Wolfgang Thüne, promovierter Philosoph und diplomierter Meteorologe ist so ganz nebenbei auch ein höchst aktiver, streitbarer Vertriebenen-Polititker (Ostpreußen). Jedes Jahr überrascht er seine Freunde mit einem besonderen Weihnachtsgruß. In diesem Jahr auch wieder. Er beginnt mit einem Zitat des ehem. Kardinals Ratzinger, heute seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI:
„„Wenn Sie der verlorenen Heimat gedenken, dann steht das Unrecht der Vertreibung wieder vor Ihren Augen, das 15 Millionen Deutschen nach dem Kriege oft unter schrecklichen Bedingungen widerfahren ist. Die Weltöffentlichkeit hört aus vielen Gründen nicht gern davon, es paßt nicht in ihr Geschichtsbild hinein. Sie drängt dazu, dieses Unrecht zu verschweigen, und auch Wohlgesinnte meinen, daß man um der Versöhnung willen nicht mehr davon sprechen solle. Aber eine Liebe, die den Verzicht auf die Wahrheit voraussetzt, ist keine wahre Liebe. Sie hätte ein schlechtes Fundament. Aus der Psychologie wissen wir, daß Verschwiegenes und Verdrängtes im Menschen weiterwirkt und, wenn es keinen Ausweg findet, zur Vergiftung von innen her wird. Was im Leben des einzelnen gilt, das gilt auch für die Völker. Unterdrückte Wahrheiten werden zu gefährlichen Mächten, die den Organismus von innen her vergiften und irgendwo herausbrechen. Nur die Annahme von Wahrheit kann heilen. Liebe braucht Wahrheit und kann nicht ohne sie sein.“(Kardinal Ratzinger, 1997 zu den vertriebenen Sudetendeutschen zum Thema „Verzicht auf Wahrheit“).
Thüne spricht auch die klägliche Rolle an, die die Politiker der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1990-1992 in Bezug auf die deutschen Ostgebiete im allgemeinen und auf Ostpreußen im besonderen gespielt haben. Er denkt dabei u. a. an den früheren Außenminister Genscher, der – mit Ehren überhäuft – das von den Russen angebotene Ostpreußen abgelehnt haben soll. Bei der Zurückweisung Ostpreußens müßte natürlich auch die Haltung des Historikers und damaligen Bundeskanzlers, Helmut Kohl, betrachtet werden.
Wenn auch mit den Terrorangriffen der britischen Luftwaffe im August 1944 und der russischen Offensive im April 1945 die traditionsreiche 400jährige Geschichte der Königsberger Albertus-Universität, an der so bedeutende Gelehrte wie Kant, Bessel, Helmholtz, Hilbert, Neumann und Lorenz gewirkt haben, geendet hat, so findet diese in der nunmehrigen Immanuel-Kant-Universität zu Königsberg eine würdige Nachfolgerin, die sich noch gerne auf die alte Albertina beruft. Es seien an dieser Universität keinerlei Vorurteile gegenüber Deutschland festzustellen, im Gegenteil, eher freundschaftliche Gefühle. In Gesprächen sei das Fehlen des Zwangs zur „politischen Korrektheit“ angenehm, man könne über alles reden. Während die offizielle Bundesrepublik Deutschland jegliche Einflußnahme auf Ostpreußen ablehnt, würde die russische Seite gerne eine Vertiefung der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kontakte sehen, wie es die Worte der ehemaligen Vizerektorin Vera Zabotkina ausdrücken: „Königsberg existiert nicht mehr, aber wir glauben, daß Königsberg in Zukunft existieren wird. Und wir versuchen, Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu finden.“
Es ist zu hoffen, daß bisher unterdrückte Wahrheiten doch noch ans Licht kommen; denn es ist die Wahrheit, die frei macht und Voraussetzung für Recht und Gerechtigkeit ist. Wer den Frieden will, darf Wahrheit und Gerechtigkeit nicht scheuen und schon gar nicht unterdrücken. Dies sei unserer politischen Klasse auch noch mitgegeben: Es nutzt nichts, die eigene Geschichte zu verleugnen – in Gutem wie im Bösen. Man kann ihr nicht entrinnen.