WIR SIND DAS VOLK! – Eine Widerrede zu Hannelore Kraft

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Volkspartei von gestern                                                                                                           

Hannelore Kraft
Hannelore Kraft

Das Gewicht der SPD als Volkspartei ist nach Einschätzung der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Hannelore Kraft trotz der jüngsten Wahlniederlagen nicht gefährdet. „Die Beurteilung Volkspartei kann man nicht an einer Prozentzahl festmachen”, sagte die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen (NRW) der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. „Das Gegenteil einer Volkspartei ist eine Klientelpartei. Das waren wir nie und werden wir auch nie werden.“

„Volkspartei lässt sich nicht an Prozentzahl festmachen“                                     Obwohl Umfragen die SPD im Bund bei nur 20 Prozent sehen, erklärt Hannelore Kraft die SPD weiter zur Volkspartei. Eine solche mache sie nicht an einer Prozentzahl fest – sondern an etwas anderem.

Die jüngste Forsa-Umfrage sieht die SPD im Bund nur noch bei 20 Prozent. Für SPD-Vize Kraft bleibt die SPD aber trotzdem eine Volkspartei. Das Gewicht der SPD als Volkspartei ist nach ihrer Einschätzung trotz der jüngsten Wahlniederlagen nicht gefährdet. Zugleich betonte die SPD-Landesvorsitzende in NRW: „Ich glaube, daß es auch bei den Umfragezahlen im Bund wieder bessere Zeiten geben wird für die SPD.“

Im kommenden Jahr wird im Mai in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Im Herbst steht dann die nächste Bundestagswahl an. Nach der jüngsten Umfrage von Forsa im Auftrag von “Stern” und RTL ist die SPD im Bund auf 20 Prozent abgerutscht. Bei den Landtagswahlen Mitte März hatte die SPD in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt schwere Verluste erlitten.                                                                                                                Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article153750753/Volkspartei-laesst-sich-nicht-an-Prozentzahl-festmachen.html)

Wen meint eigentlich Frau Kraft, wenn sie von „Volk“ spricht? Das Wahlvolk? Das Parteivolk? Oder „Volk” im umgangssprachlich- abwertenden Sinne (das „gemeine Volk“)? Das Deutsche Volk kann sie – bei Verstand – doch wohl nicht meinen; denn das ist der alten Dame SPD längst abhandengekommen.

Also was ist die SPD denn noch? Eine „Klientel-Partei” war sie auch ´mal, als sie sich als Vertreter der Arbeiter (inkl. der Gewerkschaften) und Kleinbürger verstand, wenn auch die Parteivorderen dieses Etikett nie gerne hörten. Aber nicht einmal das, die Vertretung der „Kleinen“, ist sie mehr. Arbeiter wählten längst in den letzten zwei Jahrzehnten überwiegend CDU – und neuerdings die AfD.

Nein, wenn die SPD-Führung sauber analysierte, müßte sie zugeben, daß sie keinen erkennbaren Kern mehr hat, sondern allenfalls einen versteckten: nämlich zu „Salonsozialisten“ verkommen zu sein, denen einerseits die „Vertretung der Arbeiterklasse“ unzumutbar erscheint, die sich aber andererseits nicht gerne dem Vorwurf ausgesetzt sieht, lieber im Salon zu sitzen. Obwohl, bei Licht besehen: Dienstwagen und äußere Machtsymbole werden gerne genommen. Da kann man ruhig mal die Parteiinteressen vergessen.

Was bedeutet das Wort von den Salonsozialisten? In Sonntags- und Parteitagsreden so zu tun, als sei man im Herzen sozialdemokratisch die einen, sozialistisch die anderen. Schon da werden „zwei Seelen in einer Brust“ sichtbar. „Wir wollen links sein, aber wir dürfen es nicht zeigen.“ So könnte derzeit die heimliche Losung der Partei heißen. (Übrigens ähnlich wie bei der CDU: „Wir heißen zwar christlich, aber das ist altmodisch; wir dürfen´s nur nicht sagen.)

