auf katholisch.de, aus dem der nachfolgende Bildausschnitt stammt: „Umfrage: Katholiken-Mehrheit für legale Abtreibung in ersten 12 Wochen“.
Dass eine Mehrheit der Bundesbürger die Freigabe der Abtreibung befürwortet, verwundert nicht. Die eigentliche „Überraschung“ ist, dass auch die befragten Katholiken und Protestanten sich mehrheitlich für die straffreie Tötung ungeborenen Lebens plädierten. Auf der anderen Seite tummeln sich natürlich auch unter den Grünen, bei denen die Zustimmung zur Abschaffung des § 218 StGB am höchsten ist, recht viele Taufscheinkatholiken.
Ebenso irritiert übrigens, dass auch unter den Wählern der AfD, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit als die einzige echte Lebensschutzpartei geriert, eine wenn auch knappe Mehrheit der Streichung dieses Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch zustimmt.
Von den Staatskirchen ist kaum Widerstand zu erwarten
Die EKD und mit ihr ein nicht unbeträchtlicher Teil der evangelischen Christen hat [conservo berichtete darüber schon mehrfach] hat bekanntlich das Boot Christi schon vor einiger Zeit verlassen; und leider stellt die DBK im Verein mit dem ZDK in vielen Bereichen auch nur noch eine Vorfeldorgansisation der Grünen dar. Was jedoch das Thema Abtreibung betrifft, vertreten sowohl die DBK in Person ihres Vorsitzenden Bischof Bätzing und überrachenderweise auch das ZdK unter dem Vorsitz von Frau Irme Stetter-Karp in diesen Tagen glasklar die kirchliche Lehre und üben massive Kritik an den Plänen der Kommission und der Bundesregierung.
Doch die Katholiken (das pilgernde Volk Gottes) in Deutschland versagen leider wieder einmal. Wie schon so oft zuvor, z. B. bei den vom sexuellen Missbrauch betroffenen Kindern (selbst bei den eigenen), versagten sie reihenweise und lieferten diese arg-, hilf- und wehrlosen Geschöpfe den Tätern aus, ob sie nun perverse Priester, Erzieher, Betreuer oder gar die eigenen Väter waren. Vor allem zahlreiche Mütter ließen ihre Kinder im Stich, interessierten sich nicht für deren Gesprächsbedarf, sahen die Zeichen nicht oder wollten sie nicht sehen.
Die böse Königin hat sich vervielfacht
Und nun scheinen auch immer mehr Frauen und Mütter bereit, sogar die schwächsten Menschenkinder auszuliefern; jene, die sich nicht einmal im Ansatz gegen das wehren können, was man mit ihnen tut. Sie liefern sie denen aus, die Gewalt an ihnen üben, brutale Gewalt, verharmlost, schöngefärbt und unter Verweis auf “Frauen-” oder gar “Menschenrechte” zu einer Guttat umetikettiert.
Auch machen seit 2023 „neue Erkenntnisse“ (die tatsächlich aus 2006 stammen) zum Schmerzempfinden der ungeborenen Kinder erneut die Runde. Embryos und Föten fühlen keinen Schmerz, verkündete seinerzeit “die Wissenschaft“.
Ein Forschungsbericht im British Medical Journal deutete darauf hin, dass Föten keinen Schmerz empfinden und dass sich Schmerzempfinden erst nach der Geburt entwickelt.
So zitiert die Europäische Kommission einen britischen Psychologen (Cordis, Forschungsergebnisse der EU). Ausgerechnet die EU Kommission, die uns Europäer und Europäerinnen eh derartig belügt, dass sich die Balken aller Häuser und Hütten Europas biegen.
Doch aufgepasst! “Sie deuten darauf hin”, heißt es in dem Bericht und nicht: “Sie zeigen auf”. Dennoch ist das selbstverständlich eine Information, die den zumindest teilweise moralisch verkommenen und intellektuell degenerierten Mitgliedern des EU-Parlaments und der EU-Kommission in die Hände spielt. Inzwischen ist diese Nach-Geburts-These zwar ein Stück entkräftet, weil man nun, aufgrund weiterer Forschungen, von einem Schmerzempfinden des Babys ab der 29. SSW ausgeht, aber das ist für die Argumentation gegen aktuell bestehende Abtreibungsrechte in zahlreichen Mitgliedsstaaten der EU und nun wohl bald auch in Deutschland irrelevant.
