Karfreitagsgedanken
Einst ging zur Schädelstätte der traurig lange Zug.
Voran der stille Dulder das Holz des Kreuzes trug.
Und hinter ihm die Frauen – sie haben viel geweint.
Maria, o Maria, wie trugest du dein Leid?
Da bricht der Herr zusammen, vom Blutverluste schwach.
Den Frauen, die Ihm folgen, entfährt manch wehes „Ach“.
Man reißt Ihn in die Höhe, man treibt Ihn scheltend an.
Er kann das Kreuz nicht tragen, der todesmatte Mann.
Da kommt ein Mann vom Felde, der will wohl heim zur Stadt.
Den zwingen sie, zu tragen das Kreuz, so rauh und hart.
Voll Dank und stiller Bitte nimmt ihn der Heiland wahr.
So wird erreicht der Richtplatz, der Hügel Golgatha!
Da werfen sie Ihn nieder, auf`s Kreuzholz hingelegt,
das Haupt am Mittelbalken, die Hände ausgestreckt.
Da trifft die Händ` und Füße ein wucht`ger Hammerschlag.
Wie dies das Herz des Vaters so schmerzlich treffen mag!
Da hängt Er an dem Kreuze hochragend aufgericht`,
und aus des Dulders Augen ein Strahl der Sonne bricht.
Er sieht die Henker unten, wie nach dem Werk sie ruh`n.
„Vergib doch, o mein Vater, sie wiss`n nicht, was sie tun!“
Das hört am andern Kreuze der eine Schächer an:
„Wie, für die Henker beten kann dieser stille Mann?“
Da fällt es ihm wie Schuppen von seinen Augen gleich.
„O Herr, gedenke meiner, wenn du kommst in dein Reich!“
Da schaut der Herr den Schächer wohl an mit frohem Blick:
Ein Menschenherz gewonnen – o welch ein großes Glück!
„Ich sage dir gewißlich: Du gehst noch heute ein,
du wirst mit mir zusammen im Paradiese sein!“
Doch höher, immer höher empor die Sonne steigt.
Der Dulder hängt am Kreuze im Sonnenbrand und schweigt.
Da ringt von Seinen Lippen der bange Ruf sich los:
„Mich dürstet“, tönt die Stimme – nicht nach Erquickung bloß.
Nach Menschenseelen dürstet Er in des Kreuzes Pein.
Sie sollen Ihm zum Troste im bitter`n Sterben sein.
Man reicht Ihm dar zum Munde auf einem Rohr den Schwamm.
Und weiter hängt Er schweigend am harten Kreuzesstamm.
Da fällt Sein Auge nieder, wo Seine Mutter steht,
da nun das Schwert, das scharfe, ihr durch die Seele geht.
Daneben steht der Jünger, den Er so sehr geliebt.
Nun Er die arme Mutter dem Jünger übergibt.
„Johannes“, spricht Er freundlich, „nimm sie zur Mutter an!“
Und zu der Mutter wendet das blut`ge Haupt Er dann.
Und spricht zu Seiner Mutter mit inn´gem Liebeston:
„O Weib, sieh: Der hier stehet, ist fortan nun dein Sohn!“
Doch was ist das? Die Sonne verlieret ihren Schein.
Die Welt durchdringt ein Beben. Sag an, was mag das sein?
Und um das Kreuz sich lagert Nacht, schwarze Finsternis.
Da plötzlich, laut und klagend, ein Schrei die Nacht durchbricht:
„Mein Gott, mein Gott im Himmel, warum verläßt du mich?“
Der Ruf durchdringt das Dunkel, so weh, so schauerlich.
Da hat der Feind, der Satan den letzten Stoß geführt,
ob nicht in Seinem Glauben der Herr noch irre wird.
Doch Jesus klammert flehend sich an den Vater an.
Und wenn ich auch nichts sehen und auch nichts fühlen kann,
mein Gott, doch bist und bleibst du. Und wenn du mich verläßt,
ich halte doch im Glauben an dir, mein Gott, mich fest.
Und wieder lagert schweigend sich um das Kreuz die Nacht.
Da tönt vom Kreuze jubelnd der Sieg: „Es ist vollbracht!“
Vollbracht das Werk, das schwere, durch Jesu Opfertod.
Nun kann der Heiland sterben. Vorüber ist die Not.
„In deine Hände, Vater, befehl` ich meinen Geist.“
Ein Strahl der Sonne wieder sich durch die Wolken reißt.
Nun ist die Nacht der Sünden für immerdar vorbei.
Seit Jesus ausgerufen am Kreuz den Siegesschrei.
Nun brauchen wir zu beben vor Tod und Teufel nicht.
Wer glaubt, der wird bewahret vor Hölle und Gericht.
Ihr Menschen und ihr Engel, singt jubelnd, was geschah:
Erlösung ist erworben am Kreuz auf Golgatha!
((Verfasser unbekannt; Bearbeitung: L. Gassmann; Quelle: Lothar Gassmann, GOLGATHA. Leiden und Sieg Jesu Christi. http://l-gassmann.de/golgatha.html)
Karfreitag, 25. März 2016