Was heute den Kern der SPD (wie der CDU) noch ausmacht, ist die schiere Machtfrage, die Gier nach Posten und Ministerämtern. Beide sind zu reinen Macher-Parteien ver- und die Ideale abhanden ge-kommen.

Breite Wählerschichten?                                                                                                         Selbst die klassische Definition „Volkspartei“ hilft nicht weiter, sondern macht allenfalls nachdenklich. Wikipedia z. B. schreibt: „Als Volkspartei bezeichnet man in der deutschen Politikwissenschaft eine Partei, die für Wähler und Mitglieder aller gesellschaftlicher Schichten und unterschiedlicher Weltanschauungen im Prinzip offen ist. Dadurch unterscheidet sie sich von anderen Parteitypen wie der Klassen- oder Interessenpartei sowie der Honoratiorenpartei. Der Begriff Volkspartei wurde in diesem Sinne zum ersten Mal vom Politologen Dolf Sternberger verwendet.

Nach Dieter Nohlen ist Volkspartei „eine Selbstbezeichnung von Großparteien wie der SPD, CDU und CSU, die durch Ausweitung ihrer Wählerbasis nach möglichst vielen Stimmen für strategische Mehrheiten streben. Ihre politische Rhetorik und werbende Selbstdarstellung stützt sich dabei auf den Anspruch, schichtübergreifend und weltanschaulich verbindend breite Wählerschichten in sich aufzunehmen und in ihrer Interessenvielfalt ausgleichend vertreten zu wollen.“

Der Definition Sternbergers wäre zwar zuzustimmen, aber ihm fehlt der Begriff der Bedeutung, die Nohlen meint, wenn er von „breite Wählerschichten“ spricht. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Mit der rasanten „Bewegung nach unten“, dem tiefen Fall auf oder demnächst unter die 20-Prozent-Marke ist der SPD die „Breite“ abhandengekommen.

Und somit wirkt die tapfer vorgetragene Losung der Hannelore Kraft – „aber trotzdem eine Volkspartei…“ – eher wie das Pfeifen im Walde oder wie das Absingen der „Internationale“ als Operetten-Arie. Gesundbeten als Volksbelustigung. SPD eine Volkspartei? Längst vorbei.

Ein Volk von Nichtwählern                                                                                                  Und noch etwas sollte den beiden (ehemals) „großen Volksparteien“ zu denken geben: Wo ist „das Volk“ geblieben? ZUHAUSE, „meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Parteifreunde“, zuhause!!! Sie nennen sich nur nicht „Volk“, sondern „Nichtwähler“. Und das ist seit etlichen Jahren der größte Wähleranteil. Warum? Weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen. Genau dies wurde bei den letzten Landtagswahlen in solch unterschiedlichen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg bewiesen: Teile dieses Abstinenzvolkes kamen zurück zur Wahl, weil sich ihnen mit der AfD eine Alternative anbot.

Da liegt die Gefahr für CDU und SPD. Wer also auf der AfD jetzt rumhackt, beleidigt einen großen Teil des „Volkes“ und bestätigt die dort vorhandene Skepsis gegenüber den Altparteien. Da mag Frau Kraft herunterbeten, was sie will. Es ist nur lachhaft. Verstanden hat sie nichts!

Hätte sie mal besser beim alten Philosophen und Politiker Lucius Annaeus Seneca („der Jüngere“) nachgelesen: „Die Dekadenz der Freiheit kündigt sich damit an, daß sie so lüstern wird, sich auch ihren Feinden hinzugeben“ – also ihre Ideale und Grundsätze verrät. Und wenn sie seine (in Erfüllung gegangene) Voraussage gelesen hätte „…das verspreche ich dir, Lucilius: ich werde Kredit bei der Nachwelt haben, ich kann Namen mitnehmen, auf daß sie mit mir überdauern…“, müßten Frau Kraft und andere Parteigrößen aus SPD und CDU blaßwerden. Was wird von ihnen bleiben, wer wird mit ihnen „überdauern“? Ich fürchte, da tut sich ein Abgrund auf.

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  1. April 2016
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