Leid und Angst des Ungeborenen und seine Vernichtung
Doch körperliches Schmerzempfinden hin oder her: die Abtreibung vernichtet das Leben eines MENSCHENKINDES, eines kleinen Menschen. Eine grausame Realität, die der authentische Film des Gynäkologen und Lebensschützers Dr. Bernard Nathanson aus New York, eines ehemals langjährigen Abtreibungsarztes, zeigt:
Nathanson veranschaulicht den Zuschauern und Zuschauerinnen anhand exaktester Ultra-Schall-Aufnahmen minutiös eine Abtreibung. Und macht ihnen klar:
Dank der modernen Technologie haben wir die Überzeugung gewonnen, dass ohne Zweifel das ungeborene Kind ein menschliches Wesen ist, ein weiteres Mitglied der menschlichen Gesellschaft, das sich in keiner Weise und durch nichts von uns unterscheidet.
Darüber hinaus konfrontiert er in diesem Film mit einer anderen grausamen Realität. Er zeigt die für das Kind deutlich wahrnehmbare Bedrohung auf, die Angst, welche das Baby im Mutterleib empfindet und welche es völlig aufwühlt, als sich ihm das tödliche Instrument des Abtreibers nähert. Seine Angst, als es spürt, dass es kein Entrinnen gibt.
Anhand der aufeinanderfolgenden Filmmomente beschreibt und erklärt Bernard Nathanson jede Regung des Babys. Zuerst weist er auf seine ruhigen Bewegungen im Uterus, auf den normalen Wechsel seiner Stellungen hin…Dann erläutert der Arzt, wie sich der Abtreiber mit dem tödlichen Instrument, der Saugspitze, auf den Uterus zubewegt und wie das Kind reagiert. Ich zitiere einige Auszüge:
- Das Kind – das etwas Unangenehmes fühlt – zieht sich von der Saugspitze, die über den Uterus kreist, zurück, versucht, dieser auszuweichen.
- Es beginnt, hektische Bewegungen auszuführen.
- Das Kind fühlt sich offensichtlich bedroht, seine Bewegungen sind aufgeregt. Es bewegt sich zielgerichtet von der Saugspitze weg.
- Es hat diese noch nicht berührt, dennoch ist das Kind sehr erregt und bewegt sich sehr heftig; man sieht, dass das Baby den Mund geöffnet hat … Die Saugspitze blitzt hin und her, sucht den Körper des Kindes, sein Mund ist jetzt weit offen wie in einem stillen Schrei …
- Es ist der stille Schrei eines Kindes, dessen Vernichtung unmittelbar bevorsteht…
- Das Kind fühlt sich massiv in seiner Sicherheit bedroht, denn seine Herzfrequenz hat sich stark beschleunigt, die Bewegungen sind äußerst hektisch. Es spürt die Aggression in seinem Schutzraum. Wieder versucht es – in einem mitleiderregenden Versuch –, dem erbarmungslosen Instrument zu entkommen; sein Herz rast, man kann von 200 Schlägen pro Minute ausgehen (mehr als etwa 120 dürften es nicht sein). Das Kind fühlt, wie man erkennen kann, die Todesgefahr … es kann ihr nicht entrinnen…
- Nach dem Abgang des Fruchtwassers, das der Abtreiber einleitete, hängt die Spitze am Körper des Kindes … reißt ihn vom Kopf, sein Köpfchen wird zertrümmert…“
Dr. Nathanson zeigt auf, wie das Leben eines Kindes im Leib seiner Mutter zerstört wird. Wie sein kleiner Körper vom Kopf abgerissen und sein Köpfchen zertrümmert wird und fast diesen Schrecken nüchtern zusammen mit den Worten: „Heute haben wir zum ersten Mal die Technologie, eine Abtreibung vom Standpunkt des Opfers aus zu sehen“.
Er zeigt dann das Kind anhand eines Modells in seiner 12. Woche:
Diese kleine Person ist ein voll ausgebildetes und absolut erkennbares menschliches Wesen. Es hat seit mindestens 6 Wochen Gehirnwellen, das Herz funktioniert etwa seit 8 Wochen und seine gesamten menschlichen Funktionen lassen sich von keiner der unseren unterscheiden.
Doch 60% der Katholiken und (besonders erschreckend) auch der Katholikinnen fänden es richtig, „wenn eine Abtreibung künftig innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen ohne Einschränkungen erlaubt wäre.“
Staunen über das Leben
„La réalité de l’embryon. S’émerveiller de la Vie dès de son commencement.“ (Die Realität des Embryos. Staunen über das Leben von seinem Anbeginn an) lautete am 26. März 2024 der Titel eines Vortrags, den der ehemalige Arzt und spätere Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, in Lyon auf Einladung der Lebensschutzorganisation Réseau Vie France hielt.
Unter vielen anderen Aspekten betonte er, dass die wissenschaftliche Forschung unser Wissen über das vorgeburtliche Leben ständig erweitere. Für die Wissenschaft sei es z.B. offensichtlich, dass die Vereinigung zweier Gameten, einer weiblichen Ei- und einer männlichen Samenzelle, einen Embryo erzeuge und einen irreversiblen Prozess in Gang setze. Biologisch gesehen, hob Aupetit hervor, sei ein Embryo ein Mensch mit eigener genetischer Information. Er sei … ein ursprüngliches, eigenständiges Wesen, hervorgegangen aus Vater und Mutter.
Sechs Wochen zuvor (am 6. Februar 2024) war er zu einem Vortrag in der Pfarrei Christkönig nach Toulouse geladen, um über das Thema „Sacré et vie“ – „Heiligkeit und Leben“ (oder auch „Die Heiligkeit des Lebens“) zu sprechen. Der Vortrag behandelte, sehr knapp zusammengefasst, eine Betrachtung des menschlichen Lebens, seine organischen Funktionen, seinen Leib wie auch Seele und Geist des Menschen. Aupetit unterstrich die Würde des Menschen vom Tag der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Tod. Als Gesunder oder Behinderter. Er sieht ihn im Kontext und der Verheißung des Schöpfungsberichts, in dem es heißt, dass Gott, der selbst das Leben ist, den Menschen als Mann und Frau und als sein Bild, als Abbild seiner Liebe erschuf. Er sieht den Menschen in der Verheißung Jesu, der dem Menschen das Leben in Fülle verkündete.
Klare Worte auch vom ehemaligen Pariser Erzbischof
Michel Aupetit wird nicht müde, sich gegen Abtreibung sowie gegen Euthanasie in all ihren Facetten, gegen eine Kultur des Todes stark zu machen. Wie sein verstorbener Kollege Nathanson verweist er immer wieder auf das ärztliche Gebot: „Traditionelle berufsethische Prinzipien der Medizin gebieten uns, unsere Patienten nicht zu töten. Wir sind darauf vereidigt, sie am Leben zu erhalten.“
Msgr. Aupetits aktuellster Tweet, der innerhalb eines Tages fast 16.000 Mal aufgerufen und mehr als 600 Mal mit Herz versehen wurde, richtet sich mit bissigem Humor an die untragbaren Politiker:
“Euthanasie wird von unseren Stadtvätern als brüderlicher Dienst betrachtet. Was für ein Witz! Oder vielleicht ist es der erste Bruderdienst. Jener von Kain, der seinen Bruder Abel tötet. Charmant…“
Nachwort
Die Kommission, die die deutsche Bundesregierung in der Frage der Abtreibung berät, sieht, nach Aussagen von Beobachtern, erst die volle Menschenwürde ab der Geburt. Und erweist sich somit vorsintflutlich und fachlich völlig inkompetent.
Was die Katholiken betrifft, sollten sie einfach mal das Evangelium nach Matthäus lesen (25, 40 ff.) dessen überlieferte Worte Jesu auch im Umkehrschluss gelten:
Was ihr dem Geringsten meiner Brüder [und Schwestern natürlich] (an-)getan habt, das habt ihr mir (an-)getan. – Dann wird der König … sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten…
Da hätten auch unsere Bischöfe alle Hände voll zu tun, wenn sie die vielen Befürworter vom Mord am ungeborenen Kind ausschließen und ihnen die Kommunion verweigern wollen würden… Jenen “Katholiken” also, die eines der wichtigsten Gebote Gottes missachten: „Du sollst nicht töten!“
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Titelbild, Artikelüberschrift, Zwischenüberschriften (teilweise), Bild im Text, Twitter- und Youtube-Link von sowie geringfügige Modifikation des Rohtextes der conservo-Redaktion.
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* Dr. Juliana Bauer verfaßt ihre zeitkritischen und auch prosaischen Beiträge in Deutsch, Französisch sowie Italienisch und schreibt seit geraumer Zeit für conservo. Sie studierte in Freiburg/Br. und in Rom. Ihre Doktorarbeit schrieb sie in München über ein kunsthistorisch-bayerisches Thema, das auch die Darstellung bayerischer Volkstraditionen mit einschloss: “Über die Nymphenburger Porzellankunst um 1850.”
Über sich selbst sagt die Autorin: „Ich bin keine Theologin, sondern Kunst- und Kulturhistorikerin, aber eine, die mit der Bibel von Kindheit an vertraut ist und den Worten eines meiner Lehrer, eines ehemaligen Ordinarius des kunsthistorischen Instituts der Universität Freiburg/Br., Rechnung trägt: Ein Kunsthistoriker des Abendlandes muss bibelfest sein. Auch bin ich, in einem ökumenischen Haus aufgewachsen, mit der katholischen wie der evangelischen Kirche gleichermaßen vertraut.“