Sachsen-Bashing
Von Thomas Böhm *)
Einige der Unverbesserlichen betreiben mal wieder des Deutschen liebsten Sport: Verunglimpfung ganzer Volksgruppen. In diesem Fall hat es die tapferen Sachsen erwischt – sie wurden von zwei prominenten Dienern des Staatsfernsehens auf übelste Weise beschimpft:
Jan Böhmermann ist mal wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgegangen: Sachsen-Bashing. Als ob die Sachsen nicht schon genug Probleme hätten.
In einem Facebook Post „verteidigte“ der Moderator die Sachsen. Sie seien keine Nazis, bloß ganz normale Bürger „die nicht wissen was Nazis sind oder, wenn doch, nichts gegen sie haben.“ (http://videos.huffingtonpost.de/entertainment/auf-facebook-diese-nazi-aussage-von-jan-boehmermann-wird-sachsen-empoeren_id_5283918.html)
Arme Anke Engelke, seit gestern tobt ein Shitstorm auf ihrer Facebook-Seite. Hunderte Kommentare sind dort, überwiegend Hass. Sie alle fanden den „Nazivergleich“ mit Leipzig total daneben. Ihre Verteidiger finden dort kaum noch Platz. Aber worum geht es?
Anke Engelke – bekannt als hauptberufliche Komikerin, nur zur Erinnerung – hat bei der Berlinale-Eröffnungs-Gala am Freitag einen Scherz darüber gemacht, was George Clooney für die Dreharbeiten seines Films in Berlin und Potsdam ausgegeben hat.
„George Clooney hat für ‚The Monuments Men‘ viele Millionen investiert, um Deutschland in Nazideutschland zu verwandeln. Dabei hätte er es billiger haben können – 180 Kilometer südlich in Leipzig.“ – Anke Engelke
Eine spitze Pointe, so viel ist klar. „Anke Engelke beleidigt Leipzig“, hieß es schnell. Bei der BILD-Zeitung, auf Twitter, bei anderen Medien. Leipzigs Bürgermeister Burkhard Jung nahm es mit Humor und lud die Engelke mal in seine Stadt ein – zum Aufhängen der Fahnenspaliere und fegen der Exerzierplätze. Dann stellte er aber klar, dass „Demokratie und Offenheit hier einen hohen Stellenwert haben.“ (http://www.swr3.de/aktuell/nachrichten/Riesen-Aufregung-um-Anke-Engelkes-Leipzig-Witz/-/id=47428/did=3731820/1fv362m/)
Hoch interessant, woher die Entertainer der Dämlichkeit ihre Infos über die Sachsen beziehen:
SACHSEN IST NAZIHOCHBURG
Der Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 ist für deutsche und viele europäische alte und neue Nazis das bedeutendste Szeneevent des Jahres. Für ihr „nationales“ Erlebnis mit dem anknüpfungsfähigen Thema „Deutsche Opfer des Zweiten Weltkriegs“ war Dresden bisher der perfekte Ort an dem Nazis ihre menschenverachtende Ideologie geeint, öffentlichkeitswirksam und lange Zeit ungehindert zelebrieren konnten. Über 10-15 Jahre hinweg, avancierte der sog. Trauermarsch mehr und mehr zum zentralen Bezugspunkt und schließlich zur größten, regelmäßigen Naziveranstaltung Europas… (http://dresden-nazifrei.com/blockaden/79-sachsen-ist-nazihochburg)
Nenne mir Deine Informationsquelle und ich kenne Deinen IQ, Frau Engelke und Herr Böhmermann.
Vielleicht täusche ich mich aber auch und die beiden Irrgeleiteten meinten mit den sächsischen Nazis auch die hier:
69 verletzte Polizisten, 23 Demonstranten in Gewahrsam: Das ist die Bilanz schwerer Ausschreitungen von Linksextremisten am Rande einer Neonazi-Demo in Leipzig. Politiker sind entsetzt… (http://www.tagesspiegel.de/politik/schwere-ausschreitungen-in-leipzig-linke-krawalle-zwischen-strassenterror-und-zerstoerungswut/12715572.html)
Alles Nazis, oder was?
Aber ist Sachsen wirklich die Hochburg der Nazis? Wir haben mal nachgeschaut und sind tatsächlich auf einige „Verdächtige“ gestoßen:
Hans-Dietrich Genscher, Otto von Bismarck, Georg Friedrich Händel, Martin Luther, Otto I. der Große, Gottfried Wilhelm Leibniz, Johann Sebastian Bach, Lucas Cranach d.Ä., Johann Gottlieb Fichte, Erich Kästner, Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Nietzsche, Michael Ballack und wie sie alle heißen.
Im Grunde genommen erkennt jeder Psychologe, was die beiden Unterhaltungstäter dazu treibt, solch rassistische und volksverhetzende Aussagen zu machen: Sie haben Angst. Sie haben fürchterliche Angst vor den Sachsen. Sie haben Angst, dass sich noch einmal in Deutschland etwas wiederholt:
…Am 9. Oktober zogen in Leipzig nach dem wöchentlichen Friedensgebet in der Nikolaikirche etwa 70.000 Menschen um das Zentrum. „Jetzt oder nie, Demokratie“, riefen sie. Und „Gorbi!“, die Internationale schallte über die Straßen. Historiker wie Rainer Eckert, der Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig, sieht diese Demonstration als den Durchbruch auf dem Weg der DDR-Bürger in die Freiheit.
Ob die Mauer ohne den 9. Oktober gefallen wäre, darüber streiten die Zeitzeugen. Für Helmut Kohl war es die Schwäche der in einer Reform befindlichen Sowjetunion, für Wolfgang Thierse das Volk. Für die These des Sozialdemokraten sprechen der Druck der Fluchtbewegung, hinzu kommt die gewaltige Menge an Demonstranten, der die Staatsmacht kein taugliches Mittel mehr entgegenzusetzen hatte. Und der lange historische Vorlauf der Leipziger Friedensgebete… (http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2014-10/mauerfall-leipzig-montagsdemonstration-9-oktober-1989)
Jetzt wird wohl eher ein Schuh daraus. Jetzt können wir den Schwachsinn, den Engelke und Böhmermann da verzapfen, vielleicht sogar verstehen. Denn wenn der Sachse erst einmal in den politischen Widerstand getreten ist, macht er auch vor Angela Merkels Entertainern nicht mehr halt.
Bevor aber auch diese Staatsdiener von Bühne und Leinwand gefegt sind, machen wir uns erstmal mit einem munteren Sachsen-Liedchen warm:
„Mir Sachsen, mir sin helle, das wees de ganze Weld, und simmor ma ni helle, dann hammor uns verschdelld.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Dann würden wir uns freuen, wenn Sie JouWatch eine kleine Spende zukommen lassen würden! Hier der Link: http://journalistenwatch.com/
*) Der Berufsjournalist Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ und ständiger Kolumnist bei conservo
http://www.conservo.wordpress.com
16.02.